O|N im Hochwassergebiet (1)

Weihnachten für die Menschen im Ahrtal – "Es ist einfach überwältigend"

Claudia Wawerzinek zauberte den Menschen im Ahrtal gemeinsam mit der Hilfe von vielen freiwilligen Helfern ein Lächeln ins Gesicht.
Fotos: Carina Jirsch

30.11.2021 / AHRTAL - Unbewohnbare Häuser, leere Gassen und vor allem Menschen, die vom Hochwasserereignis im Sommer schwer gezeichnet sind: Es ist wirklich erschütternd, wie es den Bewohnern des Ahrtals auch über vier Monate nach der Flutkatastrophe ergeht. Viele Menschen können sich erst seit kurzer Zeit wieder über fließendes Wasser und Strom freuen. OSTHESSEN|NEWS hat sich gemeinsam mit Helfern aus der Region Osthessen und dem Main-Kinzig-Kreis auf den Weg nach Ahrweiler gemacht, um den Opfern der Flutkatastrophe mit Plätzchen, Christstollen und einer kleinen Bescherung in diesen Zeiten wenigstens ein bisschen vorweihnachtliches Gefühl zu schenken.



Es ist ein kalter Morgen, an dem sich meine Kollegin und ich gemeinsam mit den Helfern aus der Region auf den Weg ins Ahrtal machen. Unser Wagen sowie der Anhänger sind bis unters Dach mit Geschenken gefüllt. "Ich hätte niemals damit gerechnet, dass sich so viele Helfer melden. Man merkt, wie sehr die Menschen helfen wollen. Das ist so ein tolles Gefühl", freut sich Claudia Wawerzinek. Die Bad-Brückenauerin hatte sich bereits im November in der O|N-Redaktion gemeldet: "Ich möchte den Menschen in den Hochwassergebieten eine Freude bereiten, Plätzchen und Christstollen verteilen und dort ein bisschen Advent werden lassen". Aus dem Aufruf nach Gebäck wurde schließlich eine Riesen-Bescherung. "So viele Menschen haben Geschenke gebracht, sowohl für Kinder, als auch für Erwachsene. Von selbstgestrickten Socken über Seifen und Handtücher bis hin zu Spielzeug ist da alles dabei. Mit so vielen Spenden hätte ich niemals gerechnet. Es ist einfach überwältigend", so Wawerzinek.

Nach rund drei Stunden Fahrt erreichen wir die 130.000 Einwohnerstadt. Bereits bei der Anfahrt werden wir mit dem Anblick der zerstörten Landschaft konfrontiert. Bäume liegen umgestürzt im Bereich der Ahr, ein Straßenabschnitt wurde von den Wassermassen komplett weggespült. Diese kahle, braune Fläche entlang der Ahr nannten viele Menschen vor wenigen Monaten noch ihr Zuhause. Die Aufräumarbeiten sind überall in vollem Gange.

Etwas weniger bedrückend ist die Stimmung bei unserer Ankunft auf dem Marktplatz – die Caravan Big Band aus Schlüchtern stimmt sich bereits musikalisch ein und es dauert nicht lange, bis sich eine Menschenmenge um den Tisch voller Stollen, Plätzchen und festlich verpackter Pakete versammelt. Viele Bewohner haben durch die Fluten alles verloren – manche "nur" ihr Hab und Gut, andere ihr ganzes Zuhause oder geliebte Menschen. Besonders bei den Kleinen sorgt die Bescherung für strahlende Kinderaugen. Einige Menschen sind zu Tränen gerührt.

Ausgestorbene Gassen und leere Häuser

Läuft man durch die Straßen von Ahrweiler, so sind die Spuren des Hochwassers deutlich erkennbar – Restaurants und Kneipen haben geschlossen, die zerstörten Gebäude sind noch immer von Schlamm bedeckt. Nach Leben in den Häusern und nach bewohnten Gassen sucht man hier vergebens. Überall hört man das Brummen der Heizlüfter. An allen Enden wird gewerkelt, die Haustüren sind mit den Handynummern der ehemaligen Bewohner versehen. Beim Erkunden der Stadt fallen uns viele aufmunternde Worte an den Fassaden ins Auge: Auch wenn die Menschen hier nahezu alles verloren haben - Mut und Stärke sicherlich nicht. Nicht nur die zahlreichen Häuser, Wohnungen und Gaststätten sind vom Hochwasser gezeichnet - besonders sind es die Menschen, die diesen Ort einst ihr Zuhause nannten.

Zudem erfahren wir, dass auch Bürgerinnen und Bürger aus Schwarzenfels im Main-Kinzig-Kreis etwas Großes auf die Beine gestellt haben. Ehrenamtliche haben sich dazu entschlossen, den normalerweise anfallenden Arbeitseinsatz beim Weihnachtsmarkt als Hilfseinsatz für die Menschen im Ahrtal zu nutzen. Ebenfalls am ersten Adventswochenende ging es deshalb für viele Helfer Richtung Ahrtal. Unterstützt wurden sowohl die Schwarzenfelser als auch die Caravan Big-Band vom Reisedienst Kimmel, der die Helferinnen und Helfer in großer Zahl per Reisebus an diesem Tag unentgeltlich ins Ahrtal gebracht hat.

Auch wenn das Fest erst in rund vier Wochen bevorsteht – mit der Welle an Hilfsbereitschaft, die wir an diesem Tag erfahren durften, fühlt es sich fast jetzt schon ein bisschen wie Weihnachten an. Bereits auf der Rückfahrt im Auto erreichen Claudia warme Dankesworte. Mit einem Schmunzeln und sympathischer Bescheidenheit ist sie von jeder einzelnen Nachricht tief berührt. Sie und ihr Mann freuen sich nach den aufregenden Stunden im Ahrtal auf ein wohlverdientes Glas Rotwein in den eigenen vier Wänden - denn die wissen sie nach den Erlebnissen des Tages umso mehr zu schätzen. Und nach solch einer herzerwärmenden Aktion kann nun auch bei den Betroffenen der Flutkatastrophe hoffentlich ein klein bisschen Vorweihnachtsstimmung einkehren. (Lea Hohmann) +++

https://osthessen-news.de/n11659001/bilder-sagen-mehr-als-worte-weihnachten-fuer-die-menschen-im-ahrtal.html

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