Motiv völlig undurchsichtig

Nach Schüssen auf Lkw-Fahrer: Prozessauftakt gegen 44-Jährigen

Die A 7 wurde nach den Schüssen komplett gesperrt und nach Projektilen abgesucht
Archivbild: O|N/Hans-Hubertus Braune

31.10.2024 / FULDA/NIEDERAULA - Es war ein nachhaltiger Schock, unter dem der betroffenen Lkw-Fahrer bis heute leidet: Am Morgen des 23. Januar dieses Jahres war er mit seinem 40-Tonner auf der A7 Richtung Kassel unterwegs, als es kurz vor dem Rastplatz Richtgraben unvermittelt knallte. Die rechte Scheibe des Laster zerbarst, eine Kugel flog dicht vor seinem Kopf vorbei und krachte durch die linke Scheibe, die ebenfalls zerbrach. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn der Fahrer getroffen worden wäre. Am Dienstag begann am Landgericht Fulda der Prozess gegen den mutmaßlichen Schützen, einen zur Tatzeit 43-Jährigen. Dieser war am 12. Februar von der Polizei wegen Mordverdacht festgenommen worden und sitzt seither in der Fuldaer JVA in Untersuchungshaft. Schütze und Opfer kennen sich nicht. Das Motiv liegt auch nach dem ersten Verhandlungstag weiter im Dunkeln.



Dem Angeklagten legt die Staatsanwaltschaft zur Last, sich unter anderem des versuchten Mordes und des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr schuldig gemacht zu haben. Er soll am Tattag in der Gemarkung Niederaula auf der dort verlaufenden A7 aus dem Fahrertürfenster seines in einem Stau befindlichen Lkw mit einer Gasdruckpistole, die 4,5 mm-Stahlkugeln verschießt, zweimal unmittelbar hintereinander auf die
Fahrerkabine des von dem Geschädigten gesteuerten Lastzuges, der den Lkw des Angeklagten auf dem linken Fahrstreifen mit einer Geschwindigkeit von ca. 80 km/h passierte, geschossen und dabei den Tod des Geschädigten billigend in Kauf genommen haben. Das Opfer, ein 56-jähriger Berufskraftfahrer aus Zerbst in Sachsen-Anhalt war wie durch ein Wunder unverletzt geblieben und hatte trotz seines Schocks kontrolliert und besonnen reagiert. Er ging vom Gas und rief auf dem nächsten Parkplatz die Polizei.

Während der Angeklagte am Donnerstag außer Angaben zu seinen Personalien im Gericht nichts sagen wollte, berichtete der betroffene Fahrer ausführlich, wie sich die Tat aus seiner Sicht abgespielt hatte. Er war am Morgen gegen 5 Uhr von Bad Wimpfen auf der Fahrt nach Barsinghausen in Niedersachsen, um dort einen Lebensmittelmarkt mit Mehl zu beliefern. Nach einem Überholvorgang hatte er wieder auf die rechte Spur einscheren wollen. "Doch meine lieben Kollegen haben mich nicht wieder reingelassen", erklärte er. Nachdem seine Scheiben durch den Schuss zerborsten waren, setzte er einen Hilferuf per Funk ab, woraufhin die Lkw-Fahrer auf der rechten Spur ihn wieder einscheren ließen.

Der 56-Jährige berichtete, er habe erst von der Polizei erfahren, dass auf sein Fahrzeug offenbar gezielt geschossen worden war. "Da ist mir wirklich ganz anders geworden, ich musste mich übergeben". Er könne sich die Tat überhaupt nicht erklären, habe keinen Streit oder ähnliches gehabt. Bis heute leide er unter den Spätfolgen, habe regelmäßig schlimme Alpträume und mehrfach im Schlaf geschrien. In der Folge habe sich seine Partnerin von ihm getrennt, "weil ich sie im Schlaf geschlagen habe", erklärte er.

Der Prozess wird am kommenden Montag, 4. November, um 9 Uhr fortgesetzt. (Carla Ihle-Becker) +++

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