Sexueller Missbrauch im Bistum Fulda

Bischof Dr. Gerber: "Das lebenslange Leiden der Opfer bewegt mich"

Der Fuldaer Bischof Dr. Michael Gerber äußerte sich am Donnerstag zum Missbrauchsbericht im Bistum Fulda.
Fotos: Martin Engel

27.06.2025 / FULDA - "Der Bericht wirkt nach und wühlt auf", gab der Fuldaer Bischof Dr. Michael Gerber am Donnerstag zu. Während einer Pressekonferenz bezog die Bistumsleitung, darunter Generalvikar Dr. Martin Stanke und die Personalchefin Beate Lopatta-Lazar Stellung zu dem kürzlich veröffentlichten Aufklärungsbericht. Die Unabhängige Kommission geht von mehr als 239 Fällen von sexuellem Missbrauch im Bistum Fulda aus (OSTHESSEN|NEWS berichtete). Ein Schock für die Region.


Vier Jahre lang hat es sich die Kommission zur Aufgabe gemacht, die Fälle sexualisierter Gewalt in der katholischen Kirche von 1945 bis heute aufzuarbeiten. Im Bericht heißt es: "Man war blind für das Leid der Betroffenen."

"Die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt ist ein zentrales Anliegen und eine dauerhafte Verpflichtung zugleich. Aufarbeitung geschieht nicht auf einen äußeren Druck, sondern aus eigener Verantwortung und Überzeugung", unterstrich das Podium vor den Medienvertretern im Bonifatiushaus. Der Bericht zeige vor allem systemisches Versagen. "Diese strukturellen Schwächen müssen wir erkennen, benennen und verändern – als Bistum, als Leitung, und ich ganz persönlich als Bischof." Zwei Gesprächstermine mit der Kommission seien bereits vereinbart.

Bischof Gerber musste sechs Priester entlassen

Ein zentrales Thema des Berichts: gravierende Versäumnisse in der Priesterausbildung. So wurden teilweise Männer geweiht, die bereits während ihrer Ausbildung oder sogar davor auffälliges oder problematisches Verhalten zeigten – teils trotz klarer Warnungen oder negativer Voten. Bischof Gerber berichtete, dass er während seiner bisherigen Amtszeit bereits sechs Priester aus dem Dienst nehmen musste, darunter auch zwei wegen sexualisierter Gewalt. In mindestens vier Fällen lagen bereits während der Ausbildung Hinweise vor, die nicht ausreichend berücksichtigt wurden.

Er erläutert: "Die Staatsanwaltschaft hat sich bei mir gemeldet. Noch am selben Tag habe ich den Priester aus dem Dienst genommen und ihm untersagt, weitere priesterliche Tätigkeiten auszuüben." In einem anderen Fall habe sich eine Betroffene wegen sexualisierter Gewalt an Gerber gewandt. "Sofort hat sich unser Interventionsbeauftragter eingeschaltet, anschließend wurde ein Konfrontationstreffen in die Wege geleitet - mit der betroffenen Person und dem Beschuldigten." Oftmals habe dies zu kurzfristigen Sanktionen geführt.

"Die menschliche Reife muss unverzichtbare Voraussetzung für die Priesterweihe und die Tätigkeit als Priester sein", betonte Gerber. Es gehe darum, die Fähigkeit zu entwickeln, sich selbst und andere realistisch wahrzunehmen und Beziehungen professionell und verantwortungsvoll zu gestalten. Diese Erkenntnis sei zentral für die Reform der Priesterausbildung. Zu den konkreten Maßnahmen zählen dabei die Einführung von Verwaltungsleitungen in Großpfarreien sowie die Förderung teamorientierter Leitungsmodelle, um Pfarrer von administrativen Aufgaben zu entlasten und Leitung auf mehrere Schultern zu verteilen – fachlich, transparent und im Sinne einer gemeinsamen Verantwortung.

Haltung, Struktur und Praxis

Beate Lopatta-Lazar, seit November 2023 Leiterin des Fachbereichs Personal, betonte die Bedeutung einer ganzheitlichen Personalführung. "Der Bericht zeigt deutlich: Es reicht nicht, Strukturen zu verändern – es braucht auch eine klare Haltung und gelebte Praxis." Sie verwies auf die Arbeit der interdisziplinär besetzten Personalkommission sowie auf die laufende Neustrukturierung des Personalbereichs.

"Wir haben nicht zugehört"

Auch Generalvikar Stanke sei tief erschüttert. "Wir stehen als Kirche nicht besser dar, als die Gesellschaft insgesamt. In manchen Punkten sogar noch schlechter." Er stehe dafür, eine Erinnerungskultur einzurichten und Verantwortung zu teilen. "Deshalb wird es in Kürze auch eine Ausschreibung für einen Verwaltungsleiter geben." Man habe in der Vergangenheit nicht zugehört, jetzt wolle man sich als Bistum Fulda seiner Verantwortung stellen. "Nur so kann ein neuer Weg entstehen."

Ein weiterer Schwerpunkt sei die Begleitung von Gemeinden, die sich ihrer eigenen Geschichte stellen müssen, so Stanke: "Es braucht Konzepte, die Sprachlosigkeit überwinden helfen und eine Kultur der Achtsamkeit und Erinnerung ermöglichen."

Aufarbeitung, Intervention und Prävention im Bistum Fulda

• E-Mail: hinsehen-handeln@bistum-fulda.de

• Weitere Informationen: www.hinsehen-handeln-bistum-fulda.de

• Informationen zur Unabhängigen Kommission: www.nur-mit-mut.de

Im Bistum Fulda gibt es eine unabhängige Ansprechperson, die in keinem Dienstverhältnis zur Diözese steht. Zudem ist eine Interventionsbeauftragte benannt, die Hinweise entgegennimmt und Verfahren koordiniert. Präventionsbeauftragte entwickeln Schutzkonzepte und führen Schulungen durch. (Nina Seikel) +++

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