Er vermisst gute schwäbische Brezeln
Prof. Karim Khakzar: "Meine Entscheidung für Fulda war goldrichtig!"
Fotos: Carina Jirsch
03.06.2024 / FULDA -
Herr Prof. Khakzar, eigentlich müssten Sie in diesem Jubiläumsjahr den ganzen Tag mit stolzgeschwellter Brust herumlaufen. Wenn man sich die kleine und eher unbedeutende Fachhochschule des Jahres 1974 vorstellt und sie mit dem ausgedehnten, wirklich vorzeigbaren Campus von 2024 vergleicht, muss man sagen: Chapeau! Ich weiß, das ist nicht Ihr alleiniger Verdienst, aber Ihr Anteil an dieser herausragenden Entwicklung ist doch überproportional hoch. Sind Sie stolz auf diese Leistung?
"Ich möchte gleich zu Beginn noch einmal wirklich betonen. Es ist nicht MEINE Leistung. Hinter der sehr erfreulichen Entwicklung von der ehemaligen Fachhochschule Fulda zur heutigen Hochschule Fulda – University of Applied Sciences steckt ein großes Team mit sehr vielen Persönlichkeiten, die im Laufe der Zeit - wie ich finde - etwas Tolles haben entstehen lassen. Und wie im Fußball muss die Mannschaft harmonieren, damit am Ende Erfolge eingefahren werden. Dabei sollte der Trainer gute Rahmenbedingungen für sein Team schaffen, die Strategie vorgeben und die Mannschaft auf die anstehenden Herausforderungen gut einstellen. Wichtig ist, was dann auf dem Platz passiert. Am Ende hofft der Trainer, dass seine Entscheidungen überwiegend richtig waren. Wie im Fußball gehört immer auch ein Quäntchen Glück dazu. Aber zurück zur Frage: Auf die Mannschaftsleistung bin ich sehr, sehr stolz!"
Was hat damals den Ausschlag für Sie als Stuttgarter für Ihre Bewerbung auf eine Professur an dieser damals eher unbedeutenden FH gegeben?
"Ich war nach meiner Promotion an der Universität Stuttgart fünf Jahre für ein großes europäisches Telekommunikationsunternehmen tätig, zuletzt zwei Jahre in der Zentrale in Brüssel. Zu meinen Aufgaben zählten die Koordination großer europaweiter Entwicklungsprojekte in einer höchst dynamischen Umbruchszeit geprägt von Deregulierung, Wiedervereinigung und Entwicklung von Glasfaserübertragungssystemen. Das fand ich sehr spannend und es hat auch wirklich viel Spaß gemacht. Ich hatte allerdings schon früh den Wunsch, früher oder später wieder in den Hochschulbereich zu Lehre und Forschung zurückzukehren. Und so habe ich von Brüssel aus die Stellenangebote für offene Professuren in der ZEIT beobachtet. Als die damalige Fachhochschule Fulda dann 1995 genau in meinem Fachgebiet "Nachrichtentechnik und Elektronik" eine Professur ausschrieb, habe ich den Versuch gewagt, ohne Hochschule, Stadt oder Region zu kennen. Die Möglichkeiten, sich über die Einrichtung und die Rahmenbedingungen ausführlich zu informieren, waren damals noch ziemlich begrenzt. Zur Probevorlesung war ich dann tatsächlich auch das erste Mal in Fulda. Insofern war das Verlassen meiner interessanten und vielversprechenden Position im Unternehmen sicherlich ein Risiko. Die Entscheidung für Fulda und ihre Hochschule war in der Rückschau jedoch goldrichtig!"
"Ich habe ein Semester für die Eingewöhnung gebraucht, denn der Wechsel von einem Großkonzern zu einer damals noch deutlich kleineren und bei weitem noch nicht so gut ausgestatteten Fachhochschule war ein kleinerer Kulturschock. Den habe ich jedoch schnell überwunden. Der Hochschul- und Wissenschaftsbereich bietet einen großen Vorteil gegenüber einem Großkonzern. Man genießt als Professor viele Freiheiten und hat einen großen Gestaltungsspielraum. Natürlich verpflichtet man sich, Lehrveranstaltungen aus dem eigenen Fachgebiet abzuhalten. Aber gleichzeitig entscheidet man selbst, wie die eigene Lehre ausgestaltet ist und welche didaktischen Konzepte man verfolgt. Bei der Wahl des eigenen Forschungsschwerpunkts kann einem niemand Vorschriften machen. In einem großen Unternehmen mit einer ausgeprägten Hierarchie ist das zwangsläufig anders. Ich habe diese Freiheiten sehr schnell zu schätzen gewusst und sie auch genutzt, um mir ein eigenes, neues Forschungsfeld zu erschließen. In meinen Anfangsjahren an der Hochschule entstand weltweit ein regelrechter Internet-Hype und ich habe mich sehr intensiv mit Themen wie Multimedia und eCommerce befassen können und durfte gemeinsam mit Studierenden und Absolventinnen und Absolventen spannende Projekte durchführen, an die ich mich sehr gerne zurückerinnere."
Es ist nicht schwer, sich in Fulda wohlzufühlen, es gibt viele Pfunde, mit denen die Stadt wuchern kann. Gibt es dennoch etwas, mit dem Sie bis heute "fremdeln"?
Wann kam Ihnen der Gedanke, dass es in diesem Bildungsbetrieb auch außerhalb Ihres eigenen Fachbereichs noch Entwicklungspotential geben könnte - und Sie bei einer solchen "Expansion" eine wichtige Rolle einnehmen könnten?
"In der Zeit von 2001 bis 2004 durfte ich ein großes EU-gefördertes Forschungsprojekt namens ShopLab leiten. Insgesamt acht Partnerhochschulen und Unternehmen aus fünf verschiedenen Ländern waren beteiligt. Mit einem Budget von 3,2 Millionen Euro war es nicht nur das größte Drittmittelprojekt der Hochschule bis dahin, sondern gleichzeitig bundesweit auch eines der ersten EU-Projekte, das von einer Fachhochschule geleitet wurde. Mein Vorgänger Prof. Dr. Roland Schopf, der die Hochschule bis 2008 leitete, fragte mich dann 2004, ob ich nicht das Amt des Vizepräsidenten für Forschung und Entwicklung übernehmen wolle. In den folgenden vier Jahren in dieser Funktion bin ich auf den Geschmack gekommen. Es hat mir von Anfang an viel Spaß gemacht, die Entwicklung der Hochschule an entscheidender Stelle mitzugestalten."
Sind Sie eher ein Einzelkämpfer oder ein Teamplayer?
"Teamplayer!"
Was waren die dicksten Brocken, die höchsten Hürden, die Sie bei der sukzessiven Erweiterung des Lehrangebots, der Gebäudeerweiterung, der Personal- und Studierendenrekrutierung aus dem Weg räumen mussten?
Und schließlich ist die Internationalisierung unserer Hochschule auch nicht immer ein Selbstläufer gewesen, denn sie kann ganz schön herausfordernd sein. Nicht alle Lehrenden sind damit glücklich, plötzlich Lehre auf Englisch halten zu müssen, und auch die Begleitung unserer internationalen Studierenden durch ein erfolgreiches Studium erfordert erheblichen, zusätzlichen Aufwand. Aber strategisch ist die Internationalisierung enorm wichtig, nicht zuletzt um dem enormen Fachkräftemangel etwas entgegenzusetzen."
In der ZEIT gibt es die wunderbare Rubrik "Was ich gern früher gewusst hätte". Was ist das bei Ihnen?
Macht Ihnen die Arbeit nach rund 16 Jahren in Ihrem Amt als Präsident noch Spaß?
"Ich gehe jeden Tag mit Freude zur Arbeit, das ist keine Selbstverständlichkeit. Wir tragen im Präsidium viel Verantwortung, das kann auch einmal zur Belastung werden. Aber der Spaß am kreativen Gestalten überwiegt eindeutig. Das Hochschulsystem war in den letzten 20 Jahren von Umbrüchen und Veränderungen geprägt, man denke nur an die Bologna-Reform. Und es gibt die klare Erwartung, dass wir als Hochschulen gesellschaftliche Verantwortung übernehmen. Das betrifft nicht nur Lehre und Forschung, sondern umfasst auch die Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen und das Einstehen für Werte und Haltungen, die für ein friedliches Zusammenleben in Freiheit wichtig sind. Dazu zählt aktuell, dass wir uns für Demokratie und gegen den aufkommenden Rechtspopulismus sowie jede Form von Diskriminierung und Antisemitismus einsetzen. Wir nehmen Stellung zu wichtigen gesellschaftlichen Entwicklungen, beteiligen uns an Kundgebungen oder werben für ein vereintes Europa. Und selbstverständlich befassen sich viele Studieninhalte und Forschungsprojekte mit den Themen Demokratie, Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Chancengleichheit, Menschenrechte, ökologische, soziale und ökonomische Nachhaltigkeit. Die Erwartungen an Hochschulen sind hoch, allerdings zurecht!"
(ci)+++
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