OsthessenNews

Missbrauch durch Kleinbus-Fahrer

Mitschüler, Erzieherin und Gutachter sagen aus - "Pädophile Nebenströmung"

Verteidiger Rudolf Karras, der Angeklagte und der Dolmetscher Verteidiger Rudolf Karras, der Angeklagte und der Dolmetscher
O|N-Archivbilder: Henrik Schmitt

06.02.2025 / FULDA - Fortsetzung im Prozess gegen einen 78-jährigen ehemaligen Kleinbus-Fahrer wegen schwerem sexuellen Missbrauch an einer damals Neun-Jährigen: Am Mittwoch sagte ein ehemaliger Mitschüler des Opfers aus, der regelmäßig mit ihr im Kleinbus transportiert worden war. Er hatte von den Übergriffen des Fahrers nichts mitbekommen, schilderte aber, dass dieser bei den Kindern im Bus sehr beliebt gewesen sei. "Alle wollten vorne bei ihm sitzen, weil er immer Süßigkeiten verteilt hat und uns sein Handy überlassen hat".


Beim nächsten Zeugen handelte es sich um einen beim Polizeipräsidium Osthessen angestellten Informatiker, der die Daten auf den sieben beim Angeklagten sichergestellten Mobiltelefon aufbereitet und für die Ermittlungen ausgewertet hatte. Er war geladen worden, um Unklarheiten bei der einzelnen Datierung verschiedener Fotos zu klären. Tatsächlich waren einige der Bilder, die offensichtlich während der Missbrauchshandlungen im Bus aufgenommen worden waren, nicht zeitlich zuzuordnen. Der IT-Experte erläuterte die technischen Hintergründe und erklärte sich bereit, die Daten die auf einer externe SD-Karte gespeichert waren, noch einmal einer näheren Untersuchung zu unterziehen.

"Mama soll nicht traurig sein!"

Eine Erzieherin, der sich das Opfer 2020 anvertraut hatte, berichtete im Zeugenstand darüber, dass das Mädchen damals oft unter Druck gestanden habe und sie Gespräche über die möglichen Ursachen geführt hätten. "Sie klagte häufig über Kopfdruck und Nasenbluten." Eines Tages habe sie ihr gesagt, sie müsse etwas erzählen, was sie noch nie jemandem erzählt habe. Ihre Schilderungen seien sehr schambehaftet gewesen, sie habe vor allem gefürchtet, dass andere vom Missbrauch erfahren würden. Auch ihre Mutter sollte nichts davon wissen. Ihre Begründung: "Mama soll nicht traurig sein!" Die Erzieherin hatte ihr zugesichert, dass es zuallererst ihre eigene Entscheidung sei, wem sie davon berichten wolle, das Mädchen aber auch davon überzeugen können, dass ihre Aussage dazu helfe, weiteren Missbrauch zu verhindern.

Keine krankhafte seelische Störung beim Angeklagten

Anschließend trug der psychiatrische Gutachter Rolf Wagner aus Gießen vor, was er in zwei Gesprächen mit dem Angeklagten eruiert hatte. Diese Erhebung sei dadurch erschwert worden, dass sich ihm der 78-Jährige nicht geöffnet habe, was die Taten betreffe, und es keine Zeugen für die über zehn Jahre zurückliegenden Vorfälle gebe. Dieser sei seit Jahrzehnten immer wieder wegen Depressionen in Behandlung gewesen, teilweise auch stationär aufgenommen worden. Doch der Gutachter stufte die Depression als leichtgradig ein und begründete das mit dessen fortgesetzter Berufstätigkeit. Das wäre bei schwerer Depression nicht denkbar gewesen, führte er aus. Die vom Sohn des Angeklagten geschilderten Fälle, bei denen sich sein Vater von Kolleginnen sexuell bedrängt gefühlt habe, klassifizierte Wagner als wahnhafte Störung. Ansonsten sei beim Angeklagten keine krankhafte seelische Störung festzustellen, es liege bei ihm eine "pädophile Nebenströmung" vor und seine Rückfallprognose stelle ein unterdurchschnittliches Risiko dar, konstatiert der Gutachter.

Die Verhandlung wird am 17. Februar voraussichtlich mit den Plädoyers fortgesetzt. Auch dabei wird die Öffentlichkeit ausgeschlossen. (ci)+++

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