O|N-Serie über Jüdische Feiertage (2)
Pessach – das Fest der Freiheit
Fotos: Martin Engel
06.04.2023 / FULDA -
Kaum eine Religion verbindet mit ihren Feiern so viel Erinnern an die eigene Geschichte wie die Jüdische. Jüdische Feiertage sind so etwas wie lebendige Geschichtsbücher, und das ist immer auch ein Akt der Selbstvergewisserung. Das achttägige Pessach ist das höchste jüdische Fest, ein Fest der Freiheit – denn es besingt den Auszug der Juden aus Ägypten.
Von den großen christlichen Festen wie Ostern und Weihnachten ist man gewöhnt, dass Gottesdienst und Feiern getrennt sind. An Pessach ist das ganz anders. Eigentlich gleicht der Abend einem großen Dialog. Es werden Fragen gestellt und beantwortet, es wird gedankt, es wird erzählt, es wird gesungen, es wird gegessen, es wird Wein getrunken. Alles in großer Ernsthaftigkeit, aber auch mit tiefempfundener Fröhlichkeit. Denn es ist ein Abend, an dem man der wiedergewonnenen Freiheit gedenkt. Die Geschichte entfaltet sich nicht als von der Kanzel verkündete Botschaft, sondern im Zwiegespräch zwischen Vorbeter und Gemeinde, unterbrochen von rituellen Speisen.
Religion spüren. Die Rabbinerin Judith Edelman-Green erklärte es so: "Wenn ich meinen Kindern nur sage, bewahrt die Tradition, das ist eine sehr wichtige Nacht auch für euch, dann bewirkt das gar nichts bei ihnen. Aber wenn wir die Mazza hochheben und zeigen, wenn wir das Glas erheben, dann zelebrieren wir etwas gemeinsam und bewahren es auch gemeinsam."
Kiddusch, Karpa und Mazza
"Seder" bedeutet so viel wie Ordnung, und genau das strukturiert diesen Abend – nichts bleibt dem Zufall überlassen. "Baruch atta adonai, elohenu melech ha-olam" – der Seder-Abend beginnt mit dem "Kiddusch". Mit diesem Segensspruch werden jüdische Feiertage und jeder Sabbat eingeleitet. Als erste der sechs rituellen Speisen auf dem Seder-Teller isst man "Karpas", rohes Frühlingsgemüse. Das tunkt man in Salzwasser, bevor man es isst. Das hebräische Wort "Karpas" erinnert an die zermürbende Arbeit, die von den Juden in Ägypten verrichtet werden musste, das salzige Wasser steht für ihre Tränen.Eine Nacht, anders als alle anderen
An Pessach kommt dem Wein eine besondere Bedeutung zu. Jede und jeder muss zu festgelegten Zeitpunkten vier Gläser trinken. Das erste Glas trinkt man zum Segensspruch, das zweite zwischen Vorspeise und Hauptgang, das dritte nach dem Tischgebet, das vierte nach dem Dankgebet. Man darf aber auch roten Traubensaft nehmen. Im zentralen Teil der Feier, dem "Magid", wird die Geschichte vom Auszug aus Ägypten erzählt. Alle, die mitfeiern, sollen sich fühlen die wie Juden damals. Dabei helfen die Texte und Gebete, aber auch die Speisen. Zuerst werden die "Maror", die Bitterkräuter gegessen, die an die Bitternis der Sklaverei erinnern. Auch die zehn Plagen fehlen nicht: Blut, Frösche, Ungeziefer, wilde Tiere, Pest, Aussatz, Hagel, Heuschrecken, Finsternis, das Erschlagen der Erstgeborenen. Bei jeder Plage, die erwähnt wird, taucht man den Finger in den Wein und lässt einen Tropfen auf den Tisch fallen – den Plagen wird symbolisch der Garaus gemacht.Festmahl und Dank
Die letzte Speise des Seder-Tellers ist das Ei. Ein gelehrter Rabbiner wurde einmal gefragt, wieso die Juden denn an Pessach Eier äßen. Er antwortete: "Eier symbolisieren Juden. Umso mehr ein Ei verbrannt oder gekocht wird, desto härter wird es." Natürlich steht das Ei auch für Fruchtbarkeit und das Leben schlechthin.Haben Sie mitgezählt? Dann haben Sie bemerkt, dass eine Speise auf dem Seder-Teller noch nicht erwähnt wurde, der Knochen ("Sroa"). Er bleibt während des gesamten Sederabends auf dem Teller liegen und symbolisiert das im Tempel geopferte Pessachlamm. Gegessen wird er deshalb nicht, weil es den Tempel nicht mehr gibt.
Mit dem Dankgebet endet der Seder-Abend, es folgen einige Loblieder, besonders groß ist die Begeisterung bei "Eins, wer weiß es?" ("Echad mi jodea"), einer Zählgeschichte, die als Frage-Antwort-Gesang gesungen wird. Denken Sie an das Spiel "Kofferpacken", dann haben Sie eine gute Vorstellung davon, wie dieses Lied geht, bei dem man sich die Bedeutung von dreizehn Zahlen merken muss.
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