Vier Geschichten mitten aus der Domstadt
"Wir sind nicht falsch" – Junge Queers zeigen Haltung gegen Ausgrenzung
Fotos: Carina Jirsch
15.07.2025 / FULDA -
Laut, bunt und entschlossen: Beim Christopher Street Day in der Fuldaer Innenstadt haben am Samstag Hunderte Menschen für Akzeptanz, Vielfalt und Liebe demonstriert. Der Universitätsplatz wurde zum Zentrum einer Bewegung, die nicht nur feiert, sondern auch mahnt (OSTHESSEN|NEWS berichtete). Mitten unter den Teilnehmenden: vier junge Menschen aus Fulda und Umgebung, die ihre Geschichten, Sorgen und Hoffnungen teilen – und ein starkes Zeichen gegen Ausgrenzung setzen.
Lex: "Wir müssen immer noch auf die Straße gehen"
Lex ist 19, kommt aus Fulda, möchte im Sommer an die Fachoberschule (FOS) und will später Kunstgeschichte oder Game Design studieren. Lex ist offen geoutet, aber im Alltag zurückhaltend. "Ich will Menschen kennenlernen, die dasselbe fühlen, dasselbe durchstehen mussten - und noch müssen - wie ich", sagt sie. Ihr Outing bei Freunden lief gut. "Meine Freunde haben das sehr gut aufgenommen", erzählt Lex. "Bei meiner Familie war es ein Hin und Her. Mein Vater akzeptiert mich so wie ich bin – meine Mutter hat damit Schwierigkeiten."Lex glaubt, dass das Umfeld eine große Rolle spielt. "Es wäre in einer anderen Stadt als Fulda einfacher. Fulda ist durch die kirchliche Geschichte sehr konservativ: Doch egal welcher Glaube - man sollte meinen, dass Gott alle liebt." In der Öffentlichkeit spricht Lex selten über die persönliche Geschichte. Trotzdem ist die Botschaft klar: "Die Menschen sollten anfangen zu lernen, dass wir – so wie wir sind – nicht falsch sind. Man muss uns akzeptieren - dafür gehen wir beim CSD auf die Straße."
Aria: "Ich habe sehr viel Angst, offen quer zu sein"
Aria ist 17 und lebt ebenfalls in Fulda. Aria startet bald an der FOS. 2021 hat sie sich geoutet – zunächst bei der eigenen Mutter. "Sie konnte erst nicht damit klarkommen, dass ich mit einem Mädchen zusammen bin", erzählt Aria. Beim Vater lief es nur anfangs gut: "Ich habe mich bei meinem Vater als lesbisch geoutet, das ist total klargegangen – aber als ich mich als nichtbinär geoutet habe, ist er total ausgerastet. Ich wollte es ihm erklären, aber er wollte nicht zuhören." Heute hat sie kaum noch Kontakt zu ihm.Sicher fühlt sich Aria in Fulda nicht: "Wir wurden schon mit Sachen beworfen und bedroht – Leute sind uns viel zu nahe gekommen. Sexualisiert wurden wir auch schon." Ihre Konsequenz: "In Fulda möchte ich nicht bleiben – das ist mir zu konservativ. Ich will in eine Großstadt, in der ich mich sicherer fühlen kann." Trotz allem gibt Aria nicht auf: "Ich gebe mir Mühe, dass ich nicht ganz einknicke."
Marcos: "Ich bin Marcos. Ich bin schön bunt."
Marcos ist 17, lebt in Künzell und besucht ebenfalls die FOS, im Bereich Sozialwesen. Marcos möchte später Lehramt studieren. Seit Januar 2023 ist Marcos offen geoutet. "Ich war schon davor offen zu allen gegenüber, aber ich hatte Angst vor schlechten Erwartungen und Stereotypen, weshalb es einige Zeit gebraucht hat, um mich bei meiner Familie zu outen." Doch: Seine Eltern stehen hinter ihm. "Meine Mutter wusste es sowieso schon - noch vor mir selbst. Sie war immer total unterstützend. Mein Vater ist auch einer meiner größten Unterstützer - und das trotz des Fakts, dass beide sehr religiös sind."Marcos hat keine Probleme, in Fulda offen zu leben: "Menschen, die mich dafür hassen, wer ich bin, interessieren mich nicht - genauso wie die negative Meinung anderer. Ich bin Marcos. Ich bin schön bunt. Ich weiß, wer ich bin – und das bleibe ich auch." Er fühlt sich mit seiner Heimat verbunden: "Ich kann mir gut vorstellen, hier in Fulda zu bleiben. Ich verbinde sehr viele Emotionen mit diesem Ort." Seine klare Forderung: "Uns muss niemand unterstützen – aber toleriert uns. Lasst uns lieben, wen wir wollen."
Leona London: "Erst die Welt hat mir gesagt, dass ich anders bin"
Leona London kommt aus Fulda. Mit 14 begann sie mit der Drag-Kunst, später zog sie fürs Mode-Design Studium in den Norden. Dort nahm ihre Drag-Queen-Karriere richtig Fahrt auf. Heute arbeitet sie in Hamburg als Drag-Queen bei Olivia Jones - ein Riesen-Erfolg. "Als Teil der Olivia Jones Familie kann ich meine Community unterstützen und diese wunderbare Kunst fortführen." Dennoch war der Weg dorthin schwer. "Ich wusste immer: Ich bin ich. Erst die Welt um mir herum hat vermittelt, dass ich anders bin", sagt sie. "Das zu realisieren, war hart."
CSD Fulda 2025 - weitere Artikel
FULDA -
07.08.2025
Veranstalter beziehen Stellung
Verletzte, Verhaftung, Kritik: CSD Fulda 2025 endet mit Zwischenfall
FULDA -
15.07.2025
Aufarbeitung läuft
Ausschreitungen am CSD: "Wir distanzieren uns von Gewalt!"
FULDA -
13.07.2025
Ein verletzter Polizist nach Rangelei
"FOLL BUNT": 2.000 Menschen demonstrieren am CSD für Vielfalt
FULDA -
13.07.2025
Bilderserie (1) von Martin Engel
Gemeinsam gegen Rechts: Fulda feiert am CSD Vielfalt und Solidarität
FULDA -
13.07.2025
Bilderserie (2) von Martin Engel
Bunt statt braun: 2.000 Teilnehmer zeigt Haltung beim CSD 2025
FULDA -
12.07.2025
"Wir sind hier, um Flagge zu zeigen"
Großer Andrang auf dem CSD am Uniplatz! Rangeleien mit der Polizei
FULDA -
12.07.2025
In der Innenstadt
CSD-Demo und Straßenfest am Samstag: Verkehrsbehinderungen!
FULDA -
07.07.2025
CSD: 'Foll bunt- Vielfalt ist unsere Heimat'
Gegendemo der Jungen Nationalisten gegen Christopher-Street-Day angemeldet
↓↓ alle 8 Artikel anzeigen ↓↓