Broadway-Klassiker in der Festspielstadt

Wenn Theater Magie wird: Turton und Stephan erobern die Herzen

Samantha Turton (links) und Arne Stephan geben auf und hinter der Bühne alles.
Fotos: Carina Jirsch

21.07.2025 / BAD HERSFELD - Wenn sich in Bad Hersfeld der Sommer entfaltet, verwandelt sich die Stadt in ein großes Bühnenbild. Die Stiftsruine, imposant und voller Geschichte, wird zur Herzkammer der Festspiele – und zum Schauplatz eines Broadway-Klassikers, der auch in diesem Jahr wieder die Menschen begeistert: "A Chorus Line". Das Publikum feiert die Wiederaufnahme mit langanhaltendem Applaus, und mittendrin stehen zwei, die Herz und Hand für diese Produktion geben – Samantha Turton und Arne Stephan.



Für Turton ist Bad Hersfeld längst mehr als nur ein Sommerengagement. "Es ist für mich wie ein zweites Zuhause", sagt sie. Auch Arne Stephan hat eine lange Verbindung zur Stadt. Bereits vor über 20 Jahren stand er erstmals in der Stiftsruine auf der Bühne – das habe einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Der Kontrast zum hektischen Großstadtleben wirkt auf ihn wie ein natürlicher Schalter: Ankommen, durchatmen, zur Ruhe kommen. "Wenn man aus der Großstadt kommt, dann entschleunigt man hier sofort."

Während Stephan morgens seine Zeit mit Schwimmen oder Spaziergängen im Kurpark beginnt, erkundet Turton mit ihrer Tochter die Spielplätze der Stadt. Sie beschreibt, wie vertraut die Gesichter inzwischen sind und wie herzlich die Menschen auf die Künstlerinnen und Künstler reagieren. "Man erkennt die Menschen wieder, und alle freuen sich, dass die Festspiele wieder losgehen."

Das Rampenlicht und seine Schattenseiten

Doch der sommerliche Zauber hat auch seine Schattenseiten – zumindest aus Sicht der körperlichen und mentalen Anforderungen. Die Proben für das Musical waren intensiv. Die Tage zwischen den Aufführungen sind bewusst als Pausen eingeplant, denn das Spiel in der Ruine verlangt Höchstleistung. Für Stephan bedeutet das: "Man muss lernen, mit dem mentalen Druck umzugehen." Die Erholung sei notwendig, weil man nach dem Applaus nicht sofort abschalten könne. "Der Geist hängt oft hinterher."

Auch organisatorisch ist der Festspielalltag klar durchgetaktet. Während viele Besucherinnen und Besucher den Sommer genießen, sind die Schauspieler innerlich oft auf Standby. "Unsere Tage sind komplett durchgeplant. Wenn andere entspannt sind, beginnt für uns die Arbeit", sagt Stephan. Für Turton sei das besonders fordernd: "Man steht unter permanentem zeitlichen Stress – und muss trotzdem abliefern."

Dieses Orchester ist ein Geschenk

Und doch tritt all das zurück, sobald sich der Himmel über der Stiftsruine öffnet. Der Ort hat eine Magie, darin sind sich beide einig. "Wenn man das erste Mal hier steht, ist es einfach überwältigend", schwärmt Turton. Die Geschichte der Ruine, die Atmosphäre – das alles sei spürbar. Stephan sagt: "Hier ist große Theatergeschichte passiert. Das erzeugt eine besondere Stimmung – und natürlich auch einen gewissen Druck."

Der Sound, die Verbindung zum Publikum – alles sei einzigartig. Gerade das mache aber den Reiz aus. Besonders begeistert ist sie vom Orchester: "Das ist ein unglaubliches Gefühl – so etwas kann man kaum beschreiben." Auch Stephan betont: "Dieses Orchester ist ein Geschenk."

Projekt "Wiederaufnahme" voll geglückt

Dass "A Chorus Line" nach dem Erfolg des Vorjahres wieder auf dem Spielplan steht, sorgte für Begeisterung. Turton übernimmt dieses Mal die Rolle der Cassie – eine Figur, mit der sie sich eng verbunden fühlt. "Es war früh klar, dass ich wieder dabei bin." Für Stephan, der Zach spielt, ist vor allem die Zusammenarbeit mit ihr ein Gewinn: "Sam ist nicht nur sehr erfahren, sie ist auch unsere wichtigste Verbindung zur Regie – geduldig, professionell, verlässlich."

Die Stimmung im Ensemble sei "eine sehr besondere Mischung", sagt Turton. Alle hätten das gleiche Ziel: etwas Besonderes schaffen. Stephan beschreibt die Gruppe als extrem homogen – das Vertrauen untereinander stärke das gemeinsame Spiel.

Besondere Dynamik im Ensemble

Auch künstlerisch habe sich einiges verändert. Zwischen den Rollen habe sich eine neue Dynamik entwickelt. "Das war eine der größten Errungenschaften", so Stephan. Turton ergänzt: "Jede Emotion, jede Szene hat ihre eigene Tiefe."

Ein großer Verdienst ist das auch Regisseurin Melissa King. "Sie gibt uns eine Richtung, aber lässt uns Freiraum", sagt Turton. Wenn etwas nicht funktioniere, spreche King es direkt an – "aber sie öffnet auch Türen". Stephan schätzt ihre Klarheit und Offenheit: "Man kann sehr viel von ihr annehmen."

Verantwortung: Vor und hinter der Bühne

Turton übernimmt auch hinter den Kulissen Verantwortung: Nach der Premiere ist sie als Dance-Captain die Ansprechpartnerin für das Team. Sie organisiert Warm-Ups, trifft Entscheidungen, hält den Austausch mit allen aufrecht. Die Zusammenarbeit mit King beginnt dabei oft schon vor den Proben – durch intensiven Austausch, gemeinsames Ausprobieren. Stephan selbst sieht sich eher in der vermittelnden Rolle: "Regisseur zu werden kann ich mir zwar nicht vorstellen, aber meine Erfahrung weiterzugeben, das finde ich sehr schön."

So wird "A Chorus Line" auch in diesem Jahr wieder zur Herzensangelegenheit – für das Ensemble ebenso wie für das Publikum. Mit Energie, Präzision und Gefühl bringt das Team eine Geschichte auf die Bühne, die nicht nur unterhält, sondern berührt.

Kommentar: Was bei "A Chorus Line" in Bad Hersfeld besonders berührt, ist die spürbare Hingabe aller Beteiligten. Samantha Turton und Arne Stephan bringen nicht nur ihre große Professionalität mit, sondern vor allem eine tiefe Leidenschaft für ihr Handwerk und für diesen einzigartigen Spielort. Man merkt, dass die Festspiele hier mehr sind als eine Bühne – sie sind ein Zuhause, ein gemeinsamer Raum voller Energie, Kreativität und echter Verbundenheit.

Gerade in einer Zeit, in der Kultur oft mit Druck und Schnelllebigkeit zu kämpfen hat, ist es beeindruckend zu sehen, wie intensiv und gleichzeitig liebevoll hier gearbeitet wird. Die Mischung aus harter Arbeit hinter den Kulissen und dem magischen Moment, wenn der Vorhang sich hebt, schafft eine Atmosphäre, die das Publikum mitreißt und begeistert. Turton und Stephan gelingt es, diese besondere Stimmung einzufangen und zu bewahren – ein Geschenk für alle, die Theater nicht nur sehen, sondern fühlen wollen. Es ist genau diese Leidenschaft und dieser Ensemblegeist, die "A Chorus Line" auch in diesem Jahr wieder zu einem unvergesslichen Erlebnis machen. Man wünscht sich, dass solche Momente noch lange anhalten.
(Constantin von Butler) +++

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