IHK lädt ins Stadtschloss

2. Fuldaer Wirtschaftstalk: Wie viel Bürokratie verträgt die Wirtschaft?

Am Donnerstag fand im Stadtschloss der 2. Fuldaer Wirtschaftstalk der IHK statt.
Fotos: Moritz Rös

12.09.2025 / FULDA - Bürokratie im Büroalltag - für viele eine große Hürde. Oder wie IHK-Präsident Christian Gebhardt zu Beginn der Veranstaltung sagte: "Ein Thema, das uns alle betrifft, bewegt und verzweifeln lässt: Bürokratie". Beim zweiten Wirtschaftstalk der IHK im Fuldaer Stadtschloss haben verschiedene Akteure am Donnerstagnachmittag genau diese Problematik aus spannenden Blickwinkeln durchleuchtet.


Im Marmorsaal des Stadtschlosses stand das Thema Entbürokratisierung im Mittelpunkt. Um 16 Uhr ging es los. Deutlich wurde: Der Frust wächst, doch es gibt auch Ansätze zur Veränderung.

Klare Botschaft: "Wir brauchen eine Ermöglichungskultur"

Gebhardt eröffnete den Wirtschaftstalk mit deutlichen Worten: "Wir haben eine ganze Menge Wirtschaft in der Region - aber auch eine ganze Menge Bürokratie." Er betonte den Bezug zur Bildungsmesse dieser Woche und hob hervor, wie eng Themen wie Fachkräftesicherung und unternehmerisches Handeln miteinander verwoben sind. Sein Appell: "Wir müssen schneller werden, Verfahren vereinfachen und endlich mehr Vertrauen in die Wirtschaft entwickeln, wir brauchen eine echte Ermöglichungskultur." Gebhardt versprach sich und dem Publikum von der Veranstaltung "viel Klartext, Erkenntnisse und Zuversicht."

Zwei Redner, eine Kernessenz: Es braucht Veränderungen

Einen tiefen Einblick in das Spannungsfeld zwischen notwendiger Struktur und lähmender Überregulierung gab zuerst Interimsmanager Dr. Bodo Antonic. Er stellte eine aktuelle Studie mit 2.500 Teilnehmern vor: 93,2 Prozent empfinden Bürokratie in Deutschland als Belastung. Besonders eindrücklich war Antonics Unterscheidung zwischen externer und interner Bürokratie: Externe Bürokratie meint Vorgaben und Verfahren, die von Behörden oder Gesetzgebern kommen.
Interne Bürokratie hingegen bezeichnet Regelungen und Prozesse, die Unternehmen sich selbst auferlegen.
"Das eine ist lästig. Das andere ist selbstgemachtes Elend", findet er.

Er schilderte plastisch, wie Unternehmen aus Angst vor Fehlern oder Haftung zunehmend "Mini-Verwaltungen" aufbauen - und sich damit selbst lähmen. Das betreffe gerade mittlere Betriebe, die eigentlich flexibel sein müssten.
Weiter plädierte der Interimsmanager für einen Kulturwandel in den Betrieben, mehr Eigenverantwortung und Mut zur Vereinfachung. Sein persönlicher Vergleich: Eine Genehmigung in Berlin dauerte zwei Wochen - in der Schweiz digital nur fünf Minuten. Bürokratie dürfe nicht zum Selbstzweck werden: "Wir verschenken wortwörtlich Zeit für Blödsinn", betont Antonic. Das sahen die 2.500 Teilnehmer seiner Studie ähnlich - 66,8 Prozent der Teilnehmenden gaben an, dass die Folge von Bürokratie unnötige Arbeit und Arbeitszeit zur Folge habe.

Frank Aletter, Geschäftsführer des Hessischen Industrie- und Handelskammertags (HIHK), führte die politische Perspektive aus. Mit Entbürokratisierungsminister Manfred Pentz und der Einrichtung einer Stabsstelle in der Staatskanzlei sei ein erster Schritt gemacht. "Aber es ist auch eine Haltungsfrage. Gibt es Grundvertrauen in die Wirtschaft – oder nicht?" Der Geschäftsführer warb für neue Ansätze wie das "KommFlex" und betonte: "Jetzt ist der Zeitpunkt, sich Gehör zu verschaffen. Wir brauchen einen Kulturwandel - auch in der Verwaltung." Er zeigt schließlich auf, wie Unternehmen aktiv Einfluss auf die IHK-Interessenvertretung gegenüber Politik und Verwaltung nehmen können.

Podiumstalk: Drei Unternehmer berichten aus dem Alltag

IHK-Hauptgeschäftsführer Michael Konow moderierte die abschließende Diskussionsrunde mit drei Unternehmern aus der Region:

Unternehmer Patrick Arend von Goldbach Zerspanung berichtete von seinem Frust bei Kurzarbeitsanträgen: "Das Schlimmste war die Dauer und ständig wechselnde Ansprechpartner. Ich habe meinen Frust auf LinkedIn geteilt und am hohen Zuspruch erstmal gesehen, wie vielen es ähnlich ergeht."

Bernhard Hahner, Geschäftsführer der Hahner Technik GmbH, schilderte einen bürokratischen Marathon bei Materialbeschaffung und externen Überprüfungen. Sein Fazit: "Wir nehmen vieles einfach hin, ohne zu hinterfragen - weil es ‚Vorschrift‘ ist. Das muss sich ändern."

Jakob Slenzcka, der CFO der LUQOM Gruppe, kämpfte zum Beispiel mit Produktsicherheitsvorgaben - wegen eines fehlenden halben Millimeters bei der Schriftgröße. Ein Wettbewerbsnachteil, wie er betont.

Zum Abschluss übergaben Konow und Gebhardt symbolisch einen Fuldaer Handwerker-Rucksack, gefüllt mit regionalen Köstlichkeiten, an die Redner und die Diskussionsteilnehmer. "Ich hoffe, Ihnen ist nicht der Appetit vor Bürokratie vergangen", scherzt Konow.

Per Live-Abstimmung wurde das Thema des nächsten Wirtschaftstalks am 7. Mai 2026 bestimmt:
"Zukunft der Arbeit in Osthessen" setzte sich deutlich mit 25 zu 9 Stimmen gegen "Stationärer Handel" durch. Nach der angeregten Diskussion haben es sich die Unternehmer, Führungskräfte und Entscheider der Region mit Häppchen und Drinks am frühen Abend noch gutgehen lassen.
(ems) +++



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