Liebevoll gemachtes Kindertheater

"Das kleine Gespenst" auf der Festspielbühne überzeugt auf ganzer Linie

"Das kleine Gespenst" feierte am Freitag Premiere bei den Bad Hersfelder Festspielen.
Fotos: Christopher Göbel

09.07.2023 / BAD HERSFELD - Als Otfried Preussler "Das kleine Gespenst" vor 57 Jahren schrieb, hätte er sich wohl nicht träumen lassen, dass seine Geschichte einmal als Musical auf der Bad Hersfelder Festspielbühne aufgeführt werden würde. Das Familienstück feierte am Freitagnachmittag eine fulminante Premiere, die das Publikum restlos begeisterte.



Vielleicht ist es in der heutigen Zeit wichtig, dass ein Kindertheaterstück ganz ohne Ukrainekrieg, Corona oder den anderen Problemen der Welt auskommt - und einfach rund eineinhalb Stunden lang nur lebhafte Unterhaltung bietet. Das ist Oliver Urbanski (Regie) bestens gelungen. Wie Festspiel-Intendant Joern Hinkel in der Festspiel-Matinee verriet, hatte sich Urbanski, der im vergangenen Jahr in "Notre-Dame" auf der Bühne stand, um die Inszenierung von "Das kleine Gespenst" gerissen. Ihm das Stück anzuvertrauen, war eine goldrichtige Idee. Und Urbanski hat sogar einen Cameo-Auftritt als Uhrmacher Zifferle.

Lebendige Musik

Vom ersten jazzigen Song "Hatschi!" bis zur Schlussnummer, die das musikalische Thema wieder aufgreift und somit den Bogen schließt, sprüht das Stück mit viel Musik vor Lebendigkeit, Witz und Humor. Urbanski hat alle Songs selbst geschrieben und gemeinsam mit einer siebenköpfigen Band live begleitet. Dabei griff er nicht nur in die Tasten, sondern outete sich auch als musikalisches Allroundtalent auf Tenor-Saxophon, Akkordeon und Säge (für die gruseligen Töne). Mit Bass (Oliver Potratz), Schlagzeug (Sebastian Merk) und Bläsergruppe aus den Lokalmatadoren Björn Diehl, Jürgen Sprenger, Michael Brossart und Johannes Brauer erklangen die Songs, die von jazzigen Beat über ruhige Balladen bis hin zu Tango-Rhythmen reichten.

Was das Schauspieler-Ensemble zu leisten hatte, war beachtlich: Ständige Rollen- und Kostümwechsel, tanzen, singen und schauspielern. Sophia Euskirchen als kleines Gespenst brillierte mit ihrer leicht rauchigen Stimme und überbordender Mimik als liebenswertes Gespenst, das die zahlreichen jungen Zuschauerinnen und Zuschauer stets mitnahm. Akrobatische Kopfsprünge in eine große Kiste und Spagat sowie Gesangstalent inklusive.

Rasante Rollen- und Kostümwechsel

Nele Neugebauer überzeugte sowohl als arrogante Pfalzgräfin Genoveva wie als hektische Oberlehrerin Thalmeyer. Und sogar als tanzende Zimmerpflanze machte sie eine gute Figur. Den weisen Uhu Schuhu, den cholerischen Bürgermeister und den schwedischen Aggressor Torsten Torstenson stellte Georgios Tsivanoglou mit Witz und Verve dar. Und Peter Englert, inzwischen ein beständiger Teil des Bad Hersfelder Festspiel-Ensembles, mimte gekonnt den leicht dusseligen Burggraf Georg-Kasimir, den hyperaktiven Feuerwehrhauptmann und den trotteligen Kriminaloberwachtmeister Holzinger. Alle Drei hatten zudem weitere Rollen innerhalb des Stückes.

Mathilda Maack als mutige Emma und Till Raskopf als vor Angst hyperventilierender Jonas, das Geschwisterpaar, das dem kleinen Gespenst hilft, aus dem Tageslicht herauszukommen und wieder zum Nachtgespenst zu werden, spielten ihre Rollen glaubwürdig und engagiert. Daneben sind auch die Kinder der Theater-AG der Konrad-Duden-Schule (Leitung: Andrea Exner) besonders hervorzuheben, die als quirlige Schulklasse und als angriffslustige Krähen die Bühne bevölkerten.

Dazu standen einige Laiendarsteller aus Bad Hersfeld und Umgebung als Dorfbevölkerung auf der Bühne und trugen dazu bei, als mutiger Feuerwehrmann, Stracke-Verkäufer oder jubelndes Volk von Eulenberg Leben in das Stück zu bringen. Lustig der Einfall, die Festspiel-Fanfare zu nutzen, um die Feierlichkeiten zur 325-jährigen Vertreibung des schwedischen Torstenson zu eröffnen, die das kleine Gespenst - nebenbei gesagt - ziemlich durcheinanderbringt.

Insgesamt sprüht "Das kleine Gespenst" in Bad Hersfeld vor Leben, Wortwitz und bester Unterhaltung für Kinder (und Erwachsene). Das ist vor allem dem brillanten Ensemble zu verdanken, das die Geschichte zum Leben erweckt und zu einem Erlebnis werden lässt. Wer denkt, Kindertheater sei Kinderkram, dürfte sich auf der Festspielbühne vom Gegenteil überzeugen lassen. "Das kleine Gespenst" wird (leider) nur noch achtmal gespielt. Alle Termine finden sich auf der Festspiel-Website.

Langer Schlussbeifall

Lange, begeisterte, stehende Ovationen belohnten das Ensemble in der Premierenvorstellung für eine wunderbare Gesamtleistung. "Das kleine Gespenst" in Bad Hersfeld ist eine wirklich liebevoll gemachte, schwungvolle und unterhaltsame Produktion, die man einfach gesehen haben sollte. (Christopher Göbel) +++

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