EM: Deutschland - Dänemark 2:0 (0:0)

Viertelfinale, oh ho. Viertelfiale, oh ho. Kai Havertz und Jamal Musiala treffen

Beim Stadtfest in Fulda gab es auch ein Public Viewing
Fotos: Rene Kunze

30.06.2024 / FULDA - Die Fans in der Wiesenmühle in Fuldas Herzen rasten aus. Osthessen rastet aus. Fußball-Deutschland rastet aus. Die DFB-Elf hat das Viertelfinale der Europameisterschaft im eigenen Land erreicht. In einem spannenden, unterhaltsamen und engen Spiel rang sie die Vertretung Dänemarks mit 2:0 (0:0) nieder. Nach torloser erster Halbzeit erzielten Kai Havertz per Handelfmeter und Jamal Musiala, der einst beim TSV Lehnerz kickte, die Tore im BvB-Stadion Dortmund. Dänemark hatte gehörig Pech.

Personelle Befindlichkeiten vorweg: Anstelle des gesperrten Jonathan Tah beginnt der Dortmunder Nico Schlotterbeck in der Innenverteidigung - und auch Leipzigs Linksverteidiger David Raum, der Füllkrugs Ausgleichstor gegen die Schweiz vorbereitete, steht in der Startelf. Kai Havertz von Arsenal London bleibt in der Spitze. Zudem fängt Sané von Bayerm München für Wirtz an. Eine Überraschung? Sané könnte mit seiner Schnelligkeit die dänische Dreier-Reihe aufreißen. Die Überlegung scheint sinnvoll - falls Sané einen guten Tag erwischt.

Doch auch Dänemark bietet Spieler klangvollen Namens auf. Viele verdienen in der Premier League ihr Geld. Und einige sind Ex-Bundesligaspieler: Vestergaard als zentraler Spieler der Dreierkette, Ex-Bayern-Spieler und die heutige Tottenham-Kraft Höjbjerg, sein Mittelfeld-Kollege Thomas Delaney im ehemaligen Dortmunder Stadion - auch wenn aktuelle Wolfsburger Wind rausrückt aus der ersten Elf; für ihn beginnt Skov Olsen.

Was ist denn hier nur los - was ist in der Wiesenmühle los? Gut eine Stunde vor Spielbeginn kriegt man schon kaum noch einen Platz - und das Gelände ist nicht eben klein. Kennen die Fuldaer, oder wo die Fußball- und Deutschland-Bekloppten alle herkommen, gar kein Zuhause? Oder sind sie da heute nicht erwünscht? Oder wollen sie nur am Gemeinschafts-Erlebnis schnuppern?

Leon Schönfeld: Bier gut, Open Air und mit dem Fahrrad da

Wie Leon Schönfeld aus Eichenzell. "Ich bin das erste Mal hier während der EM", sagt er. Was den 28-Jährigen hierher gezogen hat, das erklärt er so. "Das Bier ist gut hier. Es ist Open Air. Und ich bin mit dem Fahrrad da. Die Wiesenmühle ist so gut zu erreichen." Schönfeld, der in Flieden Tischtennis spielt, schiebt nach: "Ich gehe davon aus, dass die Deutschen gewinnen". Und warum? Was macht ihn so hoffnungsfroh? "Weil sie in meinen Augen viel Potenzial und eine gute Gruppenphase hingelegt haben. Von den Dänen erwarte ich nicht so viel wie von der Schweiz. Ich bin ziemlich optimistisch, dass Deutschland weiterkommt.

Entpuppt sich Sané als Unterschieds-Spieler, wovon ZDF-Experte Christoph Kramer überzeugt ist. Zeigt Deutschland in einem K.o-Spiel wieder mal ein anderes Gesicht? Erweist sich Dortmund als "magischer Schauplatz"? Das Stadion heißt heute BVB-Stadion, nicht etwa Signal Iduna Park oder Westfalenstadion. Wird das Spiel aus taktischer Sicht so ähnlich wie das gegen die Schweiz? Auch Dänemark versteht sich auf kompaktes und mannschaftlich starkes Verteidigen, schließt das Zentrum. Und die DFB-Elf? Sie wird Geduld benötigen. Und wo sind die Flügelspieler? Sané und Raum kommen rein. Mal sehn. Einige lassen es sich nicht nehmen hier, während der Nationalhymne aufzustehen -und ihre Hand ans Herz zu legen.

Es geht los. Endlich. Alles Geplänkel und Gefasel liegt hinter uns. Nach 3 Minuten 20 das 1:0 für Deutschland? Ecke Kroos, Kopfballtor des Dortmunders Schlotterbeck im eigenen Stadion - doch der englische Referee erkennt das Tor nicht an. Warum? Es bleibt beim 0:0.

Ein kerniger Kimmich-Distanzschuss folgt - Schmeichel mit einer Hand. Wieder Ecke Kroos, Kopfball Schlotterbeck - Außenpfosten. Ein feuriger Start der DFB-Elf. Vor feurigem Publikum. Deutschland macht den Ball und das Spiel schnell. Der Schlüssel Kroos taucht häufiger in der gegnerischen Hälfte auf - ein gutes Zeichen. Nach genau 10 Minuten: Havertz zieht mit links ab, auch diesen Schuss wehrt Schmeichel mit toller Reaktion ab.

Dänemark befreit sich nach der starken Anfangsphase der DFB-Elf

Fällt jetzt die Führung? Dribbling Sané, der Ex-Gladbacher Christensen foult ihn - Freistoß aus gut 22 Metern. Verheißungsvolle Position. Kroos in die Mauer. Plötzlich, nach gut 20 Minuten, haben die Dänen die Chance zur Führung: langer Ball auf Eriksen, Rüdiger rettet in höchster Not. Auch Maehle hat kurz danach - Eriksen hatte prima nachgesetzt - eine gute Schusschance mit links. Dänemark hat sich mittlerweile aus dem starken Anfangs-Druck der DFB-Elf befreien können. Nach einer halben Stunde Freistoß für die Dänen, Andrich lässt gegen den starken Maehle das Bein stehen am Sechzehner. Doch auch Eriksen tritt in die Abwehrmauer.

Nach knapp 35 Minuten unterbricht Referee Michael Oliver das Spiel: Über Dortmund zieht ein heftiges Gewitter, das man bis nach Fulda hört. Hier ist es noch ruhig. Die Spieler gehen in die Kabinen.

Zeit und Gelegenheit für Osthessen|News, ein erstes Fazit zu ziehen:
Die DFB-Elf legte eine begeisternde Anfangsphase hin, die an den Auftritt im Eröffnungsspiel gegen Schottland erinnerte. Deutschland ist griffig, giftig und setzt sich oft im letzten Drittel fest - oder erreicht das auch durch gute und schnelle Kombinationen. Es bleibt ein Rätsel, warum "Schlottis" früher Kopfballtreffer nicht anerkannt wurde. Schlotterbecks zweiter Kopfball und Havertz' Linksschuss waren weitere Chancen. Dänemark befreite sich nach 20 Minuten, machte die Räume im Zentrum eng - und die DFB-Elf half ihrem Kontrahenten durch einige zu leichte Ballverluste. Dänemark kontert stark, zielgerichtet, kommt oft über die linke Angriffsseite, auf der Kimmich zwar mit zurückkommt, aber zu offensiv ist. Und Deutschland zudem defensive Löcher zwischen den Sechsern und vor der Viererkette bietet. Maehle setzt Impulse. Zwei gute Möglichkeiten hatten auch die Dänen.

Plötzlich Jubel in der Wiesenmühle. Was ist passiert? Die Spieler kommen wieder. Aber weiter geht's noch nicht. Jetzt. Nach gut 20-minütiger, fast 25-minütiger Unterbrechung. Noch zehn Minuten in der ersten Halbzeit. Ohne Nachspielzeit.

Das Feuerwerk geht weiter nach der Pause

Und die DFB-Elf macht da weiter, wo sie begonnen hat. Einen Havertz-Kopfball wehrt Schmeichel mit Mühe ab, ein weiterer Schlotterbeck-Kopfball landet am Außennetz. Wenig später ist Schlotterbeck nach einem dänischen Angriff schon im Ballbesitz, mit der Ballmitnahme aber klappt's nicht so - der Winkel ist beim dänischen Abschluss ziemlich spitz. Dennoch: leichtes Durchatmen. Wenig später mehr - Deutschland hat in der Tat Glück: Dänemark kontert schnell, mit Eriksens One-Touch-Weiterleitung - Delaney bringt die Kugel mit letztem Einsatz noch zum emsigen Höjlund, der mit etwas Pech Eins-gegen-eins an Neuer scheitert und den Ball nicht mitbekommt.

Genau halb elf. Zweite Halbzeit. Eigentlich wäre jetzt fast Schluss. Was ist denn jetzt los in Dortmund? Die Ereignisse überschlagen sich. Auch die Anhänger in der Wiesenmühle spielen verrückt. Erst trifft Andersen für Dänemark - dann wird schon wieder gecheckt. Der Grund: Raum flankt, Andersen springt der Ball an die Fingerspitzen - Handelfmeter für Deutschland. Havertz tritt an - und sein platzierter Flachschuss sitzt. 1:0 für Deutschland.

Früher war Fußball so ein leichtes Spiel - diese beiden Entscheidungen aber zeigen, wohin es sich entwickelt hat. Die Fußspitze des Dänen war im Abseits - Sekunden darauf ein Handspiel, das früher wohl kaum geahndet worden wäre.

Kaum ist das vorüber, hat Havertz das 2:0 auf dem Fuß: Er ist halblinks durch - lupft die Kugel Eins gegen eins zwar über Schmeichel, aber auch knapp am langen Eck vorbei. Und Sané beklagt sich, auf dem Weg zum Tor von Delaney gefoult worden zu sein. Minuten später schießt Sané den Ball nach Havertz-Ablage knapp am Tor vorbei - das hätte das 2:0 sein müssen. Es bleibt aber spannend: Der starke Eriksen bedient Höjlund - dessen Linksschuss geht genau auf Neuer (67.).

War's das etwa? Alle Fuldaer liegen Jamal Musiala zu Füßen. Mit seinem dritten Saisontor erhöht er auf 2:0. Halblinks ist er durch - und schließt den Konter sicher ins lange Eck ab. Alle in Deutschland, alle in der Wiesenmühle, alle in Osthessen haben das Viertelfinale vor Augen - Spanien ist vermutlich dort der Gegner.

Während die Bemühungen der aufopferungsvollen Dänen nichts Wesentliches mehr einbrachten in der Schlussphase, hatte die DFB-Elf gegen die offener spielenden Kontrahenten noch Möglichkeiten. In der Nachspielzeit erzielte der eingewechselte Füllkrug sein zweites Abseits-Tor - und scheiterte Havertz nochmals Eins gegen eins an Dänemarks starkem Keeper Schmeichel, der für Leicester City kickt. (wk)


Deutschland: Neuer - Kimmich, Rüdiger, Schlotterbeck, Raum (80. Henrichs) - Andrich (65. Can), Kroos - Gündogan (65. Füllkrug) - Musiala (80. Wirtz), Sané (88. Anton) - Havertz

Dänemark: Schmeichel - Andersen, Vestergaard, Christensen (81. Bruun Larsen) - Bah, Delaney (69. Nörgaard), Höjbjerg, Maehle - Skov Olsen (69. Poulsen), Eriksen - Höjlund (81. Wind)

Schiedsrichter: Michael Oliver (England)

Tore: 1:0 Havertz (53., Handelfmeter), 2:0 Jamal Musiala (68.)

Zuschauer: 62.000 +++

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