Sympathisch und nahbar

Yvonne Catterfeld bei den Bad Hersfelder Festspielen: Gospel in der Stiftsruine

Yvonne Catterfeld begeisterte das Publikum in der Bad Hersfelder Stiftsruine.
Fotos: Christopher Göbel

18.08.2023 / BAD HERSFELD - Yvonne Catterfeld ist ein Phänomen. Schaut man sich ihre Vita an, fallen einem schier die Augen aus dem Kopf – denn diese Frau ist quasi omnipräsent und dabei sehr erfolgreich. Und doch wirkt sie sehr sympathisch und nahbar. Am Donnerstagabend trat sie im Rahmenprogramm der Bad Hersfelder Festspiele mit ihrem Programm "Change" vor ausverkauftem Haus in der Bad Hersfelder Stiftsruine auf.



Ein Star ohne Starallüren. Schon das ist eine Wohltat an einem Tag, an dem Neymars Wunschliste mit acht Luxusautos und einem Privatjet bekannt wurde, wohl gemerkt, zusätzlich zu den 100 Millionen, die er jährlich bei seinem neuen Wüstenclub kassiert. Nichts davon bei Yvonne Catterfeld. Keine Allüren, kein Gehabe, kein Chi-Chi, sondern einfach eine erfolgreiche Musikerin (und Schauspielerin), die ihren Job macht, ihre Kollegen schätzt und die Freude an ihrer Arbeit ausstrahlt.

Gleich in der ersten Reihe und somit direkt zu ihren Füßen saß einer ihrer Fanclubs, die Mädels waren aus verschiedenen Orten von Hannover bis Lübeck angereist. Sie seien bei fast jedem Konzert dabei, berichten sie auf Nachfrage, "weil Yvonne so toll ist". Das Publikum in der ausverkauften Stiftsruine teilte diese Einschätzung – es war wirklich ein Abend, der von der ersten bis zur letzten Minute fröhlich und beschwingt war. Beim Hinausgehen war es rührend zu sehen, dass diejenigen, die keine Karten mehr bekommen hatten, sich rund um die Ruine gelagert hatten – mit Kerzen, Lichterketten und Picknick – und das Konzert draußen genossen.

Deutschpop aus Hamburg

Zunächst aber betrat Phil Siemers als Vorgruppe die Bühne. Der junge Hamburger ist Ende 20 und stellte Songs aus seinem zweiten Album "Marleen" vor. Man merkte ihm die Nervosität an, vor so großem Publikum und in der überwältigenden Kulisse der Stiftsruine aufzutreten. Nur mit seiner Gitarre und Markus Schröder, der ihn am Keyboard begleitete, stand er etwas unbeholfen auf der Bühne. Sympathisch kam er rüber, talentiert ist er ohne Zweifel, schreiben kann er auch, und so ist eigentlich alles angerichtet für eine große Karriere.

Noch aber steht Siemers ganz am Anfang von allem, noch ist er einer von vielen jungen Musikern im Kielwasser der Oerdings, Poiselles & Co., Deutschpop mit manchmal einer Prise Jazz oder Soul, alles gut anzuhören, mit Texten, die hin und wieder etwas zu bedeutungsüberladen sind. Sein Act hatte etwas angenehm Altmodisches und Zurückgenommenes, und war ein schöner Start in den Konzertabend.

An sich glauben

Im Fokus des Konzerts stand Catterfelds aktuelles Album "Change", das erste, auf dem sie alle Songs auf englisch singt. In Interviews hatte sie gesagt, sie habe das gegen alle Ratschläge getan, weil es ihr ein Bedürfnis gewesen sei. Wahrscheinlich hängt der Sprachwechsel auch mit der Art von Musik zusammen, von der dieses Album inspiriert ist. Die Soul- und Gospelanklänge sind unüberhörbar, und beides verknüpft man nun mal mit der englischen und nicht mit der deutschen Sprache. Ihr Englisch ist gut, aber man hört natürlich, dass sie kein native speaker ist. Ich finde so etwas immer zweischneidig.

Catterfeld hat fast alle Lieder auf diesem Album selbst geschrieben oder daran mitgeschrieben. Worum es geht, erklärt sie so: "Die Aufs und Abs, die Zweifel und das Loslassen, wenn man Veränderung zulässt." Und sie will ihr Publikum mit diesem Album stärken und bestärken – denn natürlich sind die Zeiten nicht eben einfach und die Anforderungen teilweise immens. An sich selbst glauben, auch mal ins kalte Wasser springen, sich nicht verunsichern lassen – das sei für sie selbst wesentlich gewesen und das wolle sie auch ihren Fans mitgeben.

Grandiose Gospelpower

Begleitet wird Catterfeld von nur zwei Musikern am Keyboard und der Gitarre – dem Gitarristen bringen später alle auf der Bühne und im Publikum ein Geburtstagsständchen. Zur Verstärkung hat Catterfeld auf ihrer Acoustic Tour drei überragende Background Vocals dabei: Darnita Rogers, die aktuell mit einer Aretha-Franklin-Show tourt und deren Sopran über 5 Oktaven geht. Samuel Franklin kennen sicher viele noch aus The Voice, und Lerato Shadare leitet einen Gospelchor in Hamburg.

Die drei haben derart viel Power in der Stimme und eine so überwältigende Bühnenpräsenz, dass es einen schier weghaut. Jeder Auftritt der drei war ein Hochgenuss, und wann immer ihnen die Bühne gehörte, tobte das Publikum. Es gehört viel Selbstbewusstsein dazu, solche Stimmen zu holen, denn wenn die drei richtig loslegten, wirkte Catterfeld musikalisch nur noch nett. Eine Verneigung vor Aretha Franklin durfte an diesem Abend nicht fehlen. Catterfeld begann "I say a little prayer for you" und gab den Song dann an ihre background-vocals weiter. Und die holten aus dem Lied alles, wirklich alles raus. Ich bin sicher, Aretha hat auf ihrer Wolke oben im Himmel mitgesummt.

Catterfelds musikalischer Stilwandel

Von "Change" stammten die meisten Songs des Abends, darunter natürlich der Titelsong und "Cold Water", beides Lieblingslieder der Sängerin, aber auch das fröhliche "Wake-up", die eher nachdenklichen "Patience" und "Words" sowie das rotzige "Bullshit". Dazwischen mixte Catterfeld immer wieder vertraute Songs wie "Mehr als ihr seht" oder "Was bleibt", das sie für ihren Sohn geschrieben hat.

Zwischen den Songs erzählt sie von sich oder darüber, wie ein Song entstanden ist, bewunderte die Stiftsruine – "in so einer großartigen Location bin ich noch nie aufgetreten", freute sich, dass ihre Eltern im Publikum saßen und animierte alle immer wieder, aufzustehen und mitzusingen und zu tanzen. "Change" ist ein gutes Album geworden, und wohl eins, mit dem Catterfeld einen musikalischen Stilwandel einleitet. Man kann sich nicht vorstellen, dass diese Powerfrau ausgerechnet mit diesem Projekt scheitern könnte. In Bad Hersfeld jedenfalls brandete der Applaus laut und lange auf, man sah nur glückliche Gesichter und fröhliche Menschen, die sich einen Abend lang ganz der Musik hingaben. (Jutta Hamberger) +++

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