"Menschlichkeit, Erinnerung, Verantwortung"

Elf Stolpersteine erinnern an jüdische Mitbürger: "Ihr gehört zu uns"

In Heringen (Werra) wurden elf Stolpersteine zur Erinnerung an die jüdischen Mitbürger verlegt
Fotos: Philipp Apel

04.12.2025 / HERINGEN (WERRA) - "Wir stehen an der Seite derer, die man einst entrechtete und auslöschte. Und wir sagen: Ihr gehört zu uns. Wir vergessen euch nicht", erklärte Bürgermeister Daniel Iliev während einer Gedenkstunde in Heringen (Werra). An der Ecke Pfarrstraße/Wehrbunnen wurden vor wenigen Tagen elf Stolpersteine verlegt.



Die quadratischen Steine erinnern an die jüdischen Mitbürger von Heringen (Werra) im Landkreis Hersfeld-Rotenburg. Der bekannte Künstler Gunter Demnig setzte die Stolpersteine in den Gehweg.

"Die Familien Bacharach und Dessauer waren ein Teil dieser Stadt, ein Teil unserer Gemeinschaft. Doch sie wurden entrechtet, ausgegrenzt, verfolgt und schließlich ermordet – einzig, weil sie Juden waren. Ihre Häuser wurden leer, ihre Namen verschwanden aus den Adressbüchern, ihre Spuren verwischten – so wie es die Täter beabsichtigt hatten. Heute machen wir das Gegenteil: Wir geben diesen Menschen ihren Platz zurück! Wir sprechen ihre Namen laut aus. Wir beugen uns hinab, um zu lesen, wer sie waren – und stehen dabei zugleich aufrecht für das, was unsere Gemeinschaft ausmacht: Menschlichkeit, Erinnerung, Verantwortung", sagte Iliev in seiner Rede.

Schüler tragen Biografien der jüdischen Mitbürger vor

Der Hessische Minister für Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur, Timon Gremmels (SPD) war ebenfalls nach Heringen (Werra) gekommen: "Wir versammeln uns nicht nur zum Gedenken, sondern auch, um eine Verantwortung zu übernehmen." Gremmels erklärte weiter: "Auch heute erleben wir, rechtsextreme Kräfte wieder erstarken, dass Ausgrenzung und vor allem Antisemitismus wieder mit erschreckender Offenheit auftreten. Deshalb ist Erinnerung keine bloße Rückschau. Sie ist demokratischer Selbstschutz."

Schüler der Werratalschule, Auszubildende der Stadt und ehemalige Schüler der Stolpersteine-AG trugen die Biografien der jüdischen Einwohner vor. "Es war eine bewegende und denkwürdige Veranstaltung, die uns einmal mehr daran erinnert, wie wichtig das Erinnern und das aktive Eintreten für Menschlichkeit und Demokratie ist", schrieb die Schule auf ihrer Instagram-Seite.

Bürgermeister Iliev ging auf die Bedeutung der Stolperstein ein: "Jeder Stolperstein bedeutet: Dass wir nicht wegsehen. Dass wir nicht vergessen. Dass wir uns weigern, die Geschichte in Schweigen versinken zu lassen.
Es liegt an uns, diese Erinnerung lebendig zu halten. Nicht aus Schuld, sondern aus Verantwortung. Nicht, weil wir die Vergangenheit ändern könnten, sondern weil wir die Zukunft prägen müssen. Wenn heute Schülerinnen und Schüler, junge und ältere Menschen gemeinsam hier stehen, dann zeigt das: Erinnerung gehört uns allen. Und sie wächst, wenn wir sie weitergeben. Möge jeder Schritt über diese Steine uns daran erinnern, wie verletzlich Menschlichkeit ist – und wie wichtig es ist, für sie einzustehen. Möge jeder Blick auf die Namen der Familien Bacharach und Dessauer ein stilles Versprechen sein: Dass sie nie wieder unsichtbar werden. Dass ihre Geschichten in unserer Stadt weitergehen. Und dass wir alles daransetzen, dass sich solche Verbrechen niemals wiederholen." (hhb) +++

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