Wie beweglich ist die Stadtpolitik?
Dromos-Chef im O|N-Gespräch: Autonomes Fahren bietet historische Chance
Fotos (2): Dromos GmbH
02.05.2022 / BAD HERSFELD / MÜNCHEN - Für Doktor Martin Dürr ist es eine "Generationen-Frage": Wie will Bad Hersfeld die Mobilität in der Kreisstadt gestalten? Im Zuge des Neubaus der Schnellbahnstrecke Frankfurt am Main nach Berlin wird der Fernbahnhof in Bad Hersfeld komplett umgebaut. Dazu der geplante Neubau und die Zentralisierung der Gesundheitseinrichtungen am Klinikum Bad Hersfeld.
Dürr ist Geschäftsführer der Dromos GmbH in München. Das Unternehmen war zuletzt wegen der geänderten Firmenstruktur im Gespräch. "Wir hatten in der Dromos Technologies AG einen Gesellschafter aus Singapur, was mit der Förderung der Bundesregierung inkompatibel war, da das Bundesverkehrsministerium Bedenken hatte, dass auf diese Art deutsche Fördermittel ins Ausland abfließen könnten", sagt Dürr.
"Wie soll das funktionieren?"
Doch was genau reizt Dromos an Bad Hersfeld und was genau bedeutet "Autonomes Fahren? Viele Menschen diskutieren über den Klimawandel, die Energiewende und die Mobilität der Zukunft. Es gibt kritische Stimmen. Wie soll das funktionieren? Doch autonomes Fahren gibt es schon einige Jahren, ist also nichts Neues. Und für Dürr steht fest: "Für Bad Hersfeld ist dies eine Generationen-Frage. Ein Bahnhof wird vielleicht alle 50 oder 100 Jahre umgebaut. Jetzt kann sich Bad Hersfeld entscheiden, wie die Mobiltät der Zukunft in der Stadt und der Region aussehen soll.""Es ist also eine Chance, die sich nur einmal in einer Generation bietet"
Wir haben mit Doktor Martin Dürr auch über die sicher berechtigten und verständlichen Fragen gesprochen. Lesen Sie nachfolgend unser Interview von O|N-Reporter Hans-Hubertus Braune. Am kommenden Donnerstag berät der Haupt- und Finanzausschuss über die Thematik unter dem sperrigen Tagesordnungspunkt "Verkehrsplanung Erweiterung Klinikum/Anbindung des Werratals mit autonomen Fahrzeugen; Absichtserklärung bzw. Kooperationsvereinbarung zwischen der Stadt Bad Hersfeld und der Dromos GmbH"."Dromos baut nicht auf Luftschlössern oder Visionen"
O|N: Klimawende, Energiewende und Mobilität sind Themen, die wegen der aktuellen Herausforderungen mehr denn je in den Mittelpunkt rücken. Doch gerade in ländlichen Regionen werden neue Dinge wie autonomes Fahren kritisch beäugt. So ein wenig "kenn ich nicht, will ich nicht". Wie wollen Sie die kritischen Stimmen überzeugen?O|N: Manch einer stellt sich vor, dass die kleinen Busse zwischen Schenklengsfeld und Bad Hersfeld plötzlich mitten in der Provinz zwischen Feldern und Wiesen einfach stehen bleiben und kein Techniker weit und breit helfen kann. Wie erkennen die Fahrzeuge mögliche Hindernisse und wie reagieren dann die Fahrzeuge?
O|N: Wie sieht es mit der digitalen Technik aus? Was ist bei Funklöchern oder langsamen Internet?
Martin Dürr: "Dromos hat ein eigenes Netzwerk – schon aus Sicherheitsgründen – und damit hat die Netzabdeckung/Internet-Geschwindigkeit keinen Einfluss."
O|N: Das autonome Fahren ist sicher ein Baustein, wie stehen Sie anderen Mobilitätstechnologien gegenüber?
Martin Dürr: "Wichtig bei Mobilitätssystemen ist nicht nur die technische Seite und insbesondere deren faszinierende Zukunftsvisionen zum Beispiel bei Drohnen, sondern auch deren Praxistauglichkeit, Zuverlässigkeit und vor allem Kosteneffizienz. Öffentlicher Verkehr erfordert zum Teil dramatische Zuschüsse durch den Steuerzahler, da die Ticket-Preise die Kosten typischerweise nicht decken. Paris zum Beispiel unterstützt seine Metro jährlich mit acht Milliarden Euro, das 365 Euro Ticket kostet Nürnberg 100 Millionen Euro zusätzliche Zuschüsse nur für Nürnberg – bei zu erwartendem Fahrgastanstieg von nur drei Prozent. Die Seilbahn München nach Dachau würde 30 Millionen Euro je Kilometer kosten und so weiter. Städte/Länder/der Bund sind nicht mehr in der Lage, diese Zuschüsse zu leisten. Dromos bietet zuschussfreie, das heißt eigenwirtschaftliche Mobilität und das nachhaltig und in Privatsphäre."
"Deutschland (Europa) steht besser da, als man glaubt"
O|N: Ihr Unternehmen ist weltweit tätig. Im Vergleich: Wo stehen wir in Deutschland und wie sind ihre Erfahrungen an internationalen Standorten?O|N: Der Bürgermeister in Bad Hersfeld ist bekannt dafür, neuen Technologien offen gegenüberzustehen - und oftmals dicke Bretter bohren muss. Welche Chancen sehen Sie mit ihren Vorhaben für die Kreisstadt und die Region - insbesondere auch mit dem Ausbau der Fernbahnstrecke Frankfurt am Main nach Erfurt und Berlin und der Zusage der Bahn, dass weiterhin Fernzüge in Bad Hersfeld halten werden?
Martin Dürr: "Echte Innovation erfordert große Ideen und visionäre Ziele. Bitte nicht missverstehen, aber bestes Beispiel ist die Mondlandung im Jahr 1969. Bad Hersfeld hat die historische Chance, ein weltweit beachtetes Beispiel für eine erfolgreiche, nachhaltige und positive Verkehrswende zu werden und dem Begriff Innovation aus/in Deutschland Visibilität zu verschaffen. Das erfordert allerdings Mut und langen Atem. Beispiel ICE-Bahnhof: Der jetzt genehmigte Umbau stellt die Weichen für die nächsten 50 oder gar 100 Jahre. Es ist also eine Chance, die sich nur einmal in einer Generation bietet. Dito für den Klinikumbau. Denken Sie an die Welt, wie sie vor 50 Jahren war: kein Internet, kein Mobilfunk, keine Computer, kein Umweltschutz, keine Katalysatoren, bleihaltiges Benzin und so weiter. Wie wird die Welt in 50 Jahren sein? Sicher ganz anders. Ketzerische Frage: Wollen wir hier gestalten oder uns irgendwann in einem Museum wiederfinden? Und was werden unsere Kinder sagen, wenn wir diese Chancen nicht nutzen?" (Hans-Hubertus Braune) +++
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