O|N-Gespräch mit der K+S-Spitze

"Auch alle anderen Varianten werden unter verschiedenen Kriterien geprüft"

Zu Gast bei O|N: Projektleiterin Dr. Karin Möller-Glock, Werkleiter Roland Keidel und K+S-Pressesprecher Marcus Janz (von rechts).
Fotos: Carina Jirsch

04.04.2023 / FULDA - Der Konzern K+S plant eine so genannte Dickschichtabdeckung des Kalibergs in Neuhof-Ellers (OSTHESSEN|NEWS berichtete bereits mehrfach ausführlich). Dieses Projekt trifft auf teilweise massiven Widerstand der Bevölkerung, und auch die Gemeindevertretung hat sich einstimmig dagegen ausgesprochen. Vor Kurzem erst hatte es eine Demonstration mit anschließender Kundgebung gegeben, organisiert von der Bürgerinitiative "Umwelt Neuhof". Auf Einladung von O|N sind Werkleiter Roland Keidel, Projektleiterin Dr. Karin Möller-Glock und Marcus Janz, Pressesprecher der K+S-Standorte, nach Fulda gekommen, um sich den Fragen der Redaktion zu stellen.

O|N: Können Sie kurz die Ausgangslage für Ihre Planungen skizzieren?

Werkleiter Keidel: Anlass für unsere Pläne sind unter anderem der behördenverbindliche Bewirtschaftungsplan und das dazugehörige Maßnahmenprogramm Salz der Flussgebietsgemeinschaft (FGG) Weser. Ziel ist es, Werra und Weser von der Salz-Belastung zu befreien. Das bedeutet, dass die Haldenwässer zu reduzieren beziehungsweise ganz zu vermeiden sind. Dies ist möglich durch eine Haldenabdeckung, wie sie jetzt auch für Neuhof geplant ist.

Pressesprecher Janz: Wir haben hier ein Entsorgungsthema. Jeder Tropfen Regen, der auf die Halde fällt, produziert Salzwasser. Die bestehende Pipeline löst nicht die Entsorgung, sondern verlagert sie lediglich, denn die Pipeline dient nur dem Transport. Den großen Rahmen bilden einerseits unsere bergbauliche Verantwortung, der wir auch nachkommen wollen, und die EU-Wasserrahmenrichtlinie. Letztere gibt das Ziel vor, Gewässer in einen guten ökologischen Zustand zu bringen. Diesbezüglich haben wir schon viel erreicht – durch große Anstrengungen, zahlreiche Investitionen und technische Innovationen. Und wir haben zugesagt, dass wir ab 2028 für die dann folgende Bewirtschaftungsperiode von Werra und Weser keine Produktionswässer mehr in die Werra einleiten werden. Im Werk Neuhof-Ellers haben wir keine Produktionswässer, weil wir dort Produktionsverfahren nutzen, die abwasserfrei sind. Aber wir haben anfallende Haldenwässer. Diese Haldenwässer bleiben ja zunächst mal, sollen aber mengenmäßig reduziert werden, sowohl von der Halde Neuhof als auch von den Halden an der Werra. Wir müssen langfristig gesehen weiter aktiv bleiben, damit die Salzbelastung von Werra und Weser sinkt. Dafür ist das beste Mittel eine Haldenabdeckung, um Haldenwässer gar nicht erst entstehen zu lassen.

O|N: Ein kurzer zeitlicher Abriss zur Historie des Projektes: Seit wann befasst sich K+S mit dem Thema Haldenabdeckungen?



Projektleiterin Dr. Möller-Glock: Wir prüfen und entwickeln Varianten zur Haldenabdeckung schon seit den 80er-Jahren. Das konkrete Projekt für Neuhof-Ellers ist im Herbst 2020 mit dem Projektauftrag gestartet. Unter dem Motto "K +S denkt Haldenabdeckung neu", nämlich über alle Standorte hinweg, um für jeden Standort angepasst die jeweils beste Variante der Haldenabdeckung zu entwickeln, haben wir das seitdem auch nach außen kommuniziert.
Keidel: 2020 war die Beschlussfassung der Weser-Ministerkonferenz zur schrittweisen Reduktion der Grenzwerte und zum Senken der Salzbelastung in Werra und Weser. Dieses Jahr markiert quasi den Startpunkt für die gezielten Vorplanungen zur Haldenabdeckung in Neuhof-Ellers.

O|N:Welche verschiedenen Varianten zur Haldenabdeckung gibt es – und warum gerade die Dickschicht für Neuhof-Ellers?

Dr. Möller-Glock: Wir haben aus der Entwicklung seit den 80er-Jahren im Wesentlichen drei Verfahren herauskristallisiert, die geeignet sind, eine Halde abzudecken und die Haldenwässer zu reduzieren. Das Wesentliche ist, dass wir für jeden Standort individuell prüfen, was dort wirklich zielführend ist, weil sich die lokalen Gegebenheiten teilweise stark unterscheiden. Alle in Frage kommenden Varianten werden für alle Standorte also sorgfältig geprüft, das haben wir auch immer wieder gesagt. Das ergibt sich schon aus dem Genehmigungsverfahren, denn ohne eine solch detaillierte, vorgeschaltete Alternativenprüfung ist das Vorhaben nicht genehmigungsfähig. Diese Prüfung ist für Neuhof-Ellers noch nicht abgeschlossen. Sie muss abgeschlossen sein, wenn wir den Antrag stellen. Dazu werden unter anderem noch diverse Gutachten erstellt, und in dieser Prüfungsphase befinden wir uns derzeit.
Bislang hat sich für Neuhof-Ellers die Dickschichtabdeckung als beste Variante herauskristallisiert, weil sie aus heutiger Sicht als einzige die Möglichkeit bietet, langfristig die Haldenwässer komplett zu vermeiden. Das heißt: Der Niederschlag kommt nicht in Kontakt mit Rückstandssalz, und damit entstehen die Haldenwässer erst gar nicht. Die Dickschichtabdeckung ist unter den Verfahren, die wir jetzt kennen, das einzige, das dieses Ergebnis bieten wird. Nichtsdestotrotz werden alle anderen Varianten unter verschiedenen Kriterien geprüft. So haben wir das bereits mehrfach kommuniziert, beispielsweise beim Bürgerdialog im Oktober 2022. Hier haben wir ganz speziell zur Variantenbetrachtung Fachposter vorgestellt, die erklären, wie dieses Prozedere funktioniert und welche Alternativen konkret geprüft werden. Diese Informationen sind auch auf unserer Webseite zum Projekt dargestellt.

O|N: Stichwort Variantenbetrachtung: Was wären denn die Alternativen zu Ihrem Projekt?

Janz: Da ist zum einen die so genannte Infiltrations-Hemmschicht. Das ist so zusagen eine letzte Schüttung auf der Halde mit einem speziellen Materialzusatz zum Rückstand. Sie hat einen Wirkungsgrad von etwa 50 Prozent und ist nicht begrünbar. Sie sorgt im Prinzip nur dafür, dass Regenwasser in der Schicht gespeichert wird und zur Verdunstung bereitsteht, was in Summe zu einer Erhöhung der Verdunstungsleitung führt. Daneben gibt es die Dünnschichtabdeckung, die ja auch in der öffentlichen Diskussion immer wieder aufgeführt wird. Die Dünnschicht ist im Vergleich zur Dickschicht eine andere, dünnere Abdeckung, die in der Lage ist, die steilen Flanken der Halde nachzubilden. Das Grundproblem ist, dass sich Salz beim Abschütten auf die Halde so verkrallt, dass sich diese steilen Flanken bilden, auf der eine dünne Abdeckschicht nicht ohne Weiteres liegen bleibt. Um die Standfestigkeit zu garantieren, braucht es spezielle Materialien. Die Dünnschichtabdeckung hat einen Wirkungsgrad von maximal bis zu 80 Prozent. Sprich: Hier bleiben etwa 20 Prozent der Haldenwässer auch nach der vollständigen Haldenabdeckung dauerhaft bestehen, die wiederum entsorgt werden müssen.

O|N: Wie viel Haldenwasser fällt überhaupt jährlich in Neuhof-Ellers an?

Janz: Abhängig von der Menge des Niederschlags ¬können zwischen 750.000 und 1,1 Million Kubikmeter Haldenwasser pro Jahr anfallen. Nimmt man 80 Prozent weg, bleiben rund 200.000 Kubikmeter pro Jahr. Das ist eine Menge, die wir nicht über die Fliede entsorgen können. Wir haben eine wasserrechtliche Einleiterlaubnis für maximal 100.000 Kubikmeter pro Jahr. Die erreichen wir aber nicht ansatzweise, denn wir können nur so viel einleiten, wie der Fluss auch verträgt. Wir haben also immer noch eine ganze Menge Haldenwasser am Ende übrig, und unser Ziel ist es ja, langfristig eine möglichst nachsorgefreie Lösung für die Haldenwässer zu haben. Denn auch so eine Pipeline muss alle paar Jahrzehnte komplett erneuert werden. Weil wir also vor Ort keine entsprechende Entsorgungsmöglichkeit haben, brauchen wir eine maximale Reduzierung der Haldenwässer.

O|N: Wie sieht es mit der Möglichkeit einer Rückführung der Halde unter Tage aus?

Keidel: Zunächst muss man bei dieser Frage wissen, dass das Haldenmaterial – inzwischen rund 133 Millionen Tonnen – mit schwerem Gerät Stück für Stück "bergmännisch" abgebaut werden müsste, um es wieder in die Grube zu bringen – denn die Halde ist wie festes Gestein. Das würde viele Jahrzehnte, je nach Abbauleistung auch über 100 Jahre dauern und wäre mit Lärm, Staub und einem hohen Energieverbrauch verbunden. Zudem ist es leider nicht möglich, das gesamte Haldenmaterial wieder in die Grube zu bringen. Das liegt vor allem daran, dass die Hohlräume unter Tage dafür bei Weitem nicht ausreichen. Hintergrund ist: Viele untertägige Hohlräume haben sich in den letzten Jahrzehnten wieder verkleinert oder verschlossen oder sind schon mit dem sog. Sofortversatz belegt. Außerdem ist es so, dass ein rückgebauter und dabei aufgelockerter Haldenrückstand eine geringere Dichte als festes Salzgestein aufweist.
In Zahlen bedeutet das: Für eine Tonne Rückstandsmaterial würde etwa der 1,5-fache Hohlraum für den Versatz unter Tage benötigt. Entsprechend würde der weitaus größere Teil des Rückstands als Halde verbleiben – mit den damit verbundenen Herausforderungen zur Salzabwasserentsorgung. Ein Teil des Hohlraums unter Tage wird darüber hinaus für die weitere Rohsalzförderung zur Kaliproduktion benötigt. Unterm Strich macht der Haldenrückbau also keinen Sinn. Dagegen forschen wir aber sehr wohl intensiv an der Minimierung des Anfalls frischer Rückstände aus der Produktion.

O|N: Sie sprechen davon, dass die Halde "grün" wird. Ist das nicht nur ein sprachlicher Trick?

Keidel: Durchaus nicht. Nehmen wir das Beispiel der Halde Friedrichshall, deren Abdeckung im Dickschichtverfahren im vergangenen Jahr abgeschlossen wurde. Hier ist die Oberfläche inzwischen tatsächlich grün. Es bildet sich dort sehr schnell ein Bewuchs. Das geht natürlich mit Gräsern los, gefolgt von Blühpflanzen und Hecken. Die Halde begrünt sich durch diese Aufbringung einer kultivierbaren Bodenschicht sehr schnell, das hat sich in Friedrichshall gezeigt. Das ist also kein sprachlicher Trick. Vielmehr werden die Oberflächen dieser Halden durch das Dickschichtverfahren im wörtlichen Sinn grün, weil sich dort sehr schnell Pflanzenbewuchs einstellt. Das ist nachgewiesen.

O|N: Was sagen Sie zu Vorwürfen, Sie planten die Vernichtung von Waldflächen und Arealen für die Landwirtschaft?

Dr. Möller-Glock: Die Abdeckung erfolgt natürlich nicht in einem Rutsch, indem rundherum erst alles abgeholzt und dann mit der ersten Schicht begonnen wird. Vielmehr soll die Halde in sieben Abschnitte eingeteilt werden. Mit einem dieser Abschnitte wird begonnen – dort soll die Abdeckung bis zum Ende nach oben aufgebaut werden. In diesem Bereich wird es dann schon grün, während wir im nächsten Abschnitt arbeiten. Anders ausgedrückt: Es ist nicht so, dass wir zuerst warten müssen, bis die gesamte Halde abgedeckt ist – und dann fängt es erst an, grün zu werden. Das muss man sich vielleicht noch einmal bewusst machen.
Es ist aber unstrittig, dass jede Form der Abdeckung, egal welche, einen zusätzlichen Flächenbedarf hat. Aber wir sehen zu, dass wir diesen Flächenbedarf so weit minimieren, wie es technisch möglich ist. Die Dickschichtabdeckung benötigt einen größeren Haldenfuß. Das liegt an dem steilen Schüttwinkel des Salzes, den man mit dem ungefährlichen Boden nicht so einfach nachbilden kann. Für alle diese verbrauchten Flächen wird es Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen geben. Da kommen wir gar nicht drumherum, aber das wollen wir natürlich auch, genau wie es auch forstrechtlich Ausgleich geben muss. Fazit: Der zusätzliche Flächenbedarf wird komplett ausgeglichen werden.

O|N: Was entgegnen Sie Mutmaßungen, in Neuhof-Ellers werde die größte Abfalldeponie der Welt entstehen?

Keidel: Das ist faktisch schlichtweg falsch. Wenn man das Wort Abfalldeponie benutzt, dann sollte es auch richtig verwendet werden. Der Begriff Abfalldeponie ist klar definiert: Das ist ein Ort, an dem Abfälle, für die es keine andere Verwendung mehr gibt, beseitigt werden. Im Unterschied zur Beseitigung ist das, was wir machen wollen, eine Form der Verwertung, weil die Abfälle dort einen Zweck erfüllen, nämlich diese Halde abzudecken, damit keine Haldenwässer mehr anfallen. Deshalb ist die abgedeckte Halde auch keine Abfalldeponie.

O|N: Es gibt viele weitere Bedenken vonseiten der Bevölkerung – zum Beispiel hinsichtlich des zusätzlichen Verkehrs auf Straße und Schiene oder wegen der zunehmenden Lärm- und Staubbelastung. Haben Sie mit einem derart massiven Widerstand von vielen Seiten gerechnet?

Dr. Möller-Glock: Wir setzen darauf, dass sich mehr Verständnis entwickeln wird, wenn man ein bisschen mehr in die Details einsteigt. Die Salzwasserleitung beispielsweise, die wir 2013 in Betrieb genommen haben, hat ja dazu geführt, dass der Lkw-Verkehr durch den Ort abgelöst wurde. Bis dahin wurde das Salzwasser mit vielen Lastwagen direkt durch den Ort gefahren. Wenn jemand natürlich die Angst hat, dass das wieder passiert, ist das nachvollziehbar. Das wird aber nicht der Fall sein.
Denn inzwischen gibt es die Autobahnanbindung mit der Westspange, sodass man diesen Lkw-Verkehr in der Gemeinde gar nicht sehen wird. Auch werden wir keineswegs die gesamten Mengen an Material durch eine Brecheranlage schicken, sondern lediglich bis zu circa 30 Prozent – so relativiert sich also vieles. Das sind Fakten, die wir unter anderem in unseren Vorträgen immer wieder kommuniziert haben, die aus unserer Sicht aber leider nicht immer aufgenommen wurden. Dann kann das natürlich zu Befürchtungen führen.

O|N: Hand aufs Herz: Wie und wann glauben Sie, dass es zu einer Einigung mit den Projektgegnern kommen könnte?

Keidel: Die Haldenabdeckung ist ein großes und sehr komplexes Thema, in das – wenn man sich nicht eingehend damit befasst – man erstmal keinen Einblick hat. Deshalb versuchen wir ja, mit Fakten und einem sachlichen Dialog diesen Befürchtungen entgegenzutreten. Um in den Austausch zu kommen, wurde unter anderem in Absprache mit der Gemeinde ein Dialogkreis gegründet. Dort sind drei Dutzend Interessenvertreter dabei: Naturschutzverbände, Gemeindevertreter, Ortsvorsteher und Landwirte, die Bürgerinitiative, dazu die Politik. Ziel ist es, in einen regelmäßigen Austausch zu kommen, über die verschiedenen Aspekte aufzuklären und die unterschiedlichen Varianten darzustellen, die, wie gesagt, alle ergebnisoffen geprüft werden.   (Bertram Lenz) +++


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