Ermittlungen laufen!
Notruf-Skandal bei Anschlag von Hanau: Innenminister Beuth gibt Engpass zu
Fotos: Archiv
03.02.2021 / HANAU -
Der Skandal um den schlecht erreichbaren Notruf in der Tatnacht des Anschlags von Hanau gingen in den letzten Wochen durch die Medien. Jetzt äußert sich Innenminister Peter Beuth (CDU) zu den Vorwürfen und gibt zu: es gab einen Engpass beim Notruf der Hanauer Polizeistation.
"Weder die hessische Polizei noch das Hessische Innenministerium können aufgrund der nach wie vor laufenden Ermittlungen umfänglich zu konkreten Fragen, die die Tatnacht betreffen, Auskunft geben. Sowohl der Generalbundesanwalt als auch die Hessische Landesregierung haben gleichwohl zugesagt, dass sie nach Beendigung des rechtsstaatlichen Verfahrens mit den Opfern, Hinterbliebenen und ihren Vertretern alle wichtigen Erkenntnisse der Strafverfolgungsbehörden teilen werden", so Beuth.
Zu den Notrufen sagt der Innenminister: "Nach meinem Kenntnisstand hat die hessische Polizei nach dem Eingang erster Notrufe unmittelbar gehandelt und war innerhalb von nur ein bis zwei Minuten am ersten Tatort am Heumarkt. Am Tatort in Hanau-Kesselstadt trafen polizeiliche Kräfte drei bis vier Minuten nach der Meldung per Notruf ein. Es ist richtig, dass die Polizeistation in Hanau nur eine begrenzte Anzahl von Anrufen in dieser Nacht entgegennehmen konnte. Das gesamte Notrufaufkommen für die Polizeistation Hanau beträgt täglich durchschnittlich 80 Anrufe. Eine Weiterleitung von vielen gleichzeitig eintreffenden Notrufen war zum Zeitpunkt der Tatnacht technisch nicht möglich."
Künftig: Zentralisierung der Notrufe
Künftig soll dies aber besser laufen: "Mit dem Umzug des Polizeipräsidiums Südosthessen in die neue Dienststelle wird eine Zentralisierung aller polizeilichen Notrufe des Zuständigkeitsbereichs in einer Leitstelle realisiert. Dies ist bereits in allen anderen hessischen Polizeipräsidien umgesetzt worden. Der notwendige Modernisierungsschritt war auch bereits im Polizeipräsidium Südosthessen als letztes noch verbliebenes Präsidium angestoßen aber aufgrund baulicher wie technischer Voraussetzungen noch nicht vollendet worden. "Warum war der Notausgang verschlossen?
Auch auf die Behauptung, der Notausgang sei auf polizeiliche Anordnung verschlossen worden, äußert sich der Innenminister: "Die hessische Polizei würde niemals Anweisungen erteilen, die den Gesetzen zuwiderlaufen. Im Gegenteil: Die Polizei hat das zuständige Gewerbeamt der Stadt Hanau zuletzt im Jahr 2017 darauf hingewiesen, dass der Notausgang zum Zeitpunkt einer damaligen Gaststättenkontrolle unerlaubterweise verschlossen war. Das ist aktenkundig. Welche Maßnahmen der Stadt daraufhin ergriffen wurden, entzieht sich meiner Kenntnis. Die Kontrolle zur Einhaltung derartiger Verstöße obliegt der Stadt. Seitens der Polizei gab es jedenfalls keine wie auch immer geartete polizeiliche Weisung diesen Fluchtweg zu versperren."Polizeipräsidium Südosthessen zur Tat
Auch das Polizeipräsidium Südosthessen äußert sich in einer Pressemeldung zur Tat. Darin heißt es: "Zum Ereignis vom 19.02.2020 ist anzumerken, dass nach Bekanntwerden der ersten Schüsse gegen 21.58 Uhr Einsatzkräfte unmittelbar zum Tatort Heumarkt/Krämerstraße entsandt wurden. Diese Kräfte trafen ein bis zwei Minuten später am Tatort ein und führten unmittelbar nach ihrem Eintreffen Maßnahmen des "Ersten Angriffs" durch. Dies sind z.B. die Sicherstellung der medizinischen Erstversorgung der Verletzten, Absperr-, Tatortsicherungs- und Fahndungsmaßnahmen sowie erste Zeugenbefragungen. Nach dem Eingang von Notrufen gegen 22.05 Uhr wurden weitere Kräfte in die Einsatzmaßnahmen eingebunden. Die ersten Kräfte trafen etwa drei bis vier Minuten nach den Notrufen am Kurt-Schumacher-Platz ein und führten ebenfalls nach ihrem Eintreffen sofort Maßnahmen durch. Bei den unmittelbar eingeleiteten polizeilichen Erstmaßnahmen waren alle verfügbaren Kräfte des Polizeipräsidiums Südosthessen eingebunden."Auch zum verschlossenen Notausgang äußert sich die Polizei: "Durch die Polizei ergeht niemals eine Weisung oder Aufforderung, Notausgänge zu verschließen oder auf andere Weise zu versperren. Im Gegenteil werden bei Erkennen derartiger Verstöße umgehend die zuständigen Stellen von uns informiert. Die konkreten Umstände zum Notausgang in der Arena Bar zum Zeitpunkt des Tatgeschehens am 19.02.2020 sind Gegenstand eines laufenden Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Hanau. Bislang hat das Polizeipräsidium Südosthessen deshalb hierzu keinerlei Auskunft getätigt.
Aufgrund der wiederholten medialen Aufbereitung dieser Thematik und einer damit verbundenen, immer schärfer werdenden Vorwurfslage gegenüber der Polizei im Allgemeinen und dem Polizeipräsidium Südosthessen im Besonderen, ist festzuhalten, dass der Umstand der verschlossenen Notausgangstür in der Arena Bar bei einer früheren Gaststättenkontrolle am 20. November 2017 festgestellt und dem zuständigen Gewerbeamt der Stadt Hanau mit Schreiben vom 24.11.2017 mitgeteilt wurde. Zu darüber hinaus erfolgten Maßnahmen kann das Polizeipräsidium keine Angaben machen. " (mp)+++