Prozess um Spielotheken-Attacke

"Es tut mir extrem leid. Ich habe sie geliebt!" - Ex-Freund (27) sagt aus

Es war der zweite Tag im Prozess am Landgericht Fulda um den 27-Jährigen der beschuldigt wird, seiner Ex-Freundin in einer Fuldaer Spielhalle mit 43 Stich- und Schnittverletzungen des Lebens beraubt zu haben.
Fotos: Maurice Schumacher

21.11.2025 / FULDA - "Ich möchte niemanden beschuldigen, nur ich bin schuld. Es tut mir enorm leid" - unter Tränen wiederholte der Angeklagte mehrfach diesen Satz. Vor Gericht zeichnet er das Bild einer Kindheit in Armut mit mangelnder Bildung, gefolgt von überragendem wirtschaftlichen Aufstieg - und einer Liebesgeschichte, die in einer Verzweiflungstat endete. Doch von der Polizei ausgewertete Chatnachrichten wecken Zweifel an seiner Ehrlichkeit.



Es war der zweite Tag im Prozess am Landgericht Fulda um den 27-Jährigen, der beschuldigt wird, seiner Ex-Freundin in einer Fuldaer Spielhalle mit 43 Stich- und Schnittverletzungen des Lebens beraubt zu haben. Die 23-Jährige starb noch am Tatort. Sie hinterlässt zwei Kinder, drei und fünf Jahre alt. Mehrere Zeugen sollten an diesem Tag gehört werden. Am Ende befasste sich das Gericht über sieben Stunden mit der Einlassung des Angeklagten.

"Wir haben das Wasser in Eimern getragen"

Im Mai 1998 wurde der Angeklagte in Rumänien geboren. Sein Vater verstarb, da war er gerade sieben Jahre alt. "Ich stamme aus einer armen Familie. Es war sehr schwer. Wir hatten kein Fernsehen, kein Internet, das Wasser haben wir in Eimern getragen. In dieser Zeit war ich nie in der Schule", berichtet er dem Gericht. Als er mit 14 schließlich zu seiner Mutter nach Frankreich gezogen sei, habe sich für ihn alles geändert. "Ich dachte, ich wäre im Paradies", macht er deutlich.

Dort habe er für mehrere Jahre die Schule besucht, schließlich auch einen Abschluss an einer berufsbildenden Schule vorweisen und echtes Geld verdienen können. Mit 18 habe er sich seine eigene Wohnung finanziert, schließlich noch eine Ausbildung als Mechatroniker angeknüpft und sich mit eigenen Firmen selbstständig gemacht. Neben dem Autohandel habe er sich in der Landwirtschaft verdingt und Saisonarbeiter beschäftigt.

"Sie war damals gerade einmal 15 Jahre alt"

In dieser Zeit habe er auch die künftige Mutter seiner Kinder kennengelernt - über Facebook. "Sie war damals gerad einmal 15 Jahre alt", erinnert sich der heute 27-Jährige vor Gericht. Er habe sie mit der Erlaubnis ihres Vaters schließlich nach Frankreich gebracht. Mit 18 sei sie mit dem ersten Kind - der Tochter - schwanger geworden. "Ich habe mich sehr bemüht, ihr alles zu bieten, weil ich nichts hatte. Ich hatte den Ehrgeiz ein Mensch, wie alle andere zu werden", so der 27-Jährige.

Nach der Geburt des Kindes dann die Wendung: "Sie hat begonnen auf Facebook mit anderen Männern zu schreiben", behauptet der Angeklagte. Und beim Schreiben sei es nicht geblieben. Das habe sie ihm gestanden. "Sie kam, sie ging, sie kam, sie ging", erinnert er sich weiter. Das sei seit jeher so gewesen. "Sie war ja noch jung und hat ihre Familie vermisst." Teils über mehrere Monate hinweg sei sie bei ihrer Mutter in Deutschland gewesen. Nach der Gründung der eigenen Familie sei das für ihn aber unerträglich geworden.

Er habe "Dinge über die Familie gewusst" - Drohungen von Schwiegermutter?

Im Verlauf der Verhandlung entsteht immer weiter der Eindruck, dass die Beziehung der beiden alles andere als rosig war. Die Heimatbesuche - möglicherweise Versuche einer Trennung? Schlussendlich habe er sie aber immer wieder abgeholt und nach Frankreich zurückgebracht. Auf ihren Wunsch, meint der Angeklagte. Doch warum wollte seine Partnerin immer wieder von ihm weg? Das sei immer gewesen, nachdem sie mit ihrer Mutter telefoniert habe. Die habe ihn nicht leiden können. Er habe Dinge über die Familie gewusst und nicht gewollt, dass seine Frau und Kinder so ein Umfeld pflegen.

Die Mutter seiner Partnerin und ihr Onkel hätten ihn regelmäßig bedroht. Vor dem Hintergrund, dass er einen seiner zwei Brüder durch eine Messerattacke sei Leben verloren habe, sei es naheliegend gewesen, selbst ein Messer mitzuführen. Im Jahr 2016 hatte dieser die Polizei gerufen, da eine Frau zu ihm geflüchtet war, nachdem zwei Männer versucht hatten, sie zu vergewaltigen. Wenige Tage später klingelte es an der Tür und die Männer zückten ein Messer. Das habe ihn gebrandmarkt.

"Ich hatte enorm viel Geld gemacht"

Im Jahr 2024 - bis dahin war auch das zweite Kind geboren - habe sich dann alles zum Besseren gewendet. "Ich hatte enorm viel Geld gemacht", berichtet der Angeklagte. 5.000 Euro hätten er und die Mutter seiner Kinder zusammengerechnet am Tag verdient. Da zuvor ein Angehöriger seiner Partnerin gestorben sei, habe er gelernt, dass Geld nicht glücklich macht, erzählt der 27-Jährige. "Ich habe ihnen jeden Wunsch erfüllt. Ich habe nicht aufs Geld geschaut. Ich wollte nur, dass sie glücklich sind", beteuert er. Ganze 100.000 Euro hätten sie über wenige Monate hinweg ausgegeben.

Im Januar 2025 habe ihn und seine Familie dann ein weiterer Schicksalsschlag ereilt: Sein Bruder bekam die Diagnose Hirnkrebs. "Der Arzt hatte ihm gesagt, er habe noch vier bis sechs Monate zu leben, so Gott will", berichtet der Angeklagte. Er habe versucht, ihm beizustehen. Abends sei er traurig heimgekommen. Seine Partnerin sei "nur am Telefonieren" gewesen. Schließlich sei für ihn eine Linie überschritten gewesen. "Es ist nicht normal, um 23 Uhr im Nachthemd mit einem Mann ein Videotelefonat zu führen."

Partnerin und Kinder verschollen, der Schlüssel unter der Türmatte

Doch auch das habe sich klären lassen, man habe sich versöhnt. Und so sei es für den Mann völlig aus dem Nichts gekommen, als seine Partnerin abermals verschwand. "Eines Morgens hat sie mich geweckt, ob ich nicht arbeiten gehen wolle." Das habe er dann auch getan. Als er vom Job zurückkehrte, war die gemeinsame Wohnung menschenleer - Partnerin und Kinder verschollen, der Schlüssel unter der Türmatte.

"Ich konnte nicht mehr klar denken. Mir war abwechselnd heiß und kalt". Er sei in ein tiefes Loch gestürzt. Freunde und Bekannte hätten gesagt: "Was ist los mit dir? Ich erkenne dich gar nicht wieder". Mehrfach habe er versucht, Kontakt aufzunehmen, die Kinder zu sprechen. Schließlich habe er gedroht die Polizei einzuschalten. Ein französisches Gericht hatte bereits vor Jahren ein geteiltes Sorgerecht veranlasst, wie der Angeklagte erklärt.

"Wenn du mit der Polizei kommst, siehst die Kinder nie wieder"

Die Antwort: "Wenn du mit der Polizei kommst, ist es mit uns endgültig vorbei und du siehst die Kinder nie wieder." Er habe diesen Weg danach nicht weiter verfolgt. Schließlich sei er nach Fulda aufgebrochen. Er habe gewusst, dass sie dort in einer Spielhalle arbeite. Sein Ziel, wie er sagt: Die Familie wieder zusammenbringen. In der Spielhalle geraten die beiden in einen Streit. Das Letzte, woran sich der 27-Jährige erinnere? Er habe vor ihr gekniet, gefleht, gebettelt. Schließlich habe er schwarzgesehen und zum Messer gegriffen.

Weiter erinnere er sich nicht. Überwachungskameras haben die folgende brutal-perfide Tat komplett aufgezeichnet. Ganze viermal soll der Angeklagte seiner ehemaligen Partnerin die Kehle durchschnitten haben. Unter Tränen bringt er vor Gericht heraus: "Es tut mir extrem leid. Ich habe sie geliebt, ich liebe sie. Sie war die einzige, die ich je liebte." Als Nächstes erinnere er sich, wie er wieder zu sich gefunden habe. "Ich konnte es nicht fassen. Die Mutter meiner Kinder!"

Er habe das Messer zusammengeklappt, "um niemandem Angst zu machen". Dann habe er eine Frau vom Personal aufgefordert, Polizei und Rettungsdienst zu rufen. Schließlich legte er sich neben seine ehemalige Partnerin auf den Boden. Polizisten stürmen herbei und legen ihm Handschellen an. "Ich bete jeden Abend zu Gott, dass meine Kinder die Kraft haben, das zu überstehen".

Schockierende Chatnachrichten zeichnen völlig anderes Bild der Beziehung

Dann kommen die Fragen der Prozessbeteiligten. Sie beziehen sich auf Chat-Nachrichten zwischen Täter und Opfer, die ein völlig anderes Bild ihrer gemeinsamen Zeit zeichnen. "Du weißt nicht, wozu ich fähig bin, wenn ich dich mit einem anderen sehe", heißt es da etwa. Und: "Aus meiner Hand stirbst du." In einer weiteren Nachricht habe das Opfer geschrieben, er solle die Kinder nicht herumwerfen, schlagen, oder beschimpfen.

Die Nebenklagevertreterin Daniela Saftiuc stellt die Frage: "Hatte Sie Angst?". Der 27-Jährige erwidert: "Sie hat mich nie für fähig gehalten". Saftiuc konfrontiert ihn mit einem ausgewerteten Chat:

Opfer: "Komm und bring mich um, ich habe keine Lust mehr."
Täter: "Du hast Angst vor mich zu treten. Ich kenne dich doch."
Opfer: "Ich habe nur Angst, dass die Kinder ohne Mutter aufwachsen müssen, wenn ich sterbe."

Der Angeklagte beteuert, weder Kinder noch Mutter jemals angerührt zu haben - zumindest vor der Bluttat am 10. Mai. Der nächste Verhandlungstag ist für den 25. November angesetzt. Start ist wieder um 09:00 Uhr. (Moritz Bindewald) +++

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