"Bis der Normale sagt, er ist behindert'"

Eine ganz persönliche Erfolgsstory - Thomas Ziert: "Ich bin anders"

Veit Küllmer und Thomas Ziert sind glücklich, dass sich ihre Wege gekreuzt haben. Die zwei sind ein gutes Team
Fotos: Arnulf Müller

24.12.2019 / FULDA - "Der Behinderte ist so lange normal, bis der Normale ihm sagt, er ist behindert": Dieses Zitat von antonius-Geschäftsführer Rainer Sippel hat Veit Küllmer, Geschäftsführer der Heinrich Küllmer GmbH & Co. KG Straßenbau beschäftigt. Schon im ersten Jahr der Gründung stieß Küllmer zum Unternehmensnetzwerk Perspektiva: "Ich war von der Idee und dem Konzept überzeugt. Es war auch immer schon meine persönliche Einstellung, dass man sich um die Schwächeren der Gesellschaft zu kümmern hat."



Für Veit Küllmer ist es zur Lebensaufgabe geworden, jeden Menschen so zu akzeptieren wie er ist und allen eine Chance zu geben. Genau aus diesem Grund haben sich auch vor zwölf Jahren die Wege von Thomas Ziert und Küllmer gekreuzt. Dank Perspektiva und der Offenheit des Unternehmers kann der 34-Jährige aus Tann trotz seiner Lernschwäche seine ganz persönliche Erfolgsgeschichte erzählen: Jetzt steht er mit beiden Beinen mitten im Leben. 

"In Bad Homburg im Berufsbildungswerk wurde mir gesagt: 'Sie werden die theoretische Prüfung nicht packen!' Da haben meine Eltern entschieden, dass ich zurückkomme. So kam ich zu Perspektiva auf den Theresienhof", sagt Ziert. Im Frühjahr 2007 fing Ziert im Unternehmen Küllmer an: "Wir haben uns relativ schnell dazu entschieden, ihn zu übernehmen... weil's ein feiner Kerl ist", so Veit Küllmer. 

"Die Sache von einer anderen Seite sehen"

Nach wie vor ist der Unternehmer der Meinung, dass der erste Eindruck einer Person entscheidend ist. "Allerdings lernt man bei Perspektiva, die Sache von einer anderen Seite zu betrachten und auf andere Werte zu schauen." Küllmer selbst hat seine Mitarbeiter für Menschen mit Handicap sensibilisiert. "Thomas hat am Anfang einfachste Bauhelfer-Tätigkeiten ausgeführt, wie das Einsanden und den Transport von Pflastersteinen. Heute können wir ihn noch besser einsetzen. Er hat sich sehr gut weiterentwickelt." Vor allem für Ziert war der Anfang schwer: "Ich musste mich erst einmal an das regelmäßige Arbeiten gewöhnen. Die Umstellung war nicht ganz einfach. Die Arbeit war auch körperlich anstrengend."

Inzwischen übernimmt Ziert verantwortungsvolle Aufgaben wie Tätigkeiten mit dem Bagger. Vom Asphaltieren bis hin zum Setzen von Bordsteinen und dem Pflastern: Ziert deckt ein breites Aufgabengebiet im Straßenbau ab. "Es gibt natürlich auch mal den ein oder anderen, der sich negativ äußert. Aber Thomas ist wortstark und wortgewandt. Das kriegt er dann auch selbst geregelt. Ein schöne Geschichte: Thomas war bei einer Baustellenabnahme dabei und es wurde etwas bemängelt. Da hat er sich vor den Bauherren gestellt und gesagt: 'Sie wissen schon: Ich bin anders als die anderen und ich hab das gemacht! Was gefällt Ihnen nicht?' Damit war die Sache okay. Das ist das Schöne: Er steht zu sich, zu seinen Stärken und Schwächen. Wobei er kaum Schwächen hat", lobt Küllmer seinen langjährigen Mitarbeiter, mit dem er auf einer Wellenlänge ist. Der 34-Jährige fügte hinzu: "Manchmal sind andere schneller. Aber das kann ich nicht ändern, das ist halt so verankert. Das muss man so hinnehmen. Ich hab‘ damit abgeschlossen."

"Perspektiva: Eine Riesenchance"

"Man muss den Jugendlichen und auch deren Eltern sagen, dass Perspektiva eine riesige Chance ist. Für viele sogar die letzte. Wer das verbockt, wandert im System irgendwohin, wo er nicht landen möchte. Thomas hat's kapiert und seine Chance gut genutzt", so Küllmer. Es müsse sich wieder mehr auf die Kernaufgabe konzentriert werden: Und zwar auf die Jugendlichen, die für den ersten Arbeitsmarkt zu schwach sind, aber für eine Organisation wie antonius zu stark. "Wenn man sich Thomas Erfolgsgeschichte anschaut, wie er begonnen hat und wie selbstsicher er heute da sitzt: Früher hat er keinen Ton rausgekriegt, saß hier mit einem roten Kopf und hat mich angeschaut. Heute können wir kommunizieren, er hat seinen Führerschein, seine eigene Wohnung – besser geht's nicht." Ohne Perspektiva wäre für Thomas Ziert ein selbstbestimmtes und selbstständiges Leben wohl kaum möglich gewesen. (jul) +++

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