Künstlerisches Allround-Talent

Oliver Urbanski ist der "Vater" des kleinen Gespensts auf der Festspielbühne

Oliver Urbanski ist Regisseur und Komponist von "Das kleine Gespenst" bei den diesjährigen Bad Hersfelder Festspielen.
Fotos: Christopher Göbel

14.07.2023 / BAD HERSFELD - Oliver Urbanski kennt die Stiftsruinen-Bühne bereits: Im vergangenen Jahr stand er als "Hauptmann Phöbus" in "Notre-Dame" selbst als Schauspieler darauf - in diesem Jahr ist er zurück. Und zwar als Regisseur, Komponist, Musiker und Darsteller. Seine Bühnenfassung von "Das kleine Gespenst" nach dem Kinderbuch von Otfried Preussler begeistert derzeit Kinder und Erwachsene gleichermaßen bei den 72. Bad Hersfelder Festspielen.



Als er erfuhr, dass Festspiel-Intendant Joern Hinkel noch keinen Regisseur für "Das kleine Gespenst" im Petto hatte, zeigte Oliver Urbanski großes Interesse an dieser Aufgabe. "Es ist eine tolle Geschichte, die bereits Generationen von Menschen begeistert hat und ihnen ans Herz gewachsen ist", sagt Urbanski im Interview mit OSTHESSEN|NEWS. "Es ist toll, die Geschichte des kleinen Gespenstes nachzuerzählen, das seinen ganzen Mut zusammennimmt, um neue Erfahrungen zu machen und aus seiner Komfortzone herauszukommen."

Das erste Kinderstück

"Es ist mein erstes Kinderstück", erzählt der Regisseur. "Ich wollte die Komödie in der Geschichte herausarbeiten. Mit einem Erklärbär-Theater wäre ich falsch beraten gewesen", ist er sicher. Alle Figuren sollten "echte Menschen mit echten Gefühlen" sein. Daran hat sich das gesamte Team beteiligt und Urbanski ist es wichtig, dass sich Kinder als Zuschauer ernst genommen fühlen. "Theater soll die Menschen emotional berühren."

Seit Januar dieses Jahres beschäftigt sich Urbanski mit dem Stück, denn "ich liebe es, vorbereitet zu sein". Dazu gehörte auch, dass der viel begabte Musiker, der Klavier, Akkordeon, Saxofon, Querflöte und Gitarre spielt, eigene Songs schrieb, die "Das kleine Gespenst" letztendlich zu einem Musical machen. "Ich bin dem Schlagzeuger Sebastian Merk und dem Bassisten Oliver Potratz sehr dankbar. Mit ihnen erschaffen wir Klangwelten", sagt der sympathische Regisseur. Hinzu kommt die vierköpfige Blechbläsergruppe aus Bad Hersfeld, die Hinkel dem Regisseur nach deren Auftritt im "Buchcafé" vorgeschlagen hat.

"Es hat Spaß gemacht, Songs für die Figuren und die Situationen zu erfinden. Ich habe die Musik, für die bereits besetzten Schauspielerinnen und Schauspieler geschrieben." Dabei herausgekommen sind Blues-Rhythmen, Balladen, Indie-Pop, ein Tango und vieles mehr. "Ich mag melodiöse Songs. Mit ihnen kann man sehr gut Geschichten erzählen." Die Musik - beispielsweise Urbanski beim Säge-spielen - hat auch großen Einfluss darauf, ein bisschen Grusel-Feeling in das Stück zu bringen. Er selbst begleitet die Aufführungen mit seiner Band am Klavier.

Auf gemeinsamer Entdeckungsreise

Doch das diesjährige Familienstück besteht nicht nur aus Musik. Das Ensemble hat Oliver Urbanski selbst ausgesucht. Er sei kein Regisseur, der jede Aktion vorgebe, sondern er habe alle Darsteller "ihre Rolle selbst erfinden lassen". "Die Entstehung des Stückes war eine gemeinsame Entdeckungsreise", sagt der Regisseur. Er lobt das gesamte Ensemble, doch von Sophia Euskirchen als Gespenst ist er besonders begeistert: "Sie ist eine sehr intelligente Spielerin, sehr emotional. Ich wollte ihr bei den Proben nicht im Weg stehen", sagt er mit einem Lachen.

Doch auch die Qualitäten des restlichen Ensembles vergisst er im Interview nicht zu erwähnen: "Alle haben Energie und Liebe in ihre Figuren gesteckt und alle harmonieren toll miteinander", schwärmt er. Herausfordernd seien die häufigen Kostümwechsel, denn Nele Neugebauer, Peter Englert, Georgios Tsivanoglou, Mathilda Maack und Till Raskopf spielen bis zu sechs verschiedene Rollen. "Ohne die super Arbeit der Dresserinnen und Dresser hinter der Bühne wäre das gar nicht möglich", so Urbanski. Und auch Choreograf Christoph Jonas habe einen großen Anteil am Gelingen der Produktion gehabt. 

Jonas war es auch, der viel mit den Kindern der Theater-AG zusammengearbeitet und deren Tänze einstudiert hat. Die Arbeit mit den Kleindarstellern, wie Urbanski sie statt "Statisten" lieber nennt, sei ein Erlebnis gewesen. Einige kannte er bereits von "Notre-Dame". "Sie spielen die kleinen Rollen ganz toll. Ein Beispiel: Christopher Seban (der Feuerwehrmann mit dem Blaulicht auf dem Helm), wächst als Antiheld über sich hinaus, um das vermeintlich in den Brunnen gefallene Kind zu retten. Und auch Lennart Fink, der mit einer Blume in der Hand auf seine Verabredung wartet, erzählt eine eigene Geschichte", so der Regisseur. 

Beglückende Arbeit mit zwei Schulklassen

Die Arbeit mit den Kindern bezeichnet Urbanski als "beglückend". Zweimal pro Woche habe man jeweils drei Stunden Tänze und Choreografien geprobt. "Die Freude am Gelernten wächst mehr und mehr. Inzwischen spielen die Kinder wie richtige Schauspieler von alleine los", freut sich Urbanski. Da zwei Schulklassen beteiligt waren, konnte der Regisseur anhand der jeweils zuschauenden Klasse ablesen, wie Kinder auf das Geschehen auf der Bühne reagierten. "Das war wie ein Seismograf", sagt Urbanski. "Es ist toll, eine Schule und Lehrkräfte zu haben, die Kindern beibringen, was zu einem sozialen Gefüge wie einem Theaterensemble gehört."

In vier Wochen Probenzeit, bei denen vor allem vier intensive Probentage vor der Premiere die wichtigsten waren, entstand das rund eineinhalbstündige Stück. "Alle haben an einem Strang gezogen", freut sich Oliver Urbanski. Neben den Darstellern und Musikern trugen auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Bühnenbild, Kostümen und Maske dazu bei, das Stück zu einem Erfolg zu machen. "Ich bin auch Joern Hinkel dankbar, dass er Kindertheater auf die große Bühne bringt und uns die Möglichkeiten dazu gegeben hat. Es ist wichtig, zukünftige Theaterbesucher früh abzuholen", so Urbanski.

Neuauflage in 2024?

"Wir hätten gerne mehr Aufführungen gespielt", bedauert Urbanski. Denn der letzte Vorhang für "Das kleine Gespenst" fällt schon am 23. Juli. Ob es im kommenden Jahr vielleicht erneut auf dem Spielplan steht, weiß niemand. Aber: "Das Kind ist geboren. Und es würde mich interessieren, wie es älter wird", sagt Oliver Urbanski metaphorisch. Übrigens: Restkarten für die noch anstehenden Aufführungen gibt es auf der Website der Bad Hersfelder Festspiele. (Christopher Göbel) +++

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