Im Wortlaut

Rede am Fierche: Feuermeister Klaus Otto versteht die Welt nicht mehr

Feuermeister Klaus Otto am Sonntagabend bei seiner Rede am Fierche in Bad Hersfeld
Fotos: Hans-Hubertus Braune

23.10.2023 / BAD HERSFELD - Die Rede des Feuermeisters gehört zur Tradition beim Lullusfest in Bad Hersfeld. Wenige Minuten, bevor das Fierche mit Wasser aus Eimern gelöscht wird, tritt der Feuermeister ans Mikrofon, um seine Sicht der Dinge den vielen hundert Menschen zu verkünden.



Dabei nimmt er kein Blatt vor den Mund, beleuchtet die Situation insbesondere in der Stadt. Er spricht Dinge an, die aus seiner Sicht nicht funktionieren, aber er verteilt ebenso auch lobende Worte.

Lesen Sie nachfolgend die Rede von Feuermeister Klaus Otto im Wortlaut:

"Seid herzlich willkommen,

liebe Lollsschwestern und Lollsbrüder und natürlich all unsere Gäste aus nah und fern, die Ihr gekommen seid, am Ende unserer schönen und geliebten Lulluszeit! Nur noch wenige Minuten, dann lösche ich unser Fieerche aus...doch bevor ich das tue, muss erst einmal ein kräftiges Bruder-Lolls bei mir zur Kehle heraus!

Enner, zwoon...

Liebe Lolls-Gemeinde, wie Ihr wisst, komme ich aus dem Handwerk, und es liegt mir am Herzen an dieser Stelle für unser Handwerk eine Lanze zu brechen. Fachkräftemangel und nur wenige Auszubildende machen unserem Handwerk zusehens zu schaffen!

Am schlimmsten ist die Situation im Lebensmittel-Handwerk. Dort fehlen Arbeitskräfte und Auszubildende an allen Ecken und Enden. Sind diese Berufe aus der Mode gekommen...) Ich denke nicht, sie sind wichtiger als je zuvor. Das hat uns schon die Pandemie gelehrt!

Also, warum nicht eine Ausbildung im Fleischer- oder Bäckerhandwerk..? Liegt es an den unattraktiven Arbeitszeiten, der vermeintlich schlechten Vergütung oder einfach nur daran, dass diese Berufe sehr schlecht mit work-life-balance zu vereinbaren sind?!

Wo sind die jungen Menschen, die bereit sind, Verantwortung für sich und einen tollen Beruf zu übernehmen?...Es kann doch nicht sein, dass jeder nur noch studieren will.

Kürzlich habe ich eine Sache erlebt, wo ich echt gedacht habe ...Hallo, geht’s noch? Ein junges Mädel, das schon den Ausbildungsvertrag unterschrieben hatte, kam an dem Tag, an dem die Ausbildung beginnen sollte, mit ihrer Mutter in den Betrieb und sagte die Ausbildung ab, weil nach Meinung der Mutter es unzumutbar ist, nach Fulda in die Berufsschule zu gehen!

Ist das wirklich unsere Mentalität geworden... keine Einsatzbereitschaft mehr an den Tag zu legen? Sind es die Eltern oder das Schulsystem, das keine Werte mehr vermittelt oder auch unsere Gesellschaft, die work-life-balance und 4-Tage-Woche propagiert...Was übrigens eh keiner bezahlen kann. Macht Euch mal Gedanken.

Oder liegt es vielleicht auch daran, dass viele junge Menschen die Vorteile und Aufstiegschancen in einem Handwerksberuf gar nicht genau kennen!?

Was vielleicht auch ein Grund ist, ist die mittlerweile immer mehr fehlende Wertschätzung des Handwerks in der Gesellschaft!

All den Menschen, die mit ihrer Hände Arbeit ihr Geld verdienen müssen, muss auch wieder der Respekt gezollt werden, den sie verdienen!

Das deutsche Handwerk ist eine Säule unserer Gesellschaft und ein großes Stück unserer Kultur!

Diese muss unter allen Umständen erhalten bleiben!

Jeder ehre und behüte, was uns schuf, des Meisters Hand, als das Handwerk blühte, blühte auch unser Vaterland!

Enner,zwoon...

Im letzten Jahr habe ich zum x-ten Mal über die Zustände im Schilde-Park und in der Unterstadt berichtet.

Geändert hat sich nichts. Im Gegenteil - es werden jetzt sogar vermehrt Passanten und Mitarbeiter von dort ansässigen Firmen angepöbelt und beschimpft.

Zudem muss man auch sehen, dass dieses Problem auch auf andere Stellen im Stadtgebiet übergreift.

Siehe die Situation am Neumarkt gegenüber der Konrad-Duden Schule, wo mittlerweile ebenso fragwürdige Sachen verkauft werden wie im Schilde-Park!

An den Wochenenden werden zudem am Neumarkt wahre Rennen gefahren, in aufgemotzten teuren Wagen brüstet man sich und schert sich einen Dreck um Verkehrssicherheit und Ruhestörung!

Dieses Problem zu lösen, ist nicht einfach, und ich denke, es lässt sich auch durch zwei Streetworker nicht lösen!

Zumal man sich fragen muss, was die zwei Streetworker ausrichten können...Ich denke, dass an dieser Stelle diskutieren und andere Wege aufzeigen nicht fruchten werden, da diese Klientel doch sehr beratungsresistent herüberkommt - von Respekt anderen gegenüber wollen wir erst gar nicht reden!

Enner, zwoon....

Bad Hersfeld ist und muss eine attraktive Einkaufsstadt bleiben!

Schaut man sich jedoch den momentan immer größer werdenden Leerstand in der Innenstadt an, da kann man schon mal Angst bekommen!

Die Gründe dafür sind jedoch sehr vielschichtig und man kann nicht einfach die Schuld dafür gegenseitig hin und her schieben.

Fakt ist, die Probleme, die den Leerstand verursachen, müssen gemeinsam angepackt werden - und jeder muss seinen Beitrag dazu leisten.

Sei es die mangelnde Nachfolge in den Geschäften oder das Problem, dass viele Vermieter von außerhalb sind, auch die Forderungen einiger Vermieter und der Zustand der Objekte sind ein großes Problem - ganz zu schweigen von der teils dreckigen Innenstadt.

Was den Dreck und Müll betrifft, kann man der Stadt keinen Vorwurf machen. Es wird mindestens zweimal pro Woche die Stadt gereinigt... Man muss sich fragen: Wer macht so viel Dreck und Müll? Da muss in Zukunft konsequent durchgegriffen werden.

Die Innenstadt muss wieder aufgewertet werden und dazu gehört auch, dass sich die Einzelhändler aktiv mit einbringen bei Events, die geboten werden - oder einfach selbst was auf die Füße stellen. Und was auch ein ganz wichtiger Faktor ist: Wir müssen in der Stadt wieder einheitliche Öffnungszeiten haben.

Rauft Euch zusammen und packt die Probleme beim Schopf, denn wir haben eine tolle Stadt, auf die wir stolz sein können. Und das wollen wir auch in Zukunft sein!

Enner, zwoon...

Stolz können wir auch wieder auf unsere Festspiele sein, die in diesem Jahr wieder ein fantastisches Programm geboten haben!

Die Mischung machts, und Joern Hinkel und sein Team haben unsere Festspiele und unsere Stadt wieder bundesweit hervorgehoben! Dafür an Dich, lieber Joern Hinkel, und dem gesamten Team, ein Riesen-Dankeschön!

Jedoch schwingt in diesem Jahr auch schon ein wenig Wehmut mit, da unser Intendant für Ende 2025 seinen Rücktritt angekündigt hat.

Doch ich bin mir sicher, dass der- oder diejenige, die die Nachfolge von Joern Hinkel antreten, bestens auf diese Aufgabe vorbereitet werden und unsere Festspiele dieses hohe und ansprechende Niveau behalten werden.

Enner, Zwoon....

Seid dem 1. Januar dieses Jahres ist Anke Hofmann Bürgermeisterin unserer Stadt.

Sie hat sich viele Ziele gesetzt und wird mit Sicherheit in Zukunft das Bürgermeisteramt mit Ruhe und Besonnenheit zum Wohle unserer Stadt führen.

Jedoch musste auch sie in ihren ersten Monaten schon so Einiges einstecken und bekam Schelte für Projekte, die schon lange in Planung sind und waren.

Ich denke hier nur an den Neubau Klinikum und die Hochbrücke.

Doch ich denke auch, diese großen Probleme wird die Bürgermeisterin lösen können, wenn alle Beteiligten konstruktiv zusammen arbeiten.

Am Lolls-Montag hat unsere Bürgermeisterin auf den Empfängen und im Festzug alle Blicke auf sich gezogen in einem Ornat, was seinesgleichen sucht. Mit diesem Ornat, liebe Anke, wirst Du hoffentlich noch oft unsere Stadt so glanzvoll vertreten.

Liebe Anke, Du bist zwar klein...Aber ich denke, Du wirst 'ne große.

Auf unsere Bürgermeisterin ein kräftiges...

Enner, zwoon...

Groß werden wollte auch die Ampel in Berlin, jedoch die Politik, die unsere Regierung abliefert, ist so schlecht, dass man sie gar nicht mehr erwähnen möchte. Hessen hat gewählt, und jeder hat die Ergebnisse gesehen: Die AfD ist zweitstärkste Kraft geworden aus Protest, weil keiner mehr Lust hat, sich von unserem Staat veräppeln zu lassen. Aber das kann und darf nicht die Lösung sein!

Unsere freiheitliche und demokratische Gesellschaft ist in Gefahr - und wer das jetzt noch nicht begriffen hat, der tut mir leid!

Der Bund hat es geschafft, unsere Gesellschaft noch mehr zu entzweien wie Corona...und all den Mist, den die in Berlin verzapfen, baden die Bürger, die Länder und die Kommunen aus. Dafür bekommen sie jetzt die Quittung und lasst uns alle hoffen, dass wir da nochmal die Kurve kriegen.

Enner,zwoon....

Bei aller Unmenschlichkeit in dieser Welt ...gibt es auch Schönes zu berichten.

Es gibt noch Menschen, die Menschlichkeit und Fürsorge leben.

In meiner unmittelbaren Nachbarschaft leben Menschen, die schon seit zwei Jahren Mitarbeiter unserer Schausteller mit offenen Armen und einer Freundlichkeit aufnehmen, die ihresgleichen sucht.

Das ist in unserer heutigen Zeit nicht mehr selbstverständlich und ist Standing für unsere Stadt und unser Lullusfest.

Enner, zwoon....

Wenn ich auf den Kirchturm schaue, kriege ich einen Schreck, wo ist die Zeit geblieben, sie ist schon wieder weg!

Eine Woche hat unser Feuer dieses Fest geschmückt und noch leuchtet uns der Flammenschein,

doch so fordert es der alte Brauch,

dass aus dem Feuer werde Rauch.

Lolls-Gemeinde, Bürgersleute,

Unsre schönste Lullusfreude,

die uns heilig ist und teuer unser einzig Lullusfeuer,

soll mit Wasser und mit Erden ausgelöscht begraben werden.

Was der Flammen ward zum Raube

Asche ward bedeckt vom Staube

Soll nun dreihundertachtundfünfzig Tage

ruhn im dunklen Schoß der Erde,

die es hüte, die es trage,

bis das ein neuer Lollstag werde!

Nun schüttet in den Flammenschein

des Wasseres Todesstrahl

und mit Erde decket ein Feuer und verkohltes Holz

während wir zum letzten Mal rufen unser

Bruder-Lolls

Enner,zwoon....." (Feuermeister Klaus Otto/hhb) +++

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