Überdosis verabreicht, Leiche zerstückelt

Mordfall Wernges: Psychiater schildert Zustand der Angeklagten vor Gericht

Der Prozess offenbart nach und nach neue Details zum Gesundheitszustand der Angeklagten.
Archivfotos: ON/Henrik Schmitt

19.12.2025 / LAUTERBACH - Im Mordfall von Lauterbach-Wernges (Vogelsbergkreis) hat der Prozess vor dem Landgericht Gießen weitere erschütternde Einblicke geliefert. Im Mittelpunkt stand diesmal der psychische Zustand des angeklagten Vermieterpaars. Ein behandelnder Psychiater schilderte vor der fünften großen Strafkammer seine Eindrücke aus jahrelanger Behandlung der beiden.



Die Tat wirft bis heute viele Fragen auf. Im Januar 2024 verschwand die 55-jährige Anja M., die ein Zimmer im Haus des Paars gemietet hatte. Erst Monate später fanden Ermittler ihre zerstückelten Leichenteile im Keller des Gebäudes. Seit Mai 2025 müssen sich die beiden Vermieter wegen gefährlicher Körperverletzung und Mordes verantworten. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass das Opfer über Monate misshandelt und schließlich mit einer Überdosis eines Psychopharmakons getötet wurde. Beide Angeklagten bestreiten die Vorwürfe. Der heute 59-jährige Mann räumte lediglich ein, die Leiche zerteilt zu haben.

Täter schwer Depressiv

Im Zuge der Ermittlungen waren bei einer Hausdurchsuchung große Mengen an Schmerzmitteln, Beruhigungstabletten und Psychopharmaka entdeckt worden. Wie das Paar an diese Medikamente gelangte, wurde nun thematisiert. Dazu sagte der behandelnde Psychiater Dr. medic. Radu Hociota aus, der beide Angeklagten seit 2012 betreute. Die Sitzungen hätten gemeinsam stattgefunden, beiden habe er schwere Depressionen diagnostiziert und entsprechende Medikamente verschrieben.

Auf Nachfrage der Vorsitzenden Richterin Regine Enders-Kunze erklärte der Arzt, er habe nur die übliche Menge für jeweils ein Quartal verordnet. Die aufgefundenen Medikamentenmengen könne er sich nicht erklären. Auch habe er nicht überprüfen können, ob die Präparate regelmäßig eingenommen wurden.

Partnerin soll "ihr Maul halten"

Besonders auffällig sei ein Termin kurz nach dem mutmaßlichen Tod der Mieterin gewesen. Der vorletzte Besuch habe am 24. Januar 2024 stattgefunden. Dabei habe der Angeklagte seine Partnerin scharf zurechtgewiesen und gesagt, "dass sie ihr Maul halten solle", weil sie ungewöhnlich gesprächig gewesen sei.

Der Arzt berichtete weiter, der Mann habe unter Angst- und Schlafstörungen sowie starken Schmerzen gelitten. Über seine seelische Verfassung habe er kaum gesprochen. "Man habe ihm regelrecht die Wörter aus der Nase ziehen müssen." Der Fokus habe stets auf den körperlichen Beschwerden gelegen. Insgesamt habe sich der Gesundheitszustand als stabil auf niedrigem Niveau dargestellt, was letztlich auch zur Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente geführt habe.

Angeklagte fühlte sich beobachtet

Zur Angeklagten sagte der Psychiater aus, sie habe ebenfalls an Depressionen und Schlafstörungen gelitten. Zudem habe sie sich beobachtet gefühlt und Geräusche wahrgenommen, die nicht existierten. Ein weiteres, vom Gericht beauftragtes psychiatrisches Gutachten steht noch aus und soll die bisherigen Einschätzungen fachlich einordnen. (Constantin von Butler) +++

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