Was passiert mit dem Täter?

Messerangriff in Mannheim - Bundesanwaltschaft ermittelt

Polizistinnen und Polizisten gedenken bei der Kundgebung «Mannheim hält zusammen» ihres getöteten Kollegen.
Foto: Uli Deck/dpa

04.06.2024 / MANNHEIM - Die tödliche Messerattacke auf einen Polizisten in Mannheim hat bundesweit Entsetzen ausgelöst. Nicht nur Streifenwagen in Baden-Württemberg fahren mit Trauerflor. Die Ermittlungen gehen weiter.


Im Fall der tödlichen Messerattacke in Mannheim hat die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen übernommen. Die oberste deutsche Anklagebehörde in Karlsruhe begründete dies mit der «besonderen Bedeutung des Falls». «Wir gehen von einer religiösen Motivation der Tat aus», sagte eine Sprecherin der Deutschen Presse-Agentur. Zuerst hatte der «Spiegel» darüber berichtet. Die Sprecherin führte aus, man gehe davon aus, dass der Mann islamkritischen Menschen ihr Recht auf freie Meinungsäußerung absprechen wollte.

Ein 25-Jähriger hatte am vergangenen Freitag mehrere Menschen bei einer Veranstaltung der islamkritischen Bewegung Pax Europa (BPE) in der Mannheimer Innenstadt attackiert. Ein Polizist wurde dabei mit Messerstichen lebensgefährlich verletzt und erlag später seinen Verletzungen im Krankenhaus. 

Fünf weitere Männer, darunter BPE-Vorstandsmitglied Michael Stürzenberger, waren im Zuge der Attacke ebenfalls verletzt worden. Der mutmaßliche Täter, ein afghanischer Staatsbürger, wurde von einem weiteren Polizisten angeschossen. Er soll sich seit 2013 in Deutschland befunden haben und in Hessen wohnen.

Ermittler hatten seine Wohnung in Heppenheim bereits wenige Stunden nach der Tat am Freitagabend durchsucht. Dabei wurden auch elektronische Datenträger sichergestellt. Der 25-Jährige war polizeilich bisher nicht bekannt.

Sorge und Betroffenheit

Auf die Frage, ob die Messerattacke womöglich Auswirkungen auf die Sicherheitsvorkehrungen für die Fußball-Europameisterschaft haben werde, antwortete ein Sprecher des Bundesinnenministeriums in Berlin, die Sicherheit habe bei der EM natürlich höchste Priorität. Bund und Länder bereiteten sich deshalb intensiv vor, um diese gewährleisten zu können. «Selbstverständlich ist es immer so, dass lageabhängig Maßnahmen geprüft werden», fügte er hinzu.

Polizei schaltet Hinweisportal

Die Ermittler bitten um Mithilfe von Zeugen. Bild- oder Videoaufnahmen seien von Interesse, teilten Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt Baden-Württemberg mit. Die Behörden versprechen sich davon mehr Erkenntnisse dazu, wo genau auf dem Marktplatz sich der 25-jährige Täter kurz vor der Attacke am vergangenen Freitag aufgehalten und was er in der Zeit gemacht hat. Videos und Bilder könnten über ein Hinweisportal der Polizei übermittelt werden.

Trauerfeier und Gedenkminute für getöteten Polizisten

Nach dem Tod eines jungen Polizisten ist die Anteilnahme groß: Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) ordnete eine Schweigeminute und Trauerflor an. Die Polizisten in Mannheim wollen bei einer Trauerfeier Abschied von ihrem Kollegen nehmen. Unterdessen bemühen sich die Ermittler, mehr über das Motiv des Angreifers herauszufinden, der nach Angaben aus Sicherheitskreisen zuvor weder als Straftäter noch als Extremist aufgefallen war.

Am kommenden Freitag - eine Woche nach der Tat - soll um 11.34 Uhr des 29-Jährigen gedacht werden, teilte das Innenministerium mit. Wann die Trauerfeier stattfinden soll, stehe bisher nicht fest, sagte ein Polizeisprecher. Man wolle zunächst der Familie Raum zum Trauern geben. «Wir brauchen noch etwas Zeit.» Am Abend fand in Mannheim in Tatortnähe eine Kundgebung statt, bei der auch Blumen niedergelegt wurden. Laut Polizei beteiligten sich 8000 Menschen.

Streifenwagen mit Trauerflor und Schweigeminute

Ab sofort und bis zum Tag der Beisetzung des Polizisten soll an allen Streifenwagen der Polizei Baden-Württemberg Trauerflor angebracht werden. Auf Polizeibooten der Wasserschutzpolizei sei die Flagge auf Halbstock zu setzen, die Beflaggung an Dienstgebäuden der Polizei und des Innenministeriums seien auf halbmast gesetzt. Auch die Dienstfahrzeuge der Bundespolizei bundesweit fahren als Zeichen der Anteilnahme mit Trauerflor. In Mannheim und Stuttgart wurde auch Trauerbeflaggung angeordnet.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bedankte sich bei den Beamten der Bundespolizei für das Zeichen ihrer Trauer. «Diese Tat zeigt auf furchtbare Weise, wie gefährlich der Dienst von Polizistinnen und Polizisten für unser Land und für unsere Gesellschaft sein kann. Dafür verdienen sie größten Respekt und größte Anerkennung», zitierte das Innenministerium Faeser in der Mitteilung.

Politische Debatte

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kündigte derweil ein striktes Vorgehen gegen Extremisten an. Der Polizist habe für Frieden und Sicherheit sein Leben verloren. Er sei im Einsatz gewesen, weil er die Demokratie beschützt habe und das Recht von allen, die eigenen Meinung zu sagen, egal, ob sie irgendwem sonst gefalle. «Wenn jetzt Extremisten die Freiheit, sich zu bewegen, seine Meinung zu äußern, beeinträchtigen, dann müssen sie wissen, dass sie uns als ihre härtesten Gegner haben», sagte der Kanzler.

Hamburg will sich auf der nächsten Innenministerkonferenz (IMK) für eine Abschiebung schwerkrimineller Ausländer nach Syrien und Afghanistan einsetzen. Die Ministerrunde solle das Bundesinnenministerium bitten, die Sicherheitslage in Afghanistan und in der Region der syrischen Hauptstadt Damaskus neu zu bewerten.

Aus dem Bundesinnenministerium hieß es, Ministerin Faeser prüfe intensiv Möglichkeiten, wie Abschiebungen von Straftätern und Gefährdern nach Afghanistan wieder erfolgen könnten. In diesen Fällen müsse das Sicherheitsinteresse Deutschlands klar gegenüber dem Bleibeinteresse des Betroffenen überwiegen. Angesichts der schwierigen Sicherheitslage und der Tatsache, dass keine international anerkannte Regierung in Afghanistan existiere, seien aber schwierige Fragen zu klären.

Sahra Wagenknecht (BSW) forderte eine Kehrtwende in der Migrationspolitik. «Der Mord an dem mutigen Polizeibeamten in Mannheim macht traurig und wütend. Die extrem steigende Kriminalität von Nichtdeutschen, die sich in immer mehr Gewaltdelikten, Messerattacken und Vergewaltigungen äußert, ist ein sehr ernstes Problem, das beim Namen genannt werden muss.»

Linken-Chef Martin Schirdewan verurteilte den Angriff von Mannheim scharf, zugleich betonte er, Menschen einer bestimmten Bevölkerungsgruppe dürften nicht unter Generalverdacht gestellt werden. Zu denjenigen, die ihr Entsetzen über den Angriff bekundeten, gehörten auch der Vertreter der palästinensischen Autonomiebehörde in Deutschland, Laith Arafeh, und der Vorstand der neuen Partei Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch (Dava), in der sich unter anderem ehemalige Funktionäre von Islam-Verbänden engagieren.

Laut «Rheinischer Post» soll sich auf Antrag der Unionsfraktion der Bundestag in einer Aktuellen Stunde mit der Tat und der Gewalt gegen Polizisten beschäftigen. Der Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jochen Kopelke, sagte der Zeitung: «Der Deutsche Bundestag muss das Thema Gewalt gegen Polizisten und Messergewalt zusammen debattieren.» Dann müsse auch «Entschlossenheit im Durchsetzen von Abschiebungen von Straftätern und Rückhalt für Polizisten folgen»

Was passiert mit dem Täter?

Eine mögliche Haftstrafe müsste der Mannheimer Täter in Deutschland verbüßen. Ob und wann ein ausländischer Straftäter nach Verbüßung der Haftstrafe abgeschoben wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab, unter anderem von der Situation in seinem Herkunftsland zum Zeitpunkt der Haftentlassung. (Von Aleksandra Bakmaz und Anne-Beatrice Clasmann, dpa) +++


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