"Abwertend über die Opfer gesprochen!"

Kalbacher Ex-Pfarrer muss für vier Jahre in Haft - bereits Revision angekündigt

Der angeklagte Ex-Pfarrer und sein Verteidiger
Foto: Rene Kunze

29.10.2024 / FULDA - Schuldig! Im Fall des Ex-Pfarrers aus Kalbach wurde am Montagvormittag im Landgericht Fulda das Urteil verkündet: Vier Jahre Haft für den 43-jährigen Angeklagten.



Dieser soll 2022 in einem Zeitraum von sechs Monaten in Kalbach 71 Taten im Zusammenhang mit Besitz, Herstellung und Zugänglichmachung kinder- und jugendpornographischer Inhalte begangen haben, wobei in neun Fällen tateinheitlich sexueller Missbrauch von Kindern ohne Körperkontakt angenommen wird.

"Sehr gefasst" habe sein Mandant, der 43-jährige ehemalige Kalbacher Pfarrer, am Montag auf die Urteilsverkündung reagiert, erklärte nach Abschluss der Verhandlung sein Verteidiger gegenüber O|N. Doch mit dem Strafmaß von vier Jahren Haft sei er nicht einverstanden. Deshalb wolle er in jedem Fall Revision dagegen einlegen, kündigte der Rechtsanwalt an.

Mit der Urteilsverkündung endete ein spektakulärer Fall von sexuellem Kindesmissbrauch, der sich ausschließlich im Internet abgespielt hatte. Der Angeklagte hatte die diversen Taten im Wesentlichen zugegeben und aus Sicht der Kammer auch glaubwürdig Reue gezeigt. Doch die Tatsache, dass es sich um Missbrauch "ohne Körperkontakt" gehandelt hatte, führte nicht zu einer milden Beurteilung. Den Kindern und Jugendlichen hatte der 43-Jährige zum Teil "hartes kinderpornografisches Material" gezeigt und sie aufgefordert, sexuelle Handlungen an sich vorzunehmen. Die Mitschnitte aus den Chats hatte er gespeichert und sich laut Urteil so auch der Herstellung und Weiterverbreitung von kinderpornografischem Material schuldig gemacht. Bei den brisantesten kinderpornografischen Videos werde zudem sehr abwertend über die kindlichen Opfer gesprochen, führte der Richter aus.

Das Gericht ging noch einmal auf jeden der 68 Fälle einzeln ein und spezifizierte jeweils das Alter der Kinder und Jugendlichen. Die Verteidigung hatte noch mit drei nachträglichen Beweisanträgen klären wollen, ob es sich bei den Chatteilnehmern tatsächlich um Kinder gehandelt hatte oder sich womöglich Erwachsene als solche ausgegeben hatten. Auch der Pfarrer habe zum Teil vorgegeben, 17 Jahre alt zu sein.

Die offenbar weltweit verstreuten Opfer, die allerdings in keinem Fall identifiziert werden konnten, waren nur in wenigen Fällen in den Videos sichtbar. Doch deren Altersbestimmung brauche weder technische, Stimm- noch anthropologische Begutachtung, wie von der Verteidigung gefordert - die Kammer habe aus eigener Sachkunde geurteilt, so der Vorsitzende Richter Joachim Becker in der Urteilsbegründung. So sei in einem Video zum Beispiel ein Mädchen namens Leonie zu sehen: "Eindeutig ein Kind, pausbäckig, weit entfernt von der Pubertät", erklärte der Richter. Der Angeklagte habe definitiv gewusst, dass es sich bei seinen Chatpartnerinnen und -partnern um Kinder handelte. Er habe selbst ausgesagt, dass erwachsene Frauen nicht auf seine Kontaktaufnahmeversuche reagiert hätten und er sich deshalb die kindliche Neugier und die fehlende Altersbeschränkung in dem mittlerweile verbotenen Portal zunutze gemacht habe.

Tiefphase seines Lebens

Die verschiedenen 70 Einzelstrafmaße summierten sich auf 35 Jahre, wenn man bei jedem Fall nur sechs Monate zugrunde lege, erklärte Richter Becker. Die vier Jahre seien vor allem wegen der Vielzahl der Taten straf- und schuldangemessen.

Der Ex-Pfarrer habe nach der Sicherstellung der Beweismittel in seiner Wohnung die Flucht nach vorn angetreten und voll umfänglich gestanden. "Wir nehmen ihm seine Reue ab, es tut ihm nachträglich leid, wie er quasi über Kontinente hinweg mit den Kindern umgegangen ist. Es war die Tiefphase seines Lebens", sagte Richter Becker. Das Verfahren sei wegen des großen öffentlichen Interesses besonders belastend für den 43-Jährigen, konstatiert er. Er könne nicht mehr Priester sein und lebe sozial isoliert. "Wenn man so in die Öffentlichkeit gezogen wird, das tut weh!"

Ob der Bundesgerichtshof bei der angekündigten Revision der Verteidigung zu einer anderen Bewertung des Falls kommt, bleibt abzuwarten. (Carla Ihle-Becker)+++

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