"Dann ziehe ich hier weg!"
Bürger üben harsche Kritik an K+S-Abdeckplänen für die Halde
Fotos: Privat
20.12.2022 / NEUHOF -
"Von Bürgern für Neuhof – für die Bürger von Neuhof und Umgebung" war das Motto einer von der Jagdgenossenschaft Neuhof-Ellers organisierten Informationsveranstaltung im Neuhofer Gemeindezentrum zur geplanten Haldenabdeckung des Düngemittelherstellers Kali und Salz, der rund 200 Teilnehmer im vollbesetzten Festsaal folgten. In einer Pressemitteilung lässt die Jagdgenossenschaft den Abend Revue passieren.
"K+S- Planung nicht hinreichend effektiv - politische Zielvorgabe verfehlt"
Die Referenten merkten grundsätzlich an, dass mit der von K+S bevorzugten Dickschichtabdeckung das "politisch angestrebte Ziel, die Einleitung von Salzabwässern in Werra und Weser bis zum Jahr 2075 weitgehend zu vermeiden" nicht erreicht werden könne. "Bei gleichzeitig fortschreitender Aufhaldung aus laufender Produktion wird in den ersten Jahrzehnten keine effektive Reduzierung der Haldenabwässer erreichbar sein. Im Gegenteil könnten sie zunächst sogar zunehmen." Auf bisher nicht vorliegende Zahlen zur Wirksamkeit im Zeitverlauf werde man kritisch schauen müssen. Zudem werde es nach der aktuellen Planung rund 105 Jahre dauern, bis die Halde vollständig mit der kalkulierten Materialmenge von 89 Mio. Tonnen abgedeckt wäre: "Damit verlässt K+S den Rahmen der politischen Absprachen in der Flussgebietsgemeinschaft Weser, die in ihrem Maßnahmenprogramm Ende 2021 einen Abschluss der Maßnahmen bis 2075 vorausgesetzt hatte", bemerkte Karl-Ludwig Ruppel."Naturschutzfachlich eine aus der Zeit gefallene Planung"
Staub, Lärm, Schwerlastverkehr – und Schadstoffe
Die Zukunftsprognose der Referenten war eindringlich: Auf die Bewohner von Neuhof werde über Generationen eine enorme Belastung durch Schwerlastverkehr, Lärm, Staub und weitere Emissionen zukommen. Das größte Risiko für Mensch, Umwelt und Grundwasser könnte nach Ansicht der Vortragenden zudem auch in den Schadstoffen liegen, die in dem bis zur Schadstoffklasse LAGA Z2 klassifizierten Bodenaushub und Bauschutt enthalten sein werden. Offen sei insbesondere, was mit den schadstoffbelasteten Abwässern passieren solle, die an und unter der in weiten Teilen nicht abgedichteten Halde durch Auswaschungen entstehen werden. "Wir haben am Ende schlimmstenfalls nicht nur die Ewigkeitslast für eine Kalirückstandshalde, sondern noch eine weitere Ewigkeitslast für eine Abfall-Deponie gigantischen Ausmaßes", so die eindringliche Warnung der Referenten, die anhand der Planungsdaten von K+S deutlich machten, dass sich die Größe der Halde verdoppeln würde. Die Auswirkungen werde jeder in Neuhof spüren, vor allem aber seien die folgenden Generationen von dem "Jahrhundertprojekt" betroffen, gerade diejenigen, die "heute noch gar nicht geboren" sind.Sinkende Lebensqualität und fallende Immobilienwerte
"Alternativen sind vorhanden und müssen nur genutzt werden"
Dabei, so die Referenten, gebe es Alternativen wie die Rückführung zumindest von Teilen der Halde in die leeren Stollen, ggf. in Kombination mit einer Dünnschichtabdeckung. Diese habe schon aufgrund des viel geringeren Materialbedarfs deutlich weniger nachteilige Umweltwirkungen. Außerdem müßten Möglichkeiten zur Verwertung noch vorhandener Rohstoffe in der Halde (Kieserit) vorrangig geprüft werden. Zuerst aber müsse dringend dem rasanten Wachstum des "Monte Kali" begegnet werden. K+S habe dazu inzwischen technische Möglichkeiten entwickelt, die Produktionsrückstände direkt unter Tage in die leeren Stollen zu versetzen. "K+S macht es vor und wirbt in einer Presseverlautbarung vom 17. Oktober 2022 damit: im Werk Wintershall sollen nun die festen Rückstände auf der Halde um 90% reduziert werden - nur in Neuhof nicht", kritisierten die Redner.Appell: "K+S muss aufgefordert werden, schnellstmöglich umzuplanen!"
Nach dem Vortrag ergriff als erster Heiko Stolz, Bürgermeister von Neuhof, das Wort und ging auf den Appell an die Politik ein. Auch er bekräftigte, dass Alternativen geprüft werden müssten. Es müsse letztlich der "Spagat zwischen Arbeit, Umwelt und Lebensqualität gelöst" werden und "dies möglichst im Konsens zwischen K+S, der Gemeinde, der Landespolitik und den Bürgern". Hierfür stellte er ein fraktionsübergreifendes gemeinsames politisches Statement der Gemeinde, einen von K+S organisierten Dialogkreis sowie weitere Veranstaltungen im kommenden Jahr in Aussicht. Auch werde die Gemeinde ein Budget bereitstellen, um die Planung des Konzerns unabhängig und professionell begleiten zu können.
Harsche Kritik und Unverständnis bei den Bürgern
In der anschließenden Diskussionen meldeten sich zahlreiche Bürger - ausnahmslos ablehnend - und zum Teil mit harscher Kritik gegenüber dem K+S-Vorhaben zu Wort. Anwohner äußerten die Sorge, dass in Neuhof "die größte Abfalldeponie bundesweit" entstehen könnte. K+S könne nicht an dem bei Dunkelheit beleuchteten Kreuz auf der Halde ein "paar Lichter ausschalten" und sich dafür in der Öffentlichkeit als umweltbewußt handelndes Unternehmen feiern lassen, wenn es zeitgleich mit seiner Dickschichtplanung "zig Hektar Wald" als wertvollen CO2-Speicher abholzen wolle, zeigte ein Bürger sein Unverständnis."Es ist nicht ökologisch, Dreck von einem Haufen auf den anderen zu schaufeln"
Es sei nicht ökologisch, wenn "der Dreck von einem Haufen auf den anderen" geschaufelt werde, so die Wortmeldung eines Bürgers, der zugleich sein Unverständnis zum Ausdruck brachte, dass nicht mit einer Pipeline in die Nordsee tatsächlich Abhilfe geschaffen werde. "Durch die Stäube bei der Abdeckung mit belastetem Material haben wir am Ende Arsen auf den Tomaten" befürchtete ein anderer Anwohner in Haldennähe. Ein besorgter Landwirt wies auf die Probleme für die Landwirtschaft hin, wenn "in Neuhof kein Regen mehr ankommt, weil der Berg noch höher wird". Es wurde auch offen Kritik an der Informationspolitik von K+S gegenüber den Bürgern von Neuhof geübt. "K+S muss die Bürger endlich ernst nehmen und darüber aufklären, dass es sich hier nicht um eine Naturschutzmaßnahme und schon gar nicht um ein "grünes" Konzept handelt"."Dann ziehe ich hier weg!"
Eine Anwohnerin brachte es auf den Punkt: "Grün wird die Halde erst in 105 Jahren sein. Wer dann geboren ist, ist heute noch nicht absehbar. Jetzt ist es LAGA Z2, vielleicht wird das irgendwann mal mehr und vielleicht wird dann auch unter Tage entsorgt. Schon jetzt gehören Lärm und das Klappern vom Förderband zu Neuhof dazu, das kann man auch aushalten. Aber wenn dieses Vorhaben kommt, was will man dann noch hier? Da kann ich für mich nur sagen – ich ziehe hier weg."Veranstaltungsleiter Ralf Enders zog eine positive Bilanz: "Die Information der Neuhofer Bürger ist gelungen. Wir würden uns allerdings wünschen, wenn die Menschen nun den Impuls aufnehmen", sagte er und verband damit die Hoffnung, dass auch in Neuhof eine Bürgerinitiative entstehen könnte. Die anwesenden Vertreter des K+S Konzerns äußerten sich in der Veranstaltung nicht. (pm) +++
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