Schuldzuweisungen auf allen Seiten
Differenzierte osthessische Reaktionen nach dem Ampel-Aus
Symbolbild: O|N/Moritz Bindewald
07.11.2024 / REGION / BERLIN -
Politischer Erdrutsch in Berlin! Das vorzeitige Ende der Ampel-Koalition zwischen der SPD, den Grünen und der FDP hatte sich über Monate angedeutet. Am Donnerstagabend verkündete Bundeskanzler Olaf Scholz das Aus der Bundesregierung. OSTHESSEN|NEWS hat bei eigenen politischen und wirtschaftlichen Akteuren nachgefragt.
Michael Roth, SPD-Abgeordneter seit 1998, erklärte in einer emotionalen Stellungnahme: "Das vorzeitige Aus der Ampel-Koalition schmerzt, da ich persönlich immer ein überzeugter Ampelianer war. Insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik gab es viele Kolleginnen und Kollegen der FDP, mit denen ich gerne und vertrauensvoll zusammengearbeitet habe. Christian Lindner hat in der vergangenen Woche mit seinem Wirtschaftspapier die Scheidungspapiere für die Ampel-Koalition eingereicht. Wie eine Ehe braucht auch eine funktionierende Koalition Spielregeln und gegenseitiges Vertrauen. Doch zum wiederholten Male haben die FDP und Lindner nicht fair gespielt. Alle Versuche, die von Beginn an komplizierte Dreier-Beziehung aus SPD, Grünen und FDP noch zu retten, sind gescheitert. Am Ende war der Rauswurf von Finanzminister Lindner durch den Bundeskanzler unausweichlich. Der Kanzler hat Führung gezeigt und mit seiner starken Rede Orientierung gegeben."
Steilvorlage für Nationalpopulisten
Allerdings findet der langjährige Abgeordnete auch kritische Worte und bilanziert: "Mich betrübt, dass die Ampel mit ihrer miserablen Performance in den vergangenen Monaten eine Steilvorlage für Nationalpopulisten am rechten und linken Rand geliefert hat. Statt dem dringend benötigten Konjunkturprogramm für unsere schwächelnde Wirtschaft droht mit dem Ampel-Aus nun ein Konjunkturprogramm für AfD und BSW. Auch die Anschlussfähigkeit unter den demokratischen Parteien hat zuletzt stark gelitten - ohne den Willen zu Kooperation und vernünftigen Kompromissen wird ein Land wie Deutschland unregierbar.""Auch wenn ich mir selbst ein anderes Ende der Ampel gewünscht hätte, stehen nun die Zeichen auf Neuwahlen im Frühjahr 2025. Das Timing dafür ist denkbar schlecht. Denn um uns herum brennt die Hütte: der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, die Krise im Nahen Osten, Instabilität im Osten Europas und der Wahlerfolg von Donald Trump bei den Präsidentschaftswahlen in den USA. All diese Bewährungsproben auf der internationalen Ebene verlangen nach einer handlungsfähigen Bundesregierung, die sich auf eine stabile parlamentarische Mehrheit stützen kann und ihrer Verantwortung in Europa und auf der Weltbühne nachkommt", fügt Roth weiter an. Für Michael Roth hat das vorzeitige Ampel-Aus auch Konsequenzen: "Mein Abschied aus dem Bundestag nach dann 27 Jahren wird voraussichtlich ein halbes Jahr früher stattfinden."
"Unprofessioneller Umgang des Bundeskanzlers"
Für Florian Wehner, MIT-Vorsitzender im Kreisverband Fulda und Geschäftsführer der FW Gruppe ist das Ampel-Aus überfällig: "Auch wenn sich ein Bruch der Koalition seit Monaten schon abgezeichnet hat und längst überfällig ist, kam das Ende zum gestrigen Zeitpunkt für mich überraschend. Überrascht bin ich leider nicht von dem völlig unprofessionellen Umgang unseres Bundeskanzlers und der für mich erschütternden und von kalter Arroganz strotzender Erklärung zur Entlassung von Minister Christian Lindner. Für mich war das ein abgekartetes Spiel – leider ein Trauerspiel und für unsere Industrienation absolut inakzeptabel. Christian Lindner hat nur konsequent gehandelt und einer Situation, in der es nur schlechte Entscheidungen gibt, mit seinem Vorschlag zur Neuwahl, die bessere getroffen.Awet Tesfaiesus, Bundestagsabgeordnete bei den Grünen für den Wahlkreis 169 Werra-Meißner - Hersfeld-Rotenburg erklärt: "Die Blockadehaltung von Christian Lindner ist nicht neu und überrascht auch nicht. Nach 1982 und 2017 hat die FDP wieder einmal gezeigt, dass man auf sie nicht zählen kann, wenn unser Land politische Führung braucht. Der Kanzler hat leider viel zu spät Haltung bewiesen. Millionen Menschen haben einen Anspruch darauf, dass dieser Staat funktioniert. Deshalb stellen wir Grünen uns der Verantwortung. Ich persönlich würde mir wünschen, dass sich nun Mehrheiten für eine soziale und klimagerechte Politik finden, insbesondere für ein Klimageld, damit die ökologische Transformation sozial gerecht stattfinden kann."
Schneller Politikwechsel ist nun wichtig
Der Fuldaer Landrat Bernd Woide (CDU) begrüßt das Ende der Bundesregierung und erklärt in einer kurzen Stellungnahme: "Die Beendigung der Ampel-Koalition ist aus meiner Sicht folgerichtig und konsequent. So konnte es nicht mehr weitergehen, es gab keinerlei Akzeptanz mehr in großen Teilen der Bevölkerung. Wir brauchen nun möglichst schnell eine neue Bundesregierung mit einem schnellen und grundsätzlichen Politikwechsel." (Kevin Kunze)+++
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