"Wir weichen nicht von der Seite"

Hebamme Denise Finke erklärt, warum auch Hausgeburten sicher sind

Die beiden Hebammen Johanna Hohmann (links) und Denise Finke (rechts) wichen bei Marleens (Mitte) Hausgeburt nicht von ihrer Seite. 
Foto: Bensing & Reith

07.12.2023 / FULDA - Kreißsaal oder Wohnzimmer? Je näher der errechnete Termin einer Entbindung rückt, desto intensiver müssen sich werdende Eltern mit dieser Frage auseinandersetzen. Denise Finke ist Hebamme mit einer eigenen Praxis am Buttermarkt in Fulda und ermutigt Frauen, die ihr Kind in den eigenen vier Wänden auf die Welt bringen möchten, dazu, sich diesen Schritt zuzutrauen. Schließlich sei eine außerklinische Geburt genauso sicher wie eine Geburt im Krankenhaus. Im letzten Teil der Hebammenserie, die im Mai 2022 erstmals auf OSTHESSENlNEWS erschienen war, berichtet Finke über ihre Erfahrungen mit Hausgeburten.



Denise Finke hat sich gemeinsam mit ihrer Hebammenkollegin Johanna Hohmann auf Hausgeburten spezialisiert. Wenn das Telefon klingelt und beide sich auf den Weg zu den werdenden Eltern machen, "ist jedes Mal ein Kribbeln zu spüren", sagt Johanna Hohmann, "Hausgeburten sind etwas Besonderes." Rund zwei Drittel der Frauen, die Finke betreut, entscheiden sich für diese Geburtsoption. Das entspricht etwa 30 Hausgeburten im Jahr. Ein Drittel gebärt im Krankenhaus. Denise Finke: "Generell ist es wichtig, dass sich die Frau wohl und sicher bei der Geburt fühlt und keine Ängste hat. Manche haben Bedenken, was die Sicherheit bei einer Hausgeburt angeht. Da kann ich beruhigen: Außerklinische Geburten sind genauso sicher wie Klinikgeburten." Dennoch habe die Geburt im Krankenhaus natürlich ihre Berechtigung, betont Finke.

Eine Hausgeburt komme für all diejenigen Frauen in Frage, die nicht von einer Risikoschwangerschaft betroffen sind. Außerdem sollten die räumlichen Gegebenheiten stimmen: Im Falle einer Verlegung während oder nach der Geburt muss schließlich alles reibungslos ablaufen. Der Geburtsort sollte also stets gut zu erreichen sein und nah an einem Krankenhaus liegen.

Marleen ist 31 Jahre alt und hat vor drei Monaten ihr erstes Kind zur Welt gebracht. Sie hat sich für eine Hausgeburt entschieden und davon niemandem in ihrem Umfeld erzählt: "Ich wollte es für mich behalten, weil ich mir einerseits absolut sicher war, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Und andererseits wollte ich nicht, dass sich jemand Sorgen um mich macht." Marleen berichtet von einer ausnahmslos positiven Geburtserfahrung – und das, obwohl es zu Interventionen, also Eingriffen, kam. Denise Finke erinnert sich: "Wir haben Auffälligkeiten bei den Herztönen des Kleinen festgestellt. Also mussten wir helfen." Zu Interventionen gehören Maßnahmen wie das Legen von Infusionen, das Verabreichen von Notfallmedikamenten, zu denen blutstillende Mittel und Wehenhemmer zählen, Betäubungen, wenn Geburtsverletzungen versorgt werden müssen, Dammschnitte oder der sogenannte Kristeller-Handgriff. Letzterer ist eine Methode, um die Austrittsphase zu beschleunigen. Mit diesem halfen Denise Finke und Johanna Hohmann Marleen dabei, das Kind zur Welt zu bringen.

Eine Hausgeburt läuft in der Regel immer wie folgt ab:


Treten regelmäßige Wehen ein, dann wird die jeweilige Hebamme angerufen. "Ab diesem Moment weichen wir nicht mehr von der Seite der Gebärenden", sagt Denise Finke. Und Johanna Hohmann ergänzt: "Eine Hausgeburt ist eben eine sehr intensive Form der Betreuung." Wenn es während oder nach der Geburt zu Komplikationen kommt, wird selbstverständlich der Krankenwagen gerufen und ein Arzt hinzugezogen. "Das passiert aber nur bei gut einem Prozent aller Hausgeburten. Das Risiko ist niedrig", betont Denise Finke. Das belegen auch Statistiken der Gesellschaft für Qualität in der außerklinischen Geburtshilfe: Von 100 Geburten werden etwa 15 in Ruhe verlegt. Bei nur einer dieser 100 Geburten handelt es sich um einen Notfall. Übrigens ist im Hebammengesetz niedergeschrieben, dass Hebammen normal verlaufende Geburten alleine begleiten dürfen. Einen Arzt müssen sie hinzuziehen, wenn die Herztöne des Kindes von der Norm abweichen oder die Frau an starken Blutungen leidet. Denise Finke betont: "Bei Notfällen arbeiten wir mit Ärzten Hand in Hand und stets gut zusammen. Das schätze ich sehr. Schließlich haben wir dasselbe Ziel."

Es sei wichtig, dass sich werdende Eltern mit möglichen Szenarien im Voraus auseinandersetzen. Denise Finke sagt: "Die Vorbereitung sowie die innere Einstellung haben einen unfassbar großen Einfluss auf den Geburtsverlauf. Wenn die Eltern einen Plan B vorbereitet haben, gehen sie entspannter in die Sache und es kommt zu weniger Risiken." Natürlich helfen die Hebammen dabei mit Informationen und Ratschlägen. 

Marleen sei sehr entspannt gewesen, obwohl es bei ihr zu den erwähnten Eingriffen kam: "Ich habe mich vorher mit allem, was passieren könnte, beschäftigt – und während der Geburt haben meine Hebammen gut auf mich eingewirkt. Ich habe mich wohlgefühlt. Schließlich ist es zuhause am schönsten – auch bei Geburten."

Abschließend sagt Denise Finke: "Geburten laufen nicht systematisch ab. Deswegen ist die intensive Betreuung bei Frauen so wichtig. Ich finde, die größte Kunst der Geburtshilfe ist es, die Natürlichkeit von Geburten zu fördern. Und das gelingt uns immer wieder." (Paula Mainusch) +++

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