Was macht eigentlich … (22)

Ex-Pressesprecher des Vogelsbergkreises Ruhl-Bady lebt heute in Rhein-Main

Ruhl-Bady in seiner "Lieblingsrolle" als Vorleser
Foto: Gerlinde Becker

02.11.2020 / OBERURSEL - Länger als ein Vierteljahrhundert war der heute 63-jährige Erich Ruhl-Bady Pressesprecher für den Vogelsbergkreis, hat drei Landräte aus unterschiedlichen Parteien begleitet und einen Wandel in der Presselandschaft mitbekommen. Die größte Veränderung in seinem Leben ist aber wohl mit seinem Ruhestand einhergegangen. Ruhl-Bady ist von Lauterbach zu seiner Frau nach Oberursel gezogen – zuvor haben die beiden zwölf Jahre lang eine Fernbeziehung geführt.



Wir erreichen Erich Ruhl-Bady bei der Hausarbeit, gerade räumt er die Terrasse der gemeinsamen Wohnung in Oberursel auf: "Wir nutzen die jetzige Zeit, um zuhause alles auf Vordermann zu bringen", sagt er und fügt dann hinzu: "Wenn draußen schon so vieles extrem belastend ist, dann soll es wenigstens drinnen behaglich sein." Einer Situation das Beste abzugewinnen, sei schon immer seine Devise gewesen. Und das lässt sich wohl auch auf seine Lebenssituation in den vergangenen zwölf Jahren beziehen: "Meine Frau hatte eine Praxis in Frankfurt – und auch mein Job als Pressesprecher ging nicht immer von 9 bis 5. Ich musste da sein, wenn man mich im Landratsamt brauchte." Und so kam es eben, dass seine Frau und er eine Beziehung auf Distanz führten – zumindest unter der Woche und wenn sie nicht gerade gemeinsam im Urlaub waren.

Geklappt hat es trotzdem. Und wenn man mit Ruhl-Bady über seine Vergangenheit als Pressesprecher redet, dann merkt man, wie ein Lächeln seine Lippen umspielt. Für ihn stand fest: Bis zum Ruhestand konnte er seiner Wirkungsstätte, dem Vogelsberg, den Rücken nicht zuwenden. Und auch heute spürt er eine starke Verbindung zu seiner Heimat, vermisst seine befreundeten Kollegen, die kleinen Plausche auf den Fluren des Landratsamts. "Aber es ist schön, diesen Schmerz zu spüren. Dann weiß ich, dass ich genau das gemacht habe, was ich geliebt habe."

An den 1. Juli 1993, seinen ersten Tag als Pressesprecher im Landratsamt, kann er sich noch genau erinnern: "Ich wurde an einen Beistelltisch im Büro einer Kollegin gesetzt, die damals noch am Schreibtisch rauchte", sagt er und lacht, "ich hatte nicht einmal einen PC, nur eine elektrische Schreibmaschine, und die Pressemitteilungen wurden per Fax an die Print-Medien versandt." Über 25 Jahre später kaum vorstellbar. Im Verteiler der Pressestelle arbeitet der Großteil der Empfänger online. "Dem war ich immer zugewandt", sagt Ruhl-Bady. Davon, dass Veränderung zum Leben gehört, kann der Wahl-Oberurseler ein Lied singen. "Auch, wenn ich selbst als gelernter Schriftsetzer eigentlich aus den Print-Medien komme, gehe ich mit der Zeit und habe nicht nur Zeitungs-Abos, sondern lese Medien auch online."

Geschrieben hat Ruhl-Bady nicht erst als Pressesprecher. Schon während seiner Ausbildung zum Schriftsetzer war er als freier Journalist unterwegs und belieferte unter anderem den Lauterbacher und Gießener Anzeiger mit Artikel über Vereine, Parteien und Gewerkschaften. Als dann im Landratsamt die Stelle des Pressesprechers ausgeschrieben wurde, passte das einfach, sagt der 63-Jährige, der seine Entscheidung, sich beruflich in diese Richtung zu orientieren, nie bereut hat. "Als Pressesprecher hatte ich sozusagen die Übersetzungsfunktion für den Bürger und konnte quasi aus einem Gemischtwarenladen, wie man das Landratsamt beschreiben könnte, berichten." Und das lebte und liebte Ruhl- Bady, der aber dennoch einige Jahre vor der gesetzlichen Zeit in den Ruhestand gegangen ist.

"Freiheit gegen Geld", sagt er und schiebt hinterher, dass er froh ist, die jetzige Krisenzeit nicht an vorderster Front miterleben zu müssen. "Das hätte ich gesundheitlich vermutlich gar nicht geschafft." Nun treibt der redselige Mann aus dem Vogelsbergkreis mehr Sport, liebt den Jazz, den freien Tanz und die Klassik, erzählt er, liest viel und beschäftigt sich mit seinen großen Hobbies - wie es Landrat Manfred Görig bei der Verabschiedung Ruhl-Badys schon vermutete, bleibt der Rentner vielbeschäftigt. Er "arbeitet" als Lyriker und Sprecher, schreibt Gedichte und Kurzgeschichten. Aber das tut er nicht für Geld, sondern weil er Spaß daran hat. Sein größter Wunsch: "Irgendwann mal ein Kinderbuch vertonen." (Suria Reiche) +++


Fotos: privat


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