EM: Deutschland - Ungarn 2:0 (1:0)

Zweites Spiel, zweiter Sieg: DFB-Team hat als erstes das Achtelfinale erreicht

Hoch ging's her im Hünfelder AHA.
Fotos: Bernd Vogt

20.06.2024 / HÜNFELD - Frohe Kunde aus der Hünfelder Gastrokneipe AHA, frohe Kunde aus Stuttgart: Die Mannschaft des Deutschen Fußball-Bundes hat als erstes Team bei der Europameisterschaft im eigenen Land das Achtelfinale erreicht. Im zweiten Gruppenspiel fuhr sie den zweiten Sieg ein - und besiegte die zähen Ungarn mit 2:0 (1:0). Die Tore schossen Jamal Musiala und Ilkay Gündogan. Am Sonntagabend steht für die DFB-Elf das dritte Gruppenspiel gegen die Schweiz an. 


Hier in Hünfelds Herzen geht die Post ab. Immer mehr füllt sich der weiträumige Platz mit zig Sitzmöglichkeiten. Das bisschen Regen scheut niemand. Schon am Freitag beim WM-Eröffnungsspiel Deutschlands gegen Schottland waren "200 bis 250 Leute da. Wir hatten mit 100 gerechnet", sagt Nico Kirst, der die Umstrukturierung des ehemaligen AHA-Wirtshauses vorantreibt. "Die Stimmung war durchgehend gut. Nach dem Spiel haben wir aus dem Stegreif noch ein bisschen Musik gemacht. Die Gäste sind bis dreiviertel Eins, Eins geblieben", schiebt er nach. 

Wir, das sind auch Luzie Jüngst und Carlotta Jüngst. Hinter alldem steht Carolin Zuspann, Geschäftsführerin der Waldgaststätte Praforst. Auch Nico arbeitet dort. Apropos Umstrukturierung: Vorher ging AHA als Wirtshaus durch, jetzt ist es in "Bier und Bar" umbenannt. Und Nico Kirst erklärt das Konzept: Hauptsächlich definiert sich die neue Location aus Getränkeverkauf, auch über Cocktails. Einmal im Monat soll es auch eine Veranstaltung mit DJ geben - an diesem Freitag, in zwei Tagen, am 21. Juni also, läuft die erste dieser Veranstaltungen.

Einige der Abiturklasse der Wigbertschule machen den Würstchenverkauf. Sie verdienen sich somit etwas für ihre Kasse. Hübscher Impuls.

Jetzt ist alles voll. Und jetzt ist Fußball. Heut wird's anders als am Freitag. Jeder Kicker weiß das. Manuel Neuer, zuletzt zu Unrecht Gescholtener, muss gleich wach sein - nach Kimmichs riskantem Rückpass. Ungarn setzt durchaus offensive Akzente im umkämpften Spiel. Havertz hat zwar mit seinem Linken eine Schusschance - die aber entpuppt sich als zu schwach. 

Elfte Minute. 1. Riesenchance für Deutschland: Leipzigs Orban verteidigt einen langen Ball schlecht - Havertz indessen verhält sich gut, setzt energisch seinen Körper ein und kocht den Leipziger ab. Dem hilft ein anderer Leipziger: Keeper Gulacsi reagiert aus Nahdistanz klasse gegen Havertz. Im Anschluss nimmt Andrich eine Kroos-Ecke direkt - ein Ungar rettet per Kopf.

Feine Kombination: Musiala leitet ein, Havertz leitet direkt weiter - Gündogan verpasst knapp. Gute Idee, gut aufgebaut, zu ungenau am Ende.

Minute 22: Jubel in Hünfeld, Jubel in Fulda, Jubel in Deutschland: Die DFB-Elf geht 1:0 in Führung. Innenverteidiger Tah gewinnt durch langes Bein einen Ball. Wirtz bedient Musiala in zentraler Position vor dem Strafraum. Musiala steckt auf Gündogan durch. Der bekommt den ersten Ball nicht, setzt aber nach - und spielt den nachrückenden Musiala durch. Und der trifft. Sein zweites EM-Tor. Was jetzt wohl in Lehnerz los ist, wo er einst spielte?

Die Leute sind gebannt hier - denn noch ist überhaupt nichts entschieden. Der Grund: Ungarn bleibt dran. Erst zeigt Neuer nach Szoboszlais Freistoß einen tollen Reflex - dann rettet Tah gegen den ehemaligen Leipziger und jetzigen Liverpooler. Kurz vor der Pause fast das 2:0: Viele haben den Torschrei schon auf den Lippen - auch hier in Hünfeld; irgendetwas stimmt da nicht - aber Musiala trifft das Außennetz. Nachdem Kroos, Wirtz und Musiala ihre Virtuosität auf engem Raum bewiesen haben. Und auf der Gegenseite fast der Ausgleich: Wieder tritt Szoboszlai einen gefährlichen, ein Kopfball folgt, Neuer reagiert an sich klasse - den zweiten Ball aber köpft ein Ungar ein. Doch die DFB-Elf ist im Glück: Abseits.

Fazit des ersten Durchgangs: Nach umkämpfter Anfangsphase zeigt die DFB-Elf, die sicher verdient vorn liegt zur Pause, wieder, was in der vordersten Reihe in ihr steckt. Sie kombiniert gut - und sobald sie offensive Räume im letzten Drittel besetzt, wird's gefährlich. Musiala, der stets in den Halbräumen zu finden ist, ragt erneut heraus. Ist der Virtuose am Ball, wird's gefährlich. Auch "Zwilling" Witz besticht durch sein einfaches und schnelles Spiel auf engstem Raum; hier kann man sehen, wie effektiv der einfache Pass oft ist. Auch die offensivstarken Verteidiger Kimmich und Mittelstädt sorgen für Gefahrenmomente. Das führende Team muss indessen auf der Hut sein - Ungarn nimmt sein Herz in die Hand und spielt schnell nach vorn. Szoboszlai war einige Male nah dran am Torerfolg. 

Zweiter Abschnitt. Ungarns Trainer Rossi treibt sein Team an, höher zu verteidigen. Das muss es auch, punkten muss  Ungarn in jedem Fall. Erste Chance Deutschland in Minute 54: Gündogans Eingabe von außen wehrt Gulacsi ab - Kroos setzt im direkten Versuch zum zweiten Ball an, der abgefälscht wird, doch Ungarn wehrt ab. 

Riesen-Glück für Deutschland nach knapp einer Stunde: Um ein Haar wäre Bollas Kopfball nach Szallais Flanke drin gewesen. Dummer Spruch: Das Ding ist noch nicht durch. Vielleicht ist es auch eine Anleihe bei ARD-Reporter Tom Bartels. 

Und da ist das 2:0 für die DFB-Elf - Mitte der zweiten Halbzeit. Der geniale Musiala zieht nach innen und schafft Platz, Stuttgarts Mittelstädt passt von links in den Rückraum - und Kapitän Gündogan erhöht mit Links-Direktschuss auf 2:0. Nachdem Kontrahent Ungarn durchaus und zumindest ebenbürtig war in der zweiten Hälfte. Wenig später geht Kimmichs Flanken-Schuss knapp vorbei. Und Nagelsmann wechselt doppelt: Stuttgarts Führich im eigenen Stadion für Musiala, Can für Andrich. 

Auch das sieht nach Fußball aus, als Gulacsi Sanés tollen Fachschuss prima abwehrt. Es spricht für Ungarn, dass das Team nicht locker lässt. Can rettet per Kopf ach einer Ecke (83.). Mit Undav kommt derweil ein dritter Stuttgarter ins Spiel der DFB-Elf. Noch einmal Riesen-Glück für Deutschland kurz vor Schluss, als Ungarn noch einmal seine Standard-Stärke anzapft: Neuer kommt nach einem Freistoß nicht so recht an den Ball - und Kimmich rettet auf der Linie.

Fazit des gesamten Spiels: Die DFB-Elf hinterließ auch in ihrem zweiten Auftritt bei der EM im eigenen Land einen starken Auftritt. Sie gefiel erneut als Team, wirkte ballsicher, sicher in ihren Abläufen und geschlossen. Dass gegen die hartnäckigen Ungarn, die durch ihr schnelles, einfaches, aber im Abschluss unglückliches Umschalten gefielen, mehr nötig war als zum Auftakt gegen die Schotten, wusste das Team - und es zeigte das auch sehr konzentriert. Dass die Offensive in der ersten Hälfte erneut herausragte, müsste man eigentlich nicht betonen. Gündogans 2:0 fiel zum, wie Fußballer sagen, richtigen Zeitpunkt: als die Ungarn drauf und dran waren, mehr zu erreichen. Festigkeit und Stabilität lassen vom DFB-Team einiges erwarten. Doch, Hand aufs Herz: Auch wenn Ungarn sich als deutlich stärkeres Team als die Schotten entpuppte - ein wirklich ernsthafter Kontrahent fehlt noch. Er kommt vermutlich im Achtelfinale. (wk)


Deutschland: Neuer - Kimmich, Tah, Rüdiger, Mittelstädt - Andrich (72. Can), Kroos - Gündogan (84. Undav) - Wirtz (58. Sané), Musiala (72. Führich) - Havertz (58. Füllkrug)

Ungarn: Gulacsi - Lang, Orban, M. Dardai - Bolla (75. Adam), A. Nagy (64. Kleinheisler), Schäfer, Kerkez (75. Z. Nagy) - Sallai, Szoboszlai - Varga

Schiedsrichter: Makkelie (Niederlande)

Tore: 
1:0 Jamal Musiala (22.), 2:0 Ilkay Gündogan (67.)

Zuschauer: 50.000 +++

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