O|N-Serie über Jüdische Feiertage (1)
Der Feiertag Purim: Auf das Leben!
Fotos: Carina Jirsch
08.03.2023 / FULDA -
Purim ist in jeder Hinsicht ein besonderer jüdischer Feiertag, denn er ist einer der ausgelassensten und fröhlichsten. Juden in der ganzen Welt gedenken ihrer Errettung vor ungefähr 2.400 Jahren im Persischen Reich. Die Geschichte hat alles, was eine gute Geschichte ausmacht: einen mächtigen König, seine ebenso kluge wie schöne Frau, einen tapferen Anführer und natürlich einen Bösewicht.
Der König und seine Frauen
Im persischen Reich herrschte vor 2.400 Jahren König Ahasveros (Xerxes I.). Sein Reich erstreckte sich über 127 Provinzen von Indien bis Äthiopien. Seine Hauptfrau war Washti. Die weigerte sich eines Tages, zu einem Festmahl des Königs zu erscheinen. Aus weiblicher Sicht kann man das als Rebellion gegen das Patriarchat verstehen, aus männlicher Sicht stellte es den König und seine Herrschaft in Frage. Ahasveros war jedenfalls so wütend, dass er Washti verstieß. Die verwaiste Ehefrauen-Stelle musste neu besetzt werden, und der König rief alle schönen Jungfrauen auf, sich ihm zu präsentieren. Unter diesen war auch Esther, die Adoptivtochter Mordechais. Ihre Schönheit und Anmut bezauberten den König so sehr, dass er sie zur Gemahlin nimmt – auf Anraten Mordechais verschweigt sie ihm, dass sie Jüdin ist.Das Mordkomplott Hamans
Die Sache mit dem königlichen Dekret
Bleibt nur ein Problem: Nicht einmal der König kann ein königliches Dekret zurücknehmen. Esther, Mordechai und der König müssen also zu einer List greifen. Ein zweites königliches Dekret erlaubt den Juden daher, am 13. Tag des 12. Monats für ihr Leben zu kämpfen und ihre Feinde zu töten. In allen Städten versammeln sich die Juden. Im gesamten Reich werden Tausende von Männern getötet, darunter auch die 10 Söhne Hamans. So eingeschüchtert wagt niemand mehr, das erste Dekret zu befolgen. Es gibt also keinen Genozid an den Juden, sondern eine vernichtende Niederlage ihrer Feinde.Die Feier der Errettung
Nun kann man sich, wenn man einigermaßen vertraut ist mit der Geschichte des Jüdischen Volkes, natürlich fragen, wieso gerade dieser Tag ein solcher Festtag wurde. Denn Situationen, in denen die Juden in lebensbedrohliche Lagen gerieten, gab es ja mehr als genug. Die Antwort eines klugen Rabbi darauf gefällt mir sehr gut: Es war das allererste Mal, dass die Juden sich gegen ihre Feinde erhoben und siegten. Deshalb die überschäumende Freude an Purim. Alle Vergleiche, die manchmal gemacht werden – Purim sei wie Rosenmontag oder wie Halloween – sind deshalb ziemlich daneben. Letztlich feiern die Juden an diesem Tag, dass sie stolz und standhaft Juden blieben, ihrem Glauben und dem Gott Israels treu.
Die vier Pflichten an Purim
An diesem Tag maskiert man sich, natürlich auch in Fulda. Perücken, verrückte Hüte, bunte Kostüme, Luftschlangen, sogar Hüte mit Schläfenlocken sind zu sehen und tragen zur Fröhlichkeit bei. Die Maskerade an Purim kann man in mancherlei Sicht deuten. Die Juden befolgten die religiösen Rituale der Perser dem äußeren Schein nach, blieben aber in Wahrheit immer dem Gott Israels treu. Die Maskerade weist auch darauf hin, dass Gott bei der Errettung der Juden seine Hand im Spiel hatte, sein Einfluss aber nicht unmittelbar erkennbar war.
L'Chaim – auf das Leben!
Und dann hieß es "L’Chaim" – auf das Leben, das schwierigste und schönste Geschenk, das jede und jeder von uns erhalten hat. Bei guten Gesprächen und leckerem Essen wurde gefeiert. Mit dem Purimspiel "Mis‘chak Purim" und Purimliedern auf russisch und jiddisch klang die fröhliche Feier aus. Die Lieder "Ani Purim" (Ich bin Purim), "Mische Nischnas Adar" (Wenn Adar kommt) oder das jiddische Lied auf die viel zu teure Miete sangen alle ausgelassen mit Sängerin Jana Tegel mit. So innerlich und äußerlich gestärkt können wir nun getrost dem Rest der Woche entgegenblicken – Purim Sameach – Fröhliches Purim! (Jutta Hamberger) +++
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