5. Jahrestag des Lübcke-Mordes

Bundespräsident Steinmeier in Kassel - Erinnerung an CDU-Politiker lebt weiter

Bei der Trauerfeier für Dr. Walter Lübcke in der Kasseler Martinskirche.
Fotos: O|N-Archiv / Urbin / Braune / Engel / Göbel

02.06.2024 / REGION - Vor fünf Jahren geschah, was man bis dahin in unserem Land kaum für möglich gehalten hätte: Ein Politiker wird erschossen. Dr. Walter Lübcke, damals Regierungspräsident im Regierungspräsidium Kassel, wurde auf der Terrasse seines Wohnhauses im nordhessischen Wolfhagen (Landkreis Kassel) von Rechtsextremist Stephan Ernst tödlich getroffen. Am 2. Juni wird unter anderem in der Kasseler Martinskirche gedacht. Dort wird auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) sprechen. Das hr-fernsehen überträgt die Veranstaltung ab 10.30 Uhr live in einem "hessenschau extra".



"Mit seinem beherzten Eintreten für demokratische Werte, die Achtung der Menschenwürde und für geflüchtete Menschen wurde der Christdemokrat zur Zielscheibe von Hass und Hetze, insbesondere in rechtsextremistischen Teilen dieser Gesellschaft, die gegen Geflüchtete und politisch Verantwortliche Stimmung machen", so die Initiative "Offen für Vielfalt – Geschlossen gegen Ausgrenzung", die in Nordhessen rund 40 Kooperationspartner unter ihrem Dach vereint.

Bedrohung auch heute spürbar

Diese Stimmung sei bis heute spürbar, und die Bedrohung durch rechte Gewalt und Demokratiefeinde sei so präsent wie vielleicht noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik. "Dies zeigen auch die Enthüllungen um Deportationspläne zu Beginn des Jahres. Mut machen hingegen die vielen anhaltenden Demonstrationen auch in den Orten in Nord- und Osthessen, bei denen tausende Bürgerinnen und Bürger Flagge zeigen gegen Extremismus und Menschenfeindlichkeit. Die Demonstrierenden lösen damit genau das ein, was Walter Lübcke 2015 im Lohfeldener Bürgerhaus eingefordert hat: "Es lohnt sich, in unserem Land zu leben. Da muss man für Werte eintreten", heißt es in einer Pressemitteilung der Initiative.

In der Kasseler Martinskirche, an dem vor fünf Jahren der Trauerakt für Walter Lübcke stattfand, erinnern seitdem jedes Jahr am 2. Juni das Regierungspräsidium Kassel und die Demokratie-Initiative zusammen mit der Evangelischen Kirchengemeinde Kassel-Mitte an den ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten. Dazu läutet unter anderem die Osanna-Glocke der Kirche - im Gedenken an ihn und an alle Opfer politischen Terrors in Deutschland. Die diesjährige Gedenkfeier um 10.30 Uhr bekommt einen besonderen Rahmen: "Wir sind sehr dankbar und es bedeutet uns viel, dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Einladung angenommen hat und als Ehrengast die Gedenkansprache in Kassel halten wird", so die Initiatoren.

Unmittelbar nach der Ermordung Walter Lübckes hatte Bundespräsident Steinmeier erklärt: "Es muss uns beschämen und darf uns auch nicht in Ruhe lassen, dass wir Walter Lübcke nicht schützen konnten. Wir dürfen die Gefahr eines Terrorismus von rechts niemals wieder unterschätzen. Eine Gefahr ist aber nicht nur der rechtsextreme Gewalttäter, der den Finger am Abzug hat, sondern ein Klima oder Netzwerke, in denen sich Menschen zu solchen Taten legitimiert oder gar ermutigt fühlen." In einem Debattenforum im Schloss Bellevue zu Zustand und Zukunft unserer Demokratie forderte der Bundespräsident unlängst zu gemeinsamen Kraftanstrengungen für die Demokratie auf: "In einer Zeit, in der die demokratische Ordnung nicht mehr von allen als selbstverständlich hingenommen wird, in der die erklärten Gegner an Zustimmung gewinnen, muss die Formel von der wehrhaften Demokratie mehr sein als nur ein Lippenbekenntnis."

Rhein: "Sein Tod ist und bleibt ein schmerzhafter Verlust"

"Walter Lübcke musste für sein Eintreten für Demokratie und Meinungsfreiheit und für seine Entschlossenheit gegenüber menschenverachtenden Äußerungen mit seinem Leben bezahlen", sagte der Regierungschef und ergänzte: "Sein Tod ist und bleibt ein schmerzhafter Verlust für uns alle und ganz besonders seine Familie. Der Mord an Dr. Walter Lübcke ist Mahnung und dauerhafter Auftrag zugleich, dass wir mit aller Entschlossenheit gegen Hass, Hetze und Extremismus vorgehen", so Ministerpräsident Boris Rhein (CDU).

"Unsere freie und offene Art zu leben, ist unter Druck. Von außen wie von innen", sagte der Ministerpräsident und ergänzte, dass Demokratie keine Selbstverständlichkeit und nicht auf Ewigkeit garantiert sei. "Sie verlangt Wachsamkeit. Sie erlaubt keinen Rückzug, keine Gleichgültigkeit. Demokratie braucht Einmischung, braucht Menschen, die sich aktiv einbringen; Menschen mit Mut und Haltung, die bereit sind, für unsere Werte einzutreten und zu streiten." Ein solcher Mensch mit Mut und Haltung sei auch der vor fünf Jahren ermordete Kasseler Regierungspräsident Dr. Walter Lübcke gewesen. Rhein wird bei der Gedenkfeier in Kassel sprechen.

Weinmeister: "Feige rechtsextremistische Mordtat"

"Dr. Walter Lübcke war ein hochgeachteter, in seiner Behörde und der ganzen Region beliebter und im besten Sinne nahbarer Regierungspräsident. Sein Verlust durch die feige rechtsextremistische Mordtat hat die ganze Republik erschüttert und schmerzt nach wie vor tief. Wir werden uns im Regierungspräsidium weiter dafür einsetzen, dass Hass und Hetze keinen Platz in unserer Gesellschaft haben. Hierauf verpflichtet uns das Andenken an Walter Lübcke", sagt der amtierende Kasseler Regierungspräsident Mark Weinmeister (CDU).

"Kassel und die Region stehen für Demokratie und Vielfalt. Mit der breiten Beteiligung von ganz unterschiedlichen Bürgerinnen und Bürgern an der Gedenkfeier werden vielfältige Meinungen, Interessen und Ideen abgebildet – und damit auch die repräsentative Demokratie gestärkt. So erinnern wir nicht nur an einen aufrechten Demokraten, sondern halten auch sein Vermächtnis in Ehren", fügt Michael Sasse von "Offen für Vielfalt" hinzu.

Wallmann: "Zunahme der Gewalt gegenüber Politikerinnen und Politikern"

"Couragiert hat Dr. Walter Lübcke die Werte der Demokratie verteidigt. Dafür wurde er angefeindet, bedroht und am Ende sogar ermordet. Die brutale Tat lässt uns bis heute fassungslos zurück. Doch leider müssen wir beobachten, dass sich das Klima in unserer Gesellschaft seit der Tat nicht spürbar verändert hat. Ganz im Gegenteil: In den vergangenen Jahren verzeichnen wir eine Zunahme der Gewalt auch gegenüber Politikerinnen und Politikern"", so die Hessische Landtagspräsidentin Astrid Wallmann (CDU), die an der zentralen Gedenkfeier in der Martinskirche teilnehmen wird.

Dabei sei jeder einzelne Fall "ein Alarmsignal und Weckruf für die gesamte Gesellschaft", so Wallmann. "Was passiert, wenn aus Worten Taten werden, das zeigt auch und gerade der Mord an Dr. Walter Lübcke auf besonders schreckliche Art und Weise. Jede und jeder Einzelne ist deshalb aufgerufen, öffentlich Haltung zu zeigen und für die grundlegenden Werte unserer Demokratie einzustehen. Demokratie lebt vom Mitmachen. Das Engagement der Menschen in unserem Land ist die Basis unserer Freiheit. Dort, wo Menschen sich aus Angst zurückziehen und nicht mehr für die Gesellschaft einsetzen, ist unsere Demokratie bedroht. Dr. Walter Lübcke handelte mutig und entschlossen für die Demokratie. Vorbilder wie ihn braucht es heutzutage mehr denn je. An seinem Todestag denken wir erneut an ihn und an seine Familie und Angehörigen", erklärte die Landtagspräsidentin.

Auch Wiebke Knell, FDP-Fraktionsvorsitzende im Hessischen Landtag, äußert sich zum Todestag Walter Lübckes: "Der brutale Mord am Kasseler Regierungspräsidenten hat ganz Hessen erschüttert und macht uns auch heute noch fassungslos. Mit Walter Lübcke haben wir einen engagierten Demokraten verloren, der immer für seine Überzeugungen und Werte einstand und sich für andere einsetzte. Der Angriff auf Walter Lübcke war ein Angriff auf unsere Demokratie und unsere gesamte demokratische Gesellschaft." Knell weiter: "Der politische Diskurs verroht, verfassungsfeindliche Parolen werden auf sozialen Medien geteilt und auch im realen Leben gegrölt. Wir erleben auch, wie aus Worten Taten werden können, beispielsweise wenn politisch engagierte Menschen angegriffen werden. Es ist unser aller Aufgabe, Extremismus entschlossen entgegenzutreten und uns gegen Hass und Hetze zu positionieren – egal ob auf der Straße oder im Netz."

Wagner (Grüne): "Anschlag auf die Demokratie"

Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Hessischen Landtag, Mathias Wagner, sagt: "Wir alle - politisch Handelnde wie Bürgerinnen und Bürger - sind gefordert, der Verrohung der Diskussionskultur in unserem Land entschieden entgegenzutreten. Hass ist keine Meinung. Gewalt ist immer abzulehnen. Hetze und Anfeindungen sind das schleichende Gift, das unsere Demokratie zerstört. Wir sind in diesen Tagen mit unseren Gedanken bei der Familie und den Angehörigen. Ihnen wurde gewaltsam ein geliebter Mensch genommen. Uns allen fehlt der Politiker, Kollege und Mensch Walter Lübcke.  Der Anschlag auf ihn war auch ein Anschlag auf unsere Demokratie. Es war der erste rechtsextremistische Mord an einem Politiker nach dem zweiten Weltkrieg. Die Morde des NSU, der Anschlag von Hanau und viele weitere Verbrechen zeigen: unsere Demokratie ist bedroht", so Wagner.

Demokratische Werte

Pfarrer Dr. Willi Temme, Evangelische Kirchengemeinde Kassel-Mitte: "Die Erinnerung an den rechtsextremistischen Mord an Walter Lübcke geht unsere ganze Gesellschaft an. Sein politisches Wirken hatte der Regierungspräsident unseren demokratischen Werten verschrieben, für die er leidenschaftlich eingetreten ist. Schon am ersten Jahrestag seines Todes hat die große Osanna-Glocke zum Gedenken gerufen. Ich freue mich sehr und bin dankbar, dass in diesem Jahr Bundespräsident Walter Steinmeier in der Martinskirche zu uns sprechen wird."

Die einstündige Gedenkfeier wird geistliche Elemente enthalten und von Schülerinnen und Schülern der Walter-Lübcke-Schule aus Wolfhagen (Landkreis Kassel) und dem Chor der Kantorei St. Martin mitgestaltet.  Zudem tritt die "Banda Communale" aus Dresden auf. Sie wird im Anschluss an die Gedenkfeier ein öffentliches, kostenfreies Konzert vor der Martinskirche geben. Das Demokratiefest findet mit Unterstützung der Hessischen Landesregierung und unter der Schirmherrschaft des Hessischen Ministerpräsidenten Boris Rhein (CDU) statt.

Stephan Ernst, der bei einem mehrere Wochen dauernden Prozess am Frankfurter Oberlandesgericht wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, muss nun seine Strafe verbüßen - inklusive möglicher Sicherheitsverwahrung im Anschluss. Die Erinnerung an Dr: Walter Lübcke, der als Regierungspräsident in NordOsthessen beliebt war, bleibt auch fünf Jahre nach der grausamen Tat lebendig. (cdg) +++

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