Gedenkfeier für Bombenopfer von 1944/45

Berührende Zeitzeugenberichte und bewegende Musik

Am Donnerstagabend fand ein bewegender Gedenkgottesdienst in der Stadtpfarrkirche statt.
Fotos: Stadt Fulda

13.09.2025 / FULDA - Am Donnerstagabend fand das Gedenken an alle Fuldaer Opfer des Bombenkriegs 1944/45 erstmals als zentrale Gedenkveranstaltung in der Stadtpfarrkirche statt, organisiert von der Stadt Fulda in Kooperation mit der katholischen und evangelischen Kirche sowie mit einem gemeinsamen Projekt der Katholischen Akademie im Bistum und der Richard-Müller-Schule. Auch wenn die Ereignisse inzwischen 81 Jahre zurückliegen und es nur noch wenige Zeitzeugen gibt, die authentisch über die verheerenden Folgen der Bombenangriffe auf Fulda in den Jahren 1944/45 berichten können, so sind doch gerade die Daten des 11. September 1944 und des 27. Dezember 1944 tief im kollektiven Gedächtnis der Stadt verwurzelt.



Zu verdanken ist dies unter anderem dem Engagement der Familien Mott und Hahner, die über Jahrzehnte hinweg jährlich am 11. September Gedenkfeiern am Gemüsemarkt organisierten. Zudem gab es in größeren Abständen Kranzniederlegungen am Mahnmal für die mehr als 700 Toten des Angriffs auf das Bahngelände am 27. Dezember 1944, als der darunter liegende Krätzbachtunnel verschüttet wurde.

Der "Hausherr", Stadtpfarrer Stefan Buß, begrüßte die Gäste zusammen mit seinem evangelischen Kollegen Stefan Bürger von der Kreuzkirchengemeinde. Buß erinnerte auch an das Gendenkläuten aller Fuldaer Kirchenglocken von 13.16 bis 13.32 Uhr am selben Tag, das an den historisch verbürgten Zeitpunkt des Angriffs am 11. September 1944 erinnern sollte. Für die musikalische Einstimmung und eine würdevolle Atmosphäre sorgte das Streichquartett der Städtischen Musikschule unter anderem mit dem "Adagio für Streicher" von Samuel Barber.

Überhaupt stand die ökumenische Gedenkfeier ganz im Zeichen der Musik - und der Erinnerung in Form von Zeitzeugenberichten. Drei Schüler der Richard-Müller-Schüler (Josef Bettermann, Steven Lorenz und Tim Schleicher), die sich im vergangenen Jahr intensiv mit der Geschichte und den Schicksalen von Opfern und Überlebenden der Krätzbach-Katastrophe beschäftigt hatten, trugen Texte vor, welche das unmittelbare Erleben des Schreckens widerspiegelten: Zum Beispiel die eindrucksvollen Schilderungen von Egon Huber, der als Schüler im Keller des Stadtschlosses einen schweren Angriff erlebte; oder die zeitgenössischen Aussagen des jungen Konviktsassistenten Theobald Höfler, der Zeuge des Bombeneinschlags in dem Bischöflichen Jungeninternat wurde, bei dem 24 Menschen einen qualvollen Tod fanden; oder auch die zu Herzen gehenden Aussagen der damals 22-jährigen Rotkreuzschwester Hedwig Krause, die wie durch ein Wunder die Krätzbach-Katastrophe überlebte.

Einen besonderen Reiz bekam die Lesung dadurch, dass die jungen Vorleser jetzt in etwa in dem Alter sind, in dem die Zeitzeugen damals zur Zeit des Krieges waren. Gunter Geiger (Katholische Akademie des Bistums Fulda) hatte zuvor noch einmal das Projekt erläutert, das Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge für die Erinnerungskultur auf dem Zentralfriedhof sowie die Schicksale der Bombenopfer – darunter zahlreiche osteuropäische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter der Firma Mehler – sensibilisieren sollte.

Fuldas OB Dr. Heiko Wingenfeld zog in seiner Ansprache eine Parallele zwischen dem 11. September 1944 für Fulda und dem 11. September 2001 für die USA. Über beidem stehe die Mahnung, die Opfer nicht zu vergessen und gleichzeitig sich für den Frieden einzusetzen. Wingenfelds Dank galt den Familien Mott und Hahner, die über viele Jahre hinweg das Erinnern wachgehalten, sowie allen Beteiligten, die sich für die neue Form einer zentralen Gedenkveranstaltung engagiert haben. Dazu zählte auch das Jugendsinfonieorchester unter der Leitung von Martin Klüh, das mit Werken wie Bachs "Jesus bleibet meine Freude" oder Pietro Mascagnis "Intermezzo Sinfonico" einen passenden musikalischen Schlusspunkt setzte.

Hintergrund

Im Zweiten Weltkrieg war die Stadt Fulda zwischen Juli 1944 und März 1945 Ziel von Luftangriffen der alliierten Bomberflotte. Hierbei starben ins-gesamt etwa 1600 Menschen, das älteste Opfer war 86 Jahre alt, das jüngste zwei Monate. Auch 362 ausländische Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter waren unter den Toten. Der erste größere Angriff erfolgte am 11. September 1944. Durch diesen wurde insbesondere der Gemüsemarkt schwer getroffen. Mindestens 341 Menschen verloren an diesem Tag ihr Leben, darunter 23 Schüler des Bischöflichen Knabenkonvikts und ihr Direktor. Nur 24 Stunden später gab es einen weiteren Luftschlag, dem über 170 Personen zum Opfer fielen. Mit dem Namen "Krätzbachbunker" ist die verheerendste Bombardierung Fuldas verbunden, die am 27. Dezember 1944 mehr als 700 Menschen das Leben kostete. Sie waren zum Schutz vor den Luftangriffen in einen Tunnel unter den Bahngleisen bei der Firma Mehler geflohen, der notdürftig als Schutz vor den Fliegern diente. Zwei Bombentreffer auf den westlichen Eingang und die Mitte des "Bunkers" machten diesen zur tödlichen Falle für die Eingeschlossenen. Nach den Forschungen Günter Sagans war die Katastrophe am "Krätzbachbunker" der verlustreichste Angriff auf eine deutsche Luftschutzeinrichtung während des gesamten Zweiten Weltkriegs. (pm/ems) +++

X