Sie zählen zu den jüngsten Abgeordneten

Die Zeit der "jungen Wilden" ist vorbei: Wiegelmann und Reddig im Gespräch

Die CDU-Bundestagsabgeordneten Johannes Wiegelmann und Pascal Reddig (rechts)
Fotos: Moritz Pappert/ Katharina Gepppert

22.06.2025 / BERLIN - Johannes Wiegelmann (32, CDU, Wahlkreis 174 Main-Kinzig - Wetterau II - Schotten) und Pascal Reddig (30, CDU, Wahlkreis 179, Hanau) zählen zu den jüngsten Abgeordneten im Deutschen Bundestag. Beide sind damit Mitglieder in der Jungen Gruppe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Reddig ist ihr Vorsitzender. Beide sind schon lange befreundet, nicht nur durch die Politik. Am 23. Februar wurden sie für ihre Wahlkreise in den Bundestag gewählt. Wir haben die beiden Abgeordneten in Berlin zum Doppel-Interview getroffen.

Johannes Wiegelmann ist Rechtsanwalt und kommt aus Bad Soden-Salmünster. Er ist im Bundestag Mitglied im Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung und im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz sowie stellvertretendes Mitglied im Verteidigungsausschuss.

Pascal Reddig ist ebenfalls Rechtsanwalt und lebt in Hanau. Er ist im Bundestag Mitglied im Ausschuss für Kultur und Medien und im Ausschuss für Arbeit und Soziales sowie stellvertretendes Mitglied im Gesundheitsausschuss. Reddig ist außerdem seit 2018 einer von vier stellvertretenden Bundesvorsitzenden der Jungen Union Deutschlands. Beide sind seit vielen Jahren in der Kommunalpolitik aktiv und schon früh in die CDU eingetreten.


Wie waren für Euch die ersten Wochen als Bundestagsabgeordneter in Berlin?


Wiegelmann: "Schön und aufregend. Es war viel Neues und jede Woche war bislang anders. Wir haben viele Highlights erleben dürfen. Man baut jetzt in der Fraktion, in den Arbeitsgruppen und in den Ausschüssen Vertrauens- und Arbeitsverhältnisse auf. Es ist eine große Freude, die eigene Heimat vertreten zu dürfen."

Reddig: "Die ersten Wochen waren wie am ersten Schultag. Jetzt pendelt sich so langsam Routine ein. Man spürt aber auch, dass wir in einer Zeit Mitglieder des Bundestags geworden sind, die außergewöhnlich ist. Die Debatte zum Sondervermögen hat insbesondere die ersten Wochen bestimmt. Hinzu kommt das Bewusstsein, dass wir innenpolitisch - von der Migration bis zur Wirtschaftspolitik - vieles besser machen müssen. Und gleichzeitig massive außenpolitische Herausforderungen unsere tägliche Arbeit beeinflussen."

Wie lange kennt Ihr Euch schon und wie habt Ihr Euch kennengelernt?

Reddig: "Wir kennen uns aus unserer Schulzeit. Die Mutter von Johannes war meine Französisch-Lehrerin. Wir saßen damals in der Aula der Schule zusammen und haben über Politik diskutiert. Johannes war zwei Jahrgangsstufen über mir. Meistens war auch ein Sozialdemokrat mit dabei, Michael Neuner, der auch in Johannes‘ Wahlkreis zur Bundestagswahl angetreten ist. Es ist ein schöner Zufall, dass wir jetzt hier gemeinsam sitzen. Über die Jahre ist eine sehr schöne und enge Freundschaft entstanden."

Wiegelmann: "In diesem Betrieb so eine enge Freundschaft zu haben, sucht seinesgleichen. Wir funktionieren auch außerhalb des politischen Betriebs. Egal ob das Kulturveranstaltungen oder Sportevents sind, oder auch gemeinsame Reisen. Es ist eine normale Freundschaft, wo die Politik einen großen Teil ausmacht, aber es ist weit mehr als Politik."

Bei welchem politischen Thema seid ihr unterschiedlicher Meinung?

Reddig: "Wir haben beide ganz andere Schwerpunkte. Johannes ist sehr interessiert bei den außen- und verteidigungspolitischen Themen. Ich habe einen stärkeren Fokus auf den sozialpolitischen Fragen. Also wie wir unser Rentensystem reformieren, die Sozialbeiträge niedrig und die sozialen Sicherungssysteme tragfähig halten. Deshalb würden wir die Wichtigkeit der Themen in der Debatte anders priorisieren."

Wiegelmann: "Wir haben unterschiedliche Felder, für die wir brennen, für die wir uns Kompetenzen zuweisen. Ich würde für mich nie in Anspruch nehmen, dass ich im Bereich der Sozialpolitik so tief drin bin wie Pascal. Man nimmt die Positionen des anderen an, weil man weiß, dass dort eine Expertise ist."

Wie habt ihr den Wahlabend erlebt?

Reddig: "Es war ein Wechselbad der Gefühle. Am Anfang sah es eher so aus, dass es bei Johannes eng werden könnte. Dann hat sich abgezeichnet, dass es bei mir etwas knapper wird. Später war nicht mehr die Frage, ob wir unsere Wahlkreise gewinnen, sondern ob wir aufgrund unserer Erststimmenergebnisses auch in den Bundestag einziehen. Das war absurd, weil man sich den Abend nicht richtig freuen konnte."

Wiegelmann: "Es gab nicht den einen Moment, in dem die Freude sich Bahn brach. Es war die Frage, wo wir im hessenweiten Vergleich stehen. Das wechselte dauernd. Dass Pascal eine sichere Platzierung hatte, war erst eine Stunde später als bei mir klar. Das hat es zu einem langen Wahlabend gemacht. So hat sich die Freude langsam über den Wahlabend verteilt."

Für welche Politik steht ihr?

Wiegelmann: "Wirtschaftsliberal, klar Pro-EU, Pro-NATO und Bundeswehr, Transatlantiker und Verfechter des Rechtsstaates. Und sozialpolitisch betrachtet an Fördern und Fordern orientiert – mit dem Augenmerk auf "Fordern".

Reddig: "Wenn es um innenpolitische Fragen geht, eher konservativ. Bei wirtschaftspolitischen Fragen eher liberal. Das lässt sich für mich nicht klar definieren, weil es in jedem Politikfeld anders ist. Bei gesellschaftspolitischen Fragen war ich früher viel konservativer als heute. Bei der Migration war ich früher liberaler als heute. Das hat sich auch mit den Entwicklungen und Herausforderungen gewandelt. Aber das Grundkonstrukt bleibt, wie es auch Johannes schon beschrieben hat. Was uns beide eint, dass wir sehr pragmatisch in der Politik sind. Am Ende geht es darum, dass man Dinge lösen muss."

Werdet Ihr im Bundestag zwischen den älteren Kollegen als die jungen Wilden gesehen?

Reddig: "Wenn man in Berlin ankommt, wird man als die jungen Wilden bezeichnet. Das ist das Bild, das gesendet wird. Aber dadurch, dass wir schon so lange Politik machen, waren wir mit 17,18 die jungen Wilden. Ich habe damals als Vorsitzender der Jungen Union Leserbriefe im Wochentakt an den Bürgermeister in Rodenbach geschrieben und alles kritisiert, was er gemacht hat. An vielen Stellen würde ich auch heute noch sagen, dass es zu Recht war, aber an einigen Stellen war es auch übertrieben.

Ihr seid beide in der Jungen Gruppe der CDU/CSU-Fraktion, was sind dort Eure Themen?

Reddig: "Ein Thema, das mir wichtig ist, ist die Frage, wie wir unsere sozialen Sicherungssysteme in Zukunft finanzieren. Man muss kein Mathematiker sein, um festzustellen, dass unsere Systeme gegen die Wand laufen, wenn wir so weiter machen. Wir werden in dieser Legislaturperiode dringend Reformen brauchen. Wenn das nicht gelingt, ist das eine massive Last für die junge Generation. Wir sind auch überzeugt, dass es eine Wehrpflicht braucht. Aber dann muss die Generation auch entsprechend entlastet werden."

Wiegelmann: "Das werden wir auch von der eigenen Parteiführung hartnäckig immer wieder einfordern. Denn wir haben einen Koalitionspartner, mit dem sich – das zeigt die Vergangenheit – soziale Sicherungssysteme nur schwer reformieren und nicht generationengerecht ausgestalten lassen. Und auch bei der Wehrpflicht stellt sich der Koalitionspartner leider quer. Mit jedem Tag, mit dem wir die Wehrpflicht nicht umsetzen, verlieren wir wertvolle Zeit, um das Land kriegstüchtig zu machen und unsere internationalen Verpflichtungen zu erfüllen."

Wie schafft ihr es, Privatleben in der Heimat und Berufsleben in Berlin zu vereinen?

Reddig: "Wir haben unseren Schwerpunkt in der Heimat und sehen Berlin als Dienstreise. Wir fahren zu den Sitzungswochen her, leben ansonsten ganz normal im Wahlkreis. Das hilft, geerdet zu bleiben. Wir machen beide viel ehrenamtlich Politik, und haben unser Hobby zum Beruf gemacht. Deshalb sehen wir das nicht als Last, aber es nimmt schon viel Freizeit ein."

Wiegelmann: "Wir achten auch beide darauf, dass wir nicht nur Politik machen. Wir gehen auch mal ein Bier trinken oder auf ein Sportevent. Aber Sport kommt ein bisschen zu kurz."

Reddig: "Johannes ist noch Mitglied des FC Bundestag, er hat aber noch gar nicht mitgespielt."

Wiegelmann: "Das ist sehr angenehm, dass man mit Kollegen zusammen Sport treibt. Leider waren meine Dienstagabende, wenn die Spiele stattfinden, bislang immer verplant. Das wird sich hoffentlich bald mal ändern. Wenn man mal Sport zusammen macht, ist das eben auch gut für das Miteinander in den Ausschüssen und im Plenum." (Moritz Pappert) +++

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