23.10.2010 / HÜNFELD - Ein "großartiger Mensch und Künstler" ist heute in Hünfeld im Kreis Fulda mit zwei ungewöhnlichen Feiern - passend zu seiner Individualität - geehrt worden: Professor Jürgen Blum, bildender Künstler und Kunstprofessor, Gründer des Museums Modern Art in Hünfeld, jahrzehntelang Pionier für künstlerischen Aufbruch in der Region und Förderer von hunderten Künstlerkollegen wurde heute 80. Jahre. Bei der ersten Feier im Hünfelder Rathaus verlieh Bürgermeister Dr. Fennel dem "steten Avantgardisten" die Ehrenmedaille der Stadt, es gab eine Laudatio und den erheiternden Dialog zweier Freunde von Jürgen Blum über besondere Erlebnisse mit ihm. Bei der zweiten Feier Im Museum am Abend sollte - so wünschte es sich der 80-Jährige - "kein Gedöns" stattfinden und deshalb standen hier persönliche Gratulation und Gespräche im Mittelpunkt. Sehen Sie dazu auch eine ausführliche EXTRA-Bilderserie mit dem Link http://osthessennews.de/beitrag_G.php?id=1188984 und dem Titel: "Leben für die Kunst: Jürgen BLUM wurde 80 - Feier im Museum - BILDERSERIE". sonett für jürgen blum "ich möchte ihn mit sokrates vergleichen der auf dem markt die schöne kunst ergründet ein wissen das in wenig zeichen mündet geeignet junge menschen zu erreichen nun sich das achzigste der Jahre ründet ließ jürgen nie von ungeist sich erweichen er hat sie weit verbreitet diese zeichen in ost und west wird ruhm für blum verkündet hünfeld die stadt die zuse hoch verehrt hat auch die künste noch mit rang und namen pflegt poesie im raume unbeschwert nur jürgen weiß woher die dichter kamen er aber hat den lorbeer nie begehrt er setzt uns allen seinen goldnen rahmen" Mit diesem Sonett ehrte Eugen Gomringer heute seinen langjährigen Weggefährten und Künstlerkollegen Jürgen Blum in dessen „Wohnzimmer“, dem Museum Modern Art in Hünfeld, in dem sich über hundert Geburtstagsgäste um den seit heute 80-Jährigen drängten. Vergnügt und fröhlich wie immer nahm der so Geehrte all die Glückwünsche, Dankadressen und Lobeshymnen entgegen und ließ sich in aller Bescheidenheit feiern. „Wir wollen heute ein kleines Fest ohne viel Gedöns feiern – wie Jürgen Blum es sich wörtlich gewünscht hat“, eröffnete Hünfeld Erste Stadträtin Monika Mihm die Geburtstagsfeier im Museum. An den Wänden im Untergeschoss hingen heute keine konstruktiven Kunstwerke, sondern großformatige Fotografien aus dem Leben des Künstlers. "Er verschenkt täglich sich und seine Ideen" Ebenfalls mit großem Bahnhof hatte Blum am Nachmittag die Ehrenmedaille der Stadt Hünfeld im Rathaus von Bürgermeister Dr. Eberhard Fennel entgegengenommen, der vom "grenzenlosen Enthusiasmus Blums für die Kunst" sprach. Es bestehe seit Jahren eine "intensive und fruchtbare Zusammenarbeit" mit dem Künstler und der Stadt Hünfeld, denn in keiner anderen Stadt sei Jürgen Blum so präsent. Dabei verwies Fennel besonders auf das "Offene Buch" mit Texten an 150 Häusern in der Haunestadt und die Kontakte mit vielen internationalen Künstlern. Wörtlich sagte Fennel: "Er ist ein Mensch, der in seiner KUnst und für seine Kunst lebt und dafüt mit an Selbstaufopferung grenzendem Einsatz arbeitet". Eigentlich wollte die Stadt Blums künstlerisches Wirken bereits beim Hessentag 2000 würdigen - doch damals wollte er nicht. Jetzt zum 80. Geburtstag hatte er nichts mehr dagegen und meinte lakonisch: "Wenn man geehrt wird, ist man alt. Jetzt bin ich alt - und da habe ich kein Problem mehr damit". In einem launigen Dialog charakterisierten Blums Freunde Charly Möller und Heinz Kasper den Geehrten und gaben manche Anekdote zum Besten. „Er macht seine Arbeit, erwartet aber nichts. Das macht ihn über alles für die Gesellschaft wertvoll, doch für deren größten Teil wertlos – ja vielleicht belächelnswert: Er verschenkt täglich sich und seine Ideen – was die meisten falsch verstehen, die nach dem Motto reagieren, was nichts kostet, ist auch nichts wert“. Sie wünschten sich, dass Blum einst in einem Sarg liege, dessen Bretter aus Bäumen geschnitten seien, die HEUTE erst gepflanzt würden - dass der Künstler also mindestens ein Baumleben lang da bleibe. "Das größte Buch der Welt" - an 150 Hauswänden Die Kunstwissenschaftlerin und Expertin für konstruktive und konkrete Kunst, Dr. Ingrid Adler zeichnete in ihrer Laudatio die Lebens- und Kunst-Stationen Blums nach: von seiner unfreiwilligen Emigration von Polen nach Hessen 1974 über seine Spuren in Kloster Cornberg, Schloss Rittershain, in den Volkshochschulen Hünfeld, Fulda, Bad Salzschlirf, Bad Hersfeld und Eschwege und der Kunststation Kleinsassen. Es sei gar nicht möglich, die große Zahl der von ihm initiierten Projekte einzeln aufzuführen, sagte Dr. Adler. Eine herausragende Stellung nimmt dabei das Museum Modern Art in Hünfeld, Blum stetiges Engagement für Künstler der Gegenwart und das einmalige urbane Kunstwerk „Das offene Buch“ ein. „Mit diesem im Jahr 1999 begonnenen Projekt hat Jürgen Blum seiner kleinen hessischen Stadt nun auch noch das größte Buch der Welt geschenkt, das er - bis heute selbst auf dem Gerüst stehend – an mittlerweile 150 Hauswände angebracht hat.“ Die Hausbesitzer fragen mittlerweile von selbst bei ihm an, ob sich ihre Fassade nicht auch für den Lyrikschmuck eignet und sind stolz, wenn ihre Hauswand durch Jürgen Blums konkrete Poesie geadelt wird. Wie Gomringer würdigte auch Dr. Adler Blums besonderes Talent, komplexe künstlerische Ideen überzeugend und verständlich zu formulieren: „Er ist einer der tatkräftigsten Pioniere der Kunstvermittlung überhaupt.“ In seinem künstlerischem Handeln, seinem pädagogischen wie psychologischen Wirken am Menschen sei Blum einmalig: ein Solitär und Avantgardist, dem man zu großem Dank verpflichtet sei, schloss die Laudatorin. Kunst als Erfahrung für tausende Menschen Auch der Fuldaer Kreistagsvorsitzende Franz Rupprecht betonte die großartige Fähigkeit des Jubilars, Kunstverstand zu vermitteln: „Er hat uns die Augen dafür geöffnet, was Kunst ist, wie wir ihr begegnen sollen und was sie uns geben kann.“ Seine Kleinsassener Kunstwochen waren Kunstschau, Happening, Jahrmarkt und Volksfest zugleich, die tausenden von Besuchern ermöglichten, Kunst zu erfahren, ohne die Hemmschwelle von Galerien und Ausstellungen überschreiten zu müssen. Blum bringe bis heute seine Ideen und seine Kraft in die künstlerische Entwicklung der Region ein. Er sei sicher, mit einem hohen Alter gesegnet zu werden, dankte Jürgen Blum seinen Gratulanten und Gästen, denn auch seine Großeltern und Eltern seien über 90 geworden. Seine Großmutter aber sei nicht etwa an Alterschwäche gestorben, sondern in der Nachkriegszeit an Hunger. Hünfeld darf sich glücklich schätzen, einen solchen Künstler und sein Werk beheimaten zu dürfen, dem hoffentlich noch viele gesunde Schaffensjahre bevorstehen. (Carla Ihle-Becker) +++

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