Die neue Serie bei O|N (Teil 6)

Hebamme Denise Finke: So verlaufen die ersten Wochen nach einer Geburt

Bianka Kühn aus Petersberg ist eine der Frauen, die Denise gerade täglich besucht. Sie hat vor Kurzem Tochter Fiona zu Hause zur Welt gebracht .
Foto: Bensing & Reith

06.10.2022 / FULDA - Erblickt ein kleines Wesen das Licht dieser Welt, beginnt für die ganze Familie ein neuer Lebens-abschnitt. Das gegenseitige Kennenlernen ist für Eltern natürlich aufregend – sollte aber mit einer ruhigen, entspannenden Phase starten: dem Wochenbett. Warum diese Zeit nicht nur für Geist, sondern auch für den Körper sehr wichtig ist, und was sich im Organismus alles verändert, erklärt Denise Finke im sechsten Teil der Hebammenserie, die jeden ersten Donnerstag im Monat bei OSTHESSEN|NEWS erscheint.



Die ersten sechs bis acht Wochen nach einer Geburt bezeichnet man als Wochenbett. "In dieser Zeit sollten frischgebackene Mamas viel ruhen", sagt Denise Finke. Dadurch bekomme der Organismus die Möglichkeit, sich von den geburtsbedingten Veränderungen zu erholen. Das ist für Geist und Körper wichtig, betont die Hebamme: "Das Wochenbett entschleunigt. Es gibt den Eltern Zeit, sich in ihrer neuen Rolle zurechtzufinden und eine Routine mit dem Neugeborenen zu entwickeln." Sie sagt: "Was in diesen ersten Wochen passiert, ist etwas ganz Besonderes."

"Ruhehalten hilft beim Verheilen"

In der frühen Wochenbett-Zeit besuchen Nachsorge-Hebammen die jungen Familien ein- bis zwei-mal täglich. Sie kontrollieren unter anderem die körperlichen Veränderungen: die Rückbildung der Gebärmutter, den Wochenfluss, welcher von der Plazenta-Wunde ausgelöst wird sowie das Heilen eventueller Geburtsverletzungen. "Das Ruhehalten im Wochenbett hilft sehr beim Verheilen", sagt Denise Finke. Auch auf hormoneller Ebene passieren einige Dinge, die die Hebamme beobachtet: "Die Plazenta-Hormone werden zum Beispiel abgebaut, sodass das Milchbildungshormon Prolaktin angeregt wird und den Milcheinschuss fördert."

Natürlich aber geht es bei der Nachsorge auch um das Baby. "Wir kontrollieren Vitalzeichen und das Gewicht und beobachten außerdem, wie der Nabel heilt", sagt Denise Finke. Insgesamt dauert die Nachsorge zwölf Wochen. "Sind diese vor-bei, schauen wir, ob die Eltern oder das Kind noch Bedarf haben. Die Krankenkasse übernimmt bis zu neun Monate Hebammen-Betreuung bei Still- oder Ernährungsschwierigkeiten", sagt Denise Finke.

Fragen zu allen Themen

Bianka Kühn aus Petersberg ist eine der Frauen, die Denise gerade täglich besucht. Sie hat vor Kurzem Tochter Fiona zu Hause zur Welt gebracht – und ihre Wochenbett-Zeit direkt in den eigenen vier Wänden gestartet. Frauen, die in einer Klinik gebären, können je nach Gesundheitszustand und Empfinden entweder nach vier Stunden ebenfalls mit dem Baby nach Hause gehen oder die Erholungsphase im Krankenhaus beginnen. Neben all den Untersuchungen, die die Hebamme bei der Nachsorge macht, ist es für Bianka sehr wichtig, dass "ich Denise zu allen Themen Fragen stellen kann. Das gibt mir Sicherheit."

Besonders die zeitliche Abfolge nach der Geburt beschäftigt viele Eltern. Wann können Familie und Freunde zu Besuch kommen? Wann darf man mit Beckenbodenübungen starten? Wann können Eltern den ersten Spaziergang an der frischen Luft unternehmen? "Zu all diesen Fragen gibt es eine einfache Faustregel", sagt Denise Finke, "die erste Woche nach der Geburt sollten Frauen im Bett verbringen, die zweite um das Bett herum, die dritte in der Wohnung und die vierte dann draußen." Zum Vergleich: In Asien bleiben Frauen 40 Tage lang im Bett liegen, um Babys vor Infektionen zu schützen. Denise Finke: "Man sollte sich also keinen Druck machen, sondern die Zeit genießen. Sie ist wirklich magisch."

Starker Bindungsaufbau im Wochenbett

Für Bianka ist das Ruhehalten kein Problem. Sie schläft viel, streichelt ihr Neugeborenes und lässt den Haushalt auch mal links liegen. "So ist es genau richtig", sagt Denise Finke beim Nachsorgetermin. "In der Zeit des Wochenbetts wird zwischen Kind und Eltern eine extrem starke Bindung aufgebaut." Dafür ist übrigens das Glückshormon Oxytocin verantwortlich, das beim gemeinsamen Kuscheln ausgeschüttet wird.

Wer nicht sofort das Verlangen nach Kuscheleinheiten mit dem Neugeborenen verspürt, solle sich übrigens keine Sorgen machen. "Das ist ein typisches Anzeichen für den sogenannten Babyblues", sagt Denise Finke. Diese Form der Stimmungsschwankung sei ganz normal. Sie entsteht, "weil Eltern sich neuen Herausforderungen stellen müssen und bei den Frauen die Hormone durcheinander gewirbelt werden." Deshalb seien Frauen oft etwas sensibler: in einem Moment überschwänglich und im anderen traurig. "Man muss den Babyblues einfach zulassen, den Gefühlen freien Lauf lassen, dann verschwindet er von ganz allein wieder", sagt die Hebamme.

Die Geburt eines Kindes verändert also vieles: die Hormone bei der Frau, die Aufgaben innerhalb der Familie und letztlich den gesamten Alltag. Denise Finke betont abschließend: "Bevor der Alltag so richtig losgeht, sollten Eltern Kraft im Wochenbett tanken." Denn es gilt die Devise: "Wer sich am Anfang ausruht, dem geht es am Ende viel besser."



Hintergrund

Denise Finke ist 30 Jahre alt, wohnt in Fulda und betreibt seit dem Frühjahr 2021 die Hebammenpraxis "Hand aufs Herz" direkt am Buttermarkt in Fulda. Dafür kooperiert sie mit ihren Hebammenkolleginnen Deborah Lemstra, Karolin Beier und der Doula Diana Link. Nachdem Denise Finke eine Ausbildung zur zahnmedizinischen Fachangestellten absolvierte und merkte, dass sie nach einem verantwortungsbewussten Beruf strebt, besuchte sie die Hebammenschule in Ahlen. Nach abgeschlossenem Staatsexamen zog es sie erst nach Berlin und schließlich wieder zurück in ihre Heimat Fulda. Neben Vorsorgeuntersuchungen, Geburten im häuslichen oder klinischen Umfeld, Beratung und Wochenbettbetreuung gibt Denise Finke Geburtsvorbereitungs- sowie Rückbildungskurse und bietet Schwangerenyoga an. In dieser Kolumne berichtet sie jeden ersten Donnerstag im Monat über verschiedene Themen rund um die Schwangerschaft. Über alle Leistungen kann man sich auf der Website www.handaufsherz-fulda.de oder auf ihren sozialen Kanälen @he-bammedenise_finke informieren.(Paula Mainusch/Agentur Bensing & Reith)+++

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