Verteidiger fordert mehr als Staatsanwältin
Fall von Nötigung und Bedrohung: Renitenter 33-Jähriger pöbelt vor Gericht
Fotos: ci
20.08.2024 / FULDA -
Der Hersfelder Rechtsanwalt Jochen Kreißl sah sich in seinem Plädoyer am Montag vor dem Landgericht Fulda genötigt, die Forderung der Staatsanwältin nach 50 Stunden gemeinnütziger Arbeit für seinen Mandanten zu überbieten: "Das ist zu wenig", kommentierte er. "Je mehr, desto besser!" Dieser ungewöhnliche Vortrag folgte auf eine immer wieder vom Mandanten unterbrochene Verhandlung, bei der die Nerven alle Beteiligten reichlich strapaziert wurden.
Der der Revisionsverhandlung zugrunde liegende Fall liegt schon drei Jahre zurück: Das Landgericht Fulda hatte den zur Tatzeit 30-jährigen Angeklagten vor einem Jahr einer schweren räuberischen Erpressung für schuldig befunden und zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten auf Bewährung verurteilt. Dagegen hatte sich der Verurteilte gewehrt und war in Revision gegangen. Der Bundesgerichtshof hatte das Urteil aufgehoben und zur erneuten Verhandlung an eine andere Kammer des Landgerichts zurücküberwiesen.
Rabiate Geldforderung
Grund für die Revision war der Umstand, dass er seine Mutter nach Ansicht der Verteidigung nicht räuberisch erpresst hatte, weil ihm das Geld seiner Großmutter tatsächlich zugestanden habe. Ob die Seniorin die Weitergabe des Geldes an die Bedingung geknüpft hatte, dass er dafür keine Drogen kaufen dürfe, konnte nicht abschließend geklärt werden, weil diese bereits verstorben ist. Statt einer Erpressung habe es sich nur um eine Nötigung gehandelt, "bei der der Angeklagte seiner berechtigten Forderung mit dem Messer habe Nachdruck verleihen wollen", argumentierte sein Anwalt.
Gutachter: "Keine Schizophrenie, aber suchtbedingte Psychose"
Dr. Helge Laubinger diagnostizierte in seinem psychiatrischen Gutachten, der 33-Jährige leide nicht an Schizophrenie, sondern unter einer drogeninduzierten Psychose mit Wahnvorstellungen, die seine Steuerungsfähigkeit während der Tat deutlich vermindert habe. Diese ordnete der Gutachter als Beschaffungstat ein. Der Proband lebe ohne Struktur in den Tag hinein, habe keine Beschäftigung und keine Kontakte, man müsse von einem dauerhaften Drogenkonsum ausgehen. Eine Einsicht in seine Krankheit sei nicht vorhanden. Eine Gefährlichkeit mochte er nicht erkennen, da es seit drei Jahren keine ähnlichen Vorfälle mehr gegeben habe und die räumliche Trennung von den Eltern den Dauerkonflikt beendet habe.
"Ich hau’ sie irgendwann kaputt!"
Weil der 33-Jährige in einer Gerichtspause für die Staatsanwältin hörbar geäußert hatte: "Irgendwann hau’ ich meine Eltern kaputt", zog sie in ihrem Plädoyer Konsequenzen und plädierte für ein halbes Jahr Freiheitsstrafe, die für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt werden sollte. Zusätzlich sollte er zu zehn Therapiestunden und 50 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt werden.
Er habe viel Sympathie für den Antrag der Staatsanwältin, erklärte der Verteidiger anschließend, lehnte aber die Auflage der Therapiestunden als wenig erfolgversprechend ab. Über seinen Mandanten sagte er: "Er will kiffen. Er darf kiffen und lungert herum", um dann für mehr Arbeitsstunden zu plädieren.
Das Urteil will die Kammer am 29. August um 14 Uhr verkünden. (ci) +++
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