Aus dem Landratsamt (11)
Landrat Manfred Görig zur Corona-Lage: "Werden mit dem Virus leben müssen"
Symbolbild: O|N / Carina Jirsch
24.01.2022 / REGION VB -
Fast 900 aktive Fälle, eine Sieben-Tage-Inzidenz von 480,5: Auch der Vogelsbergkreis bleibt aktuell von den hohen Corona-Zahlen nicht verschont. Am Freitag meldete der Kreis, dass das Gesundheitsamt bei der Kontaktnachverfolgung an seine Grenzen stößt. Im exklusiven Interview mit OSTHESSEN|NEWS äußert sich Landrat Manfred Görig zur aktuellen Lage und sagt: "Wir werden mit dem Virus leben müssen." Für ihn ist vorstellbar, dass die Corona-Infektionen in nicht allzu ferner Zeit vergleichbar sein werden mit anderen Atemwegserkrankungen wie der Grippe.
Die Zahlen der Corona-Infizierten steigen auch im Vogelsberg. Werden dafür bestimmte Maßnahmen getroffen?
Hessenweit gilt ja seit Montag eine neue Corona-Schutzverordnung, die unter anderem die 2G-Plus Regel für die Gastronomie vorsieht – unabhängig von der Inzidenz. Die hat bei uns rund um das vergangenen Wochenende an drei Tagen hintereinander den Wert von 350 überschritten, sodass der Vogelsberg nun auch zu den Hotspots in den Hessen zählt. Wir hätten daraufhin eine Maskenpflicht in den Fußgängerzonen einführen und ein Alkoholverbot für belebte Plätze aussprechen können. Davon haben wir allerdings abgesehen. Bekannte Plätze und Fußgängerzonen, an denen es zu Menschenansammlungen kommt, haben wir nicht. Da besteht keine Notwendigkeit, im Freien eine Maske tragen zu müssen.
Richtig gut. Wir haben die Öffnungszeiten in unserem Impfzentrum vom Herbst her ständig erweitern müssen, gerade vor Weihnachten und zwischen den Jahren hatten wir eine enorme Nachfrage. Am vorletzten Tag des Jahres, am 30. Dezember, haben wir unseren Spitzenwert erreicht: 930 Impfungen an nur einem Tag.
Insgesamt hat unser Impfzentrum gemeinsam mit den Hausärzten bislang 184.831 Spritzen gesetzt. Fast 68 Prozent unserer Vogelsberger sind vollständig geimpft, mehr als 41 Prozent sind bereits geboostert, so der Stand nach der ersten Januar-Woche.
Das wird davon abhängen, inwieweit weitere Impfungen – sprich: die vierte Spritze – nötig sind. Der Öffentliche Gesundheitsdienst wird die Impfkampagne weiterhin unterstützen. Am Dienstag kam der entsprechende Erlass aus Wiesbaden: Wir werden diese Aufgaben voraussichtlich durchgängig bis zum 30. September übernehmen. Ein zentraler Ort wird für die Impfkampagne zur Verfügung stehen.
Blickt der Kreis auf einen entspannten Corona-Sommer wie im vergangenen Jahr?
Das haben wir in nahezu zwei Jahren Pandemie ja gelernt: Sobald es wärmer wird, ist auch wieder mehr möglich – allein, weil sich Aktivitäten ins Freie verlagern. Auch wenn keiner so richtig weiß, wie es 2022 weitergehen wird, ich persönlich schaue wesentlich entspannter auf dieses Frühjahr und den Sommer, denn wir haben mittlerweile einen großen Teil unserer Bevölkerung geimpft und somit zumindest vor einem schweren Krankheitsverlauf geschützt.
Experten wie Regierungsberater Lars Kaderali von der Uni Greifswald oder der Virologe Christian Drosten sehen gar ein baldiges Ende der Pandemie. In einer Pressekonferenz in der vergangenen Woche wählte Drosten ein anschauliches Bild: "Wenn Sie genau hinschauen, stellen Sie fest, das neue Modell hat keinen größeren Motor, sondern breitere Reifen und kann deswegen besser durch das Gelände fahren." So müsste man sich Omikron vorstellen. Mit den Impfungen würde immer mehr Matsch auf den Sandweg transportiert, bis sich das Auto – auch das mit den breiten Reifen – nur noch ganz langsam bewegen kann. "Dann sind wir im endemischen Zustand."
Was denken Sie: Reicht es mit Corona-Maßnahmen und müssen wir lernen, mit dem Virus zu leben?
Wir werden mit dem Virus leben müssen. Vorstellbar ist, dass Corona-Infektionen in nicht allzu ferner Zeit vergleichbar sein werden mit anderen Atemwegserkrankungen wie der Grippe. Durch die zahlreichen Impfgegner und –verweigerer kann sich die Wende von der Pandemie zur Endemie weiter hinauszögern, auch das hat Virologe Drosten klar formuliert. Denn man könne nicht dauerhaft nachimpfen, man müsse es irgendwann dem Virus überlassen, die Immunität der Menschen wieder upzudaten.
Foto: Carina Jirsch
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