"Wir als Gemeinde haben nicht gepennt"
Ärztliche Versorgungslücke im Sommer kommt, aber dann geht es bergauf
Fotos: Carina Jirsch
08.05.2024 / NEUHOF -
Diese Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer in der Gemeinde Neuhof: Gleich zwei Hausärzte werden in diesem Jahr in den Ruhestand gehen. Damit spitzt sich die Ärztesituation im Südkreis Fulda weiter zu. Wer folgt jetzt? Am Dienstagabend gab Bürgermeister Heiko Stolz (CDU) in einer Bürgerversammlung einen Ausblick: "Es geht weiter. Mit ein paar Raufereien, aber es geht weiter!" Freie Fahrt für ein neues Medizinisches Versorgungszentrum.
Sachstand
Die Zuständigkeit der ärztlichen Versorgung liegt bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen (KV). Diese erstellt einen Bedarfsplan, wonach entschieden wird, wie viele Arztsitze kommen. Mit fast 11.000 Einwohnern hat Neuhof derzeit 3 Arztsitze. Das sind 1.514 Einwohner pro KV-Sitz. "Und jetzt gehen noch zwei Ärzte."Die Kaligemeinde Neuhof verliert in diesem Jahr zwei Allgemeinmediziner. Während der 64-jährige Dr. Stephan von Keitz Ende des Jahres gehen will, ist für Dr. Aman Esmaty bereits Ende Juni Schluss. Eine Nachfolgeregelung war im Januar 2023 getroffen. Doch dann kam alles anders.
Hat die Gemeinde gepennt?
Dass die zwei Hausärzte altersbedingt aufhören, ist seit 2019 bekannt. "Und seitdem führen wir Gespräche, wir haben also nicht gepennt", erklärte Bürgermeister Stolz. Man habe Gespräche mit möglichen Ärzten geführt und hatte sogar zweimal eine fast fertige Lösung parat. "Ende Januar 2023 stand für uns fest: Ein MVZ wird kommen. Die zwei Ärztinnen sprangen jedoch im September ab und somit standen wir mit leeren Händen da."Dabei betonte Stolz, dass die Gemeinde im medizinischen Bereich keine Kompetenz habe. "Das ist keine gemeindliche Aufgabe. Natürlich kümmern wir uns, aber wir mussten uns Hilfe holen." Man beauftragte also die Firma PQM, um eine kommunale Gesundheitsstruktur aufzubauen.
"Es geht weiter!"
PQM-Geschäftsführerin Karin Birkenbach betonte am Dienstagabend direkt zu Beginn: "Das ist ein Thema des ganzen Südkreises." Also habe man zuerst einen Arbeitskreis "Gesundheitszentrum Neuhof" gegründet, habe die entsprechenden Akteure in den Nachbargemeinden Flieden und Kalbach miteinbezogen und Ärzte direkt angesprochen. "Und auch mit der KV Hessen, dem Landkreis Fulda, Eigentümern des Gesundheitszentrums sowie Klinikum Fulda und Herz-Jesu-Krankenhaus haben wir über möglichen Lösungen gesprochen." MVZ-Gründung in den Startlöchern
Constantin Kiel, Geschäftsführer des MVZ in Eiterfeld, habe zugesagt. "Er möchte Ärzte in Neuhof beschäftigen, das geht aber nur sukzessiv", erläutert der Rathauschef. Man plant eine räumliche Zusammenführung der vorhandenen Praxen. Das Ziel: eine Gemeinschaftspraxis mit vier bis fünf Ärzten. Das neue MVZ könnte frühestens ab dem 3. August 2024 realisiert werden. "Der Weg dorthin wird steinig." Man rechne im Sommer mit einer eingeschränkten ärztlichen Versorgung, auch wenn die Praxen von Dr. von Keitz und in Kalbach und Flieden zugesichert haben, die Patienten zumindest mit Rezepten übergangsweise zu versorgen.
Noch ein Wermutstropfen: Für all das müsse die Gemeinde nämlich jetzt in Vorleistung gehen, "das kostet Steuergelder und nicht zu wenig", aber Stolz betonte: "Wir brauchen Ärzte hier im Ort. Das ist neben Schulen und Kitas das Wichtigste."
Eine weitere Information überraschte am Abend die Anwesenden, denn Dr. von Keitz bleibt seinen Patienten erhalten. Er wolle sich ab Ende des Jahres im MVZ anstellen lassen und würde dort "hoffentlich noch ein paar Jahre weiter machen".
Ein Tropfen auf dem heißen Stein
Noch mehr Ehrlichkeit zum Schluss: Die künftige Ärzteversorgung in Neuhof - ja im ganzen Landkreis - ist noch lange nicht gesichert, denn viele noch berufstätige Ärzte sind über 60 Jahre alt und der medizinische Nachwuchs fehlt an allen Ecken. (Nina Seikel) +++
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