Harte und lange Debatte

46 Millionen-Defizit beim Haushalt: Kreistag stimmt knapp für Zahlenwerk

Wie geht es weiter mit den Finanzen im Landkreis Hersfeld-Rotenburg? Über den Haushalt des aktuellen Jahres wurde am Montag mehrere Stunden debattiert.
Fotos: Kevin Kunze

18.02.2025 / BAD HERSFELD - Es war eine regelrechte Mammutsitzung am Montagnachmittag im Kreistagssitzungssaal des Bad Hersfelder Landratsamts. Fast vier Stunden tagte das Parlament vor allem über den Haushalt für das aktuelle Jahr. Das angepeilte Defizit von 46 Millionen Euro (O|N berichtete) - davon 40 Millionen Euro für das Klinikum - macht das Zahlenwerk wahrscheinlich nicht genehmigungsfähig, worin sich alle mehr oder weniger einig waren, doch beim Lösungsweg unterschieden sich die Ansätze recht deutlich. Der Haushalt wurde schlussendlich mehrheitlich verabschiedet - die problematische Finanzsituation des Landkreises bleibt weiterhin stark angespannt.



Doch der Reihe nach: zu Sitzungsbeginn brachte die CDU-Fraktion einen Änderungsantrag ein, die Haushaltsdebatte auf einen späteren Zeitpunkt zu vertagen. Fraktionschef Herbert Höttl erklärte dazu: "Der Kreistag kann im Sinne einer klaren Haushaltsführung keinen Beschluss fassen, von dem schon vor der Abstimmung sicher ist, dass er mit Auszählung des Abstimmungsergebnisses Geschichte ist." Dabei verwies er auf das Schreiben des Regierungspräsidenten vom 09. Januar, in dem deutlich gemacht wurde, dass der Haushalt nicht genehmigungsfähig sei.

"Wir brauchen dringend einen verabschiedeten Haushalt. Dann muss das Regierungspräsidium (RP) auflisten, welche Dinge sie am Zahlenwerk zu beanstanden haben. Das ist der wichtigste Punkt des Jahres und duldet daher keinen Aufschub", entgegnete der SPD-Fraktionsvorsitzende Manfred Fehr. Der CDU-Antrag wurde mehrheitlich abgelehnt, weshalb es zur mehrstündigen Haushaltsdebatte kam. Die Beiträge werden in der Reihenfolge der Reden wiedergegeben.

Schwarzer Peter wird auf andere geschoben

Dabei kritisierte Herbert Höttl vor allem Landrat Torsten Warnecke (SPD): "Sie machen es wie in den vergangenen Jahren und schieben den schwarzen Peter jetzt einfach der Aufsichtsbehörde beim RP, dem Innen- oder Sozialministerium oder dem Bundesgesundheitsministerium zu. Einen Schuldigen finden sie immer - nur sie selbst haben alles richtig gemacht, ohne aber nur einen einzigen innovativen und kreativen Vorschlag gemacht zu haben." Zudem kritisierte er, dass knapp 30 neue Stellen für die Behörde eingeplant seien. "Im vorliegenden Haushaltssicherungskonzept des Landkreises sind bis zum Jahr 2028 Fehlbeträge in Höhe von circa 146 Millionen ausgewiesen. Mit dieser Finanzplanung werden Sie die Handlungsfähigkeit für künftige Entscheidungen gegen Null fahren und damit Städte und Gemeinden noch extremer belasten", so Höttl zum Ende seiner Rede.

Martina Selzer, Fraktionsvorsitzende der Grünen, erklärte in ihrer Rede: "Es ist für uns extrem schwierig, eine Position bei dieser wirtschaftlichen Situation zu haben. Die Aspekte für die katastrophale finanzielle Lage sind dabei sehr diffizil. Dass allerdings 30 neue Stellen eingeplant werden, halten wir für das falsche Signal. Zudem hat der verordnete Sparkurs, den es bereits beim letzten Jahr für das Klinikum gab, nicht gegriffen. Allerdings muss es endlich auch Reformen von Bund und dem Land geben. In dieser Form kann es einfach nicht weitergehen. Die Städte und Gemeinden können zukünftig diese enormen Belastungen nicht mehr leisten."

Dr. Kurt Gloos, AfD-Fraktionsvorsitzender erklärte ebenfalls, dass man dem Haushalt nicht zustimmen könne: "Die enormen finanziellen Leistungen für das Klinikum sind in den vergangenen Jahren extrem in die Höhe gegangen. In den vergangenen Jahren gab es Zuschüsse zwischen zehn und 15 Millionen Euro. Jetzt reden wir über 40 Millionen Euro - einem solchen Zahlenwerk können wir nicht zustimmen."

Haushaltslage ist dramatisch

Zwar bezeichnete Manfred Fehr (SPD) die Haushaltslage als "dramatisch" unterstrich aber die Bedeutung für eine Zustimmung des Haushaltes: "Wir wollen das kommunale Krankenhaus halten und auch in der Vergangenheit gab es bereits defizitäre Haushalte. Betrachtet man die anderen Kreise in Nordhessen und klammern wir die Zuwendungen für das Klinikum aus, stehen wir mit dem sechs Millionen-Defizit in der Region nicht schlecht da. Doch die gesamte Situation ist mehr als schwierig. Und die Bundes- und Landespolitik hat daran einen enormen Anteil. Wir wissen zwar, dass der Haushalt wahrscheinlich nicht genehmigungsfähig ist, dennoch gibt es keine besser Alternative, als dem Zahlenwerk zuzustimmen."

Das sah Anja Zilch von den Freien Wählern ähnlich und erklärte: "Wir werden finanziell den Gürtel noch enger schnallen, es wird einen extremen Sparkurs geben müssen. Dennoch werden wir dem vorliegenden Haushaltsentwurf zustimmen."

Keine weitere Erhöhung der Kreisumlage

Als stellvertretender Sprecher der Bürgermeister trat dann Alexander Wirth (SPD) an das Rednerpult: "Die Lage ist schwierig, allerdings werden wir eine erneute Erhöhung der Kreisumlage nicht zustimmen. Inzwischen werden wir von vielen unserer Bürger beschimpft für die Erhöhungen, die sie tragen müssen." Zudem bat der Wildecker Rathauschef den Landrat, dem Regierungspräsidenten Mark Weinmeister auszurichten, "dass es mit den 20 Bürgermeistern keine Erhöhung der Kreisumlage geben wird."

Bernd Böhle, FDP-Fraktionschef, begann sein Statement mit etwas Galgenhumor: "Und jährlich grüßt das Murmeltier." Zwar kündigte er an, dass sich seine Fraktion enthalten werde, erklärte aber dennoch: "Der eingeschlagene Weg muss fortgesetzt werden. In Wiesbaden muss die Landesregierung endlich wach werden, sonst geht das Thema immer so weiter." Der UBL-/Bürger-Herz-Fraktionsvorsitzende Tim Schneider unterstrich, dass bereits im vergangenen Jahr das Klinikum vom Kreistag gerettet wurde: "Bereits bei den letzten Haushaltsberatungen haben wir mit unserem Beschluss dem Klinikkonzern den Fortbestand gesichert. Allerdings ist bereits jetzt klar, dass die Schulden die Bürgerinnen und Bürger irgendwann mal tragen müssen."

Für Landrat Torsten Warnecke (SPD) war die Kritik der CDU und der Grünen über die Ausweisung der insgesamt 27 Stellen nicht gerechtfertigt: "Rund die Hälfte dieser Stellen sind vom Bund und Land so gewünscht, deshalb kann ich diese Interpretation nicht teilen." Zudem verteidigte er den Haushaltsentwurf: "Es ist ein sehr seriöser Haushalt, allerdings muss es uns endlich gelingen, das Klinikum finanziell wieder besser aufzustellen. Die Zukunft des Standortes ist von einer enormen Bedeutung." Des Weiteren gab es laut Warnecke von den Fraktionen wenig Kritik zum Haushalt: "In den Gesprächen hat es wenig fundamentale Beanstandungen vonseiten der Fraktionen gegeben."

Weitere Wortmeldungen von Andreas Börner, Walter Glänzer (beide CDU), Dr. Tobias Klingenberg (UBL-/Bürger-Herz) und dem Ersten Kreisbeigeordneten Dirk Noll (SPD) beschäftigten sich dann um die Verbesserung der Digitalisierung bei diversen Arbeitsprozessen. Auch über den Einsatz von Künstlicher Intelligenz wurde dabei gesprochen.

Dann kam es endlich zur Abstimmung für das Haushaltssicherungskonzept für das aktuelle Jahr: Dabei stimmten 26 Abgeordnete für das Zahlenwerk, 19 Parlamentarier stimmten mit Nein und neun Mitglieder enthielten sich ihrer Stimme. Ein ähnliches Bild gab es auch beim Haushaltsplan inklusive des Stellenplans - lediglich eine Nein-Stimme gab es weniger und dafür eine Enthaltung mehr. Damit wurde beide Tagesordnungspunkte verabschiedet. Auch die Patronats- und Garantieerklärung gegenüber des Klinikums Bad Hersfeld wurde mehrheitlich angenommen.

Zum Hintergrund: Die Patronatserklärung ist der Sammelbegriff für nach Inhalt und Umfang nicht normierte schuldrechtliche Erklärungen im Gesellschaftsrecht, wonach ein Unternehmen oder eine kommunale Gebietskörperschaft dafür sorgen will, dass eine kreditnehmende Tochtergesellschaft ihre Kreditverpflichtungen erfülle. (Quelle: Wikipedia)

Nach einigen weiteren Anfragen, Anträgen und Resolutionen war nach 220 Minuten die Sitzung beendet. Wie es nun mit dem Haushalt weitergeht, entscheidet nun das Regierungspräsidium Kassel. Bleibt es bei der vorläufigen Haushaltsführung, wie seit dem Jahresbeginn oder folgt der Landkreis weiteren Empfehlungen des RP's, um das Defizit zu minimieren. Eine erneute Erhöhung der Kreisumlage haben die Bürgermeister des Landkreises bereits eine klare Absage erteilt - es bleibt spannend! (Kevin Kunze)+++

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