Neugründung der AfD-Jugend

Großlage für die Polizei: Uni-Stadt bereitet sich auf 50.000 Demonstranten vor

Polizeipräsident Torsten Krückemeier vom Polizeipräsidium Mittelhessen während der Pressekonferenz am Mittwochvormittag in Gießen
Fotos: Hans-Hubertus Braune

26.11.2025 / GIEßEN - Innenministerium und Polizei sprechen von einer besonders herausfordernden Situation, welche die Universitätsstadt Gießen am Wochenende erwartet. Hintergrund ist die Versammlung der AfD-Jugend, welche sich ausgerechnet in der 90.000 Einwohner-Stadt in Mittelhessen neu gründen will.



Im Vorfeld des Treffens vom Nachwuchs der Alternative für Deutschland (AfD) haben zahlreiche Organisationen aus den unterschiedlichen Lagern für Gegendemonstrationen angemeldet. Entsprechend laufen die Vorbereitung. Die große Hoffnung ist, dass alles friedlich bleibt.

Allerdings bereiten sich die Behörden auf alle Szenarien vor. Gewalt, Blockaden oder auch die Terrorgefahr spielen eine Rolle. Die Polizei sei für die Sicherheit der Menschen verantwortlich, entsprechend bereite man sich vor, ohne Details der Einsatztaktik verraten zu können.

Während einer Pressekonferenz am Mittwochvormittag gaben Innenminister Professor Dr. Roman Poseck (CDU), Polizeipräsident Torsten Krückemeier und der Einsatzleiter Jürgen Fehler den zahlreichen Medienvertretern aus dem gesamten Bundesgebiet umfangreiche Informationen. Trotz der Gesamtlage sei es das Ziel, soviel Normalität wie möglich zu gewährleisten. So wird beispielsweise der Weihnachtsmarkt in Gießen geöffnet bleiben, die Geschäfte öffnen wie gewohnt und die Zufahrtsstraßen sollen bestmöglich frei bleiben. Trotzdem ist natürlich mit zahlreichen Einschränkungen vor allem im Versammlungsgebiet rund um die Messe zu rechnen.

Wochenmarkt und Weihnachtsmarkt finden zeitgleich statt

Innenminister Roman Poseck erklärte: "Die Neugründung einer Jugendorganisation der AfD und die angekündigten Gegendemonstrationen sind insbesondere für die Polizei eine herausfordernde Großlage. Darüber hinaus findet der Wochenmarkt sowie der Gießener Weihnachtsmarkt in der Innenstadt an dem Wochenende statt. Die Polizei bereitet sich seit Monaten mit Hochdruck auf das bevorstehende Einsatzwochenende vor. An der Einsatzplanung waren neben den Polizeien der Länder und vom Bund auch das LKA und BKA sowie die Verfassungsschutzbehörden beteiligt. Allein am Samstag werden mehrere Tausend Polizisten aus Hessen, dem gesamten Bundesgebiet und seitens der Bundespolizei im Einsatz sein. Die Polizei wird mit einem breiten Einsatzangebot vor Ort sein, darunter Polizeihubschrauber, Drohnen, Sonderwagen und Unimogs. Neben der Polizei hat sich auch der Katastrophenschutz auf die Großlage vorbereitet und wird im Einsatz sein."

Benachbarte Leitstellen wie Fulda unterstützen

Der Landkreis Gießen unterstütze und bei Bedarf helfen Einheiten aus benachbarten Kreisen. Die Stadt und der Landkreis Gießen stellen die Alarm- und Einsatzplanung unter anderem zur Gewährleistung des Brandschutzes und der Notfallversorgung sicher. Zudem ist gewährleistet, dass im Fall eines nicht mehr zu bewältigenden Notrufaufkommens in der Zentralen Leitstelle Gießen die Leitfunkstelle Fulda die Notrufannahme übernimmt. Auch das THW wird vor Ort logistisch unterstützen.

Die Polizei wird alles dafür tun, dass die Versammlungen sicher und friedlich verlaufen und dass der Rechtsstaat an diesem Wochenende zur Geltung kommt. Dazu gehört auch der Schutz von Versammlungsrechten und der körperlichen Unversehrtheit von Beteiligten. Die Versammlungsfreiheit ist ein hohes demokratisches Gut. Bei Gewaltanwendung ist aber immer eine Grenze überschritten. "Deshalb blicke ich mit Sorge auf Mobilisierungen in der linken Szene; vereinzelt gibt es dort auch Aufrufe zur Gewaltanwendung. Es ist legitim, die AfD zu kritisieren. Aber die Ablehnung der AfD darf unter keinen Umständen mit gewalttätigen Mitteln ausgedrückt werden. Jeder Gewalttäter ist ein Feind unserer Demokratie, egal, ob er links oder rechts steht", sagt Poseck.

Der Innenminister führte weiter aus: "Wir dürfen nicht zulassen, dass sich die extremen Ränder zunehmend gewaltbereit begegnen. Deshalb sollten alle Beteiligten ein großes Interesse daran haben, dass das Wochenende gewaltfrei verläuft. Es ist selbstverständlich zulässig, gegen die AfD und ihre Jugendorganisation mit friedlichen Mitteln zu demonstrieren. Der Schutzbereich der Versammlungsfreiheit endet aber dort, wo die Gegendemonstration nicht mehr auf Meinungskundgabe wie Sprechchöre, Transparente, politische Botschaften, sondern auf faktische Verhinderung der Ausgangsversammlung gerichtet ist. Eine Gegendemonstration darf die Ausgangsversammlung nicht in einem Maße stören, dass deren Durchführung grundlegend bedroht ist." Diese Grenzen habe auch das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung vom 1. Oktober noch einmal klargestellt.

"Ich appelliere an alle Gegendemonstranten, diese verfassungsrechtlich gesetzten Grenzen zu achten und sich unmissverständlich von möglicherweise gewaltbereiten Kreisen der linken Szene zu distanzieren. Schon jetzt danke ich der Polizei, den Katastrophenschutzbehörden und der Stadt sowie allen Beteiligten für die akribischen Vorbereitungen und die Bereitschaft zu diesem auch persönlich herausfordernden Einsatz", sagte der Innenminister in seinem ausführlichen Statement.

Polizeipräsident Torsten Krückemeier machte deutlich: "Unser Anspruch ist es, ebenso wie an anderen Tagen, die Sicherheit aller Bürgerinnen und Bürger in Gießen zu gewährleisten. Niemand soll Schaden nehmen. Hierzu sind wir allerdings auf die Mithilfe und den Zusammenhalt aller angewiesen. Unsere Demokratie lebt vom Miteinander, offener Debatte, gegenseitigem Respekt und Toleranz. Wir verfügen mit unserem Grundgesetz über einen starken Gesellschaftsvertrag, der eine friedliche Grundrechtsausübung vorsieht und das Gewaltmonopol dem Staat überträgt. Daher rufe ich sie alle dazu auf, dass sie unsere Maßnahmen wie beispielsweise Absperrungen zumindest dulden. Das Überrennen von Absperrungen kann nur gewaltsam erfolgen und ich verurteile Gewalt bei Versammlungen auf das Entschiedenste. Unfriedlicher Protest widerspricht unseren demokratischen Werten, gefährdet Menschenleben und schadet unserer Gesellschaft sowie der Demokratie. Wer zu Gewalt greift, verlässt den Boden unserer gemeinsamen Wertebasis, missachtet das Grundgesetz und gefährdet somit uns alle. Bitte distanzieren Sie sich als friedliche Versammlungsteilnehmende von Straftäterinnen und Straftätern."

"Sorgen und Ängste in der Bevölkerung"

Der Polizeipräsident ging in der Pressekonferenz auf die Dimension der Lage ein: "Das Thema bewegt die Stadt Gießen, deren Anwohnerinnen und Anwohner, Handeltreibende oder um ein Beispiel hervorzuheben, die ansässigen Pflegeeinrichtungen. Hier eingehende Anfragen, an uns herangetragene Sorgen und Ängste, nehmen wir sehr ernst. Um den hohen Informationsbedarfen gerecht zu werden, ist die mittelhessische Polizei proaktiv auf Gewerbetreibende der Stadt Gießen zugegangen. Fachberater der hiesigen Präventionsabteilung informierten transparent und umfassend über die Einsatzlage und die erwartbaren Beeinträchtigungen. Ferner wurden zahlreiche Informationsgespräche geführt, beispielsweise mit Seniorenzentren und Krankenhäusern."

Weiter sagte Krückemeier: "Die gelungene Zusammenarbeit mit der Stadt Gießen zeigt sich auch in der gemeinsamen Bearbeitung von Bürgeranfragen. Das Bürgertelefon der Stadt Gießen wird durch mittelhessische Polizeikräfte unterstützt, um ebenfalls Fragen zu polizeispezifischen Themen beantworten zu können. Wir agieren gemeinsam, um einen größtmöglichen Service anbieten zu können und die Informationsbedarfe zu bedienen."

Polizei-Einsatzleiter: "Wir sind gut vorbereitet!"

Einsatzleiter ist der erfahrene Jürgen Fehler. Er fasste zusammen: "Wir sind gut vorbereitet und haben uns im Vorfeld intensiv unter Beachtung verschiedenster Szenarien und im Austausch mit anderen Behörden für das kommende Einsatzwochenende aufgestellt. Neben der bereits erwähnten hohen Anzahl von polizeilichen Einsatzkräften werden wir zudem Dienstpferde sowie Diensthunde, Boote der Wasserschutzpolizei, Hubschrauber der Landes- und Bundespolizei sowie Drohnen einsetzen. Dazu kommen besondere Einheiten wie Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten, technische Einheiten sowie Wasserwerfer und Unimogs".

Die genauen Details der Lage, welche Versammlungsorte letztlich möglich sind und wie das Verwaltungsgericht die geplanten Sperrungen der Brücken bewertet, steht noch aus. Hieran werde sich die weitere Vorgehensweise orientieren. OSTHESSEN|NEWS berichtet weiter von den Vorbereitungen und der Lage in Gießen. (Hans-Hubertus Braune) +++

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