Millionenprojekt "Autofreies Wohnen"

Studentenwohnheim "Westside" steht wegen defekter Bäder leer

So sieht das Gießener Studierendenwohnheim "Westside" aus. Eine vorgehängte Fassade, Flachdach mit Dachbegrünung und fast bodentiefe Fenster charakterisieren das viergeschossige Gebäude.
Bild © Staubach + Partner PartGmbB Fulda

06.08.2025 / GIEßEN/FULDA - Die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt ist ein Fakt und besonders für finanzschwache Studierende in Hochschulstandorten ein Riesendilemma. Deshalb war die Vorfreude auf ein hypermodernes Wohnprojekt für diese Zielgruppe in Gießen auch besonders groß. "Hochwertiger und gleichzeitig bezahlbarer Wohnraum: Mit dem Bauvorhaben 'Westside – autofreies Studentenwohnheim' setzt das Studentenwerk Gießen bei seinem geplanten Neubau die Themen Nachhaltigkeit und Klimaschutz an vorderste Stelle", hieß es in einer Pressemitteilung von 2021 dazu. Projektiert wurde die Wohnheimanlage vom Architekturbüro Staubach + Partner aus Fulda. Doch der Einzug der Studenten lässt weiter auf sich warten: Ein drohender Rechtsstreit nach Baumängeln kann sich auf Jahre hinziehen.



Das Vorzeigeprojekt soll 351 Wohnheimplätze bieten, aufgeteilt in Einzelapartments und 4er-WGs, insgesamt elf Plätze barrierefrei. Der Spatenstich erfolgte bereits im Juli 2021, der voraussichtliche Bezug war für das Wintersemester 2023/24 geplant. Doch der 31 Millionen Euro teure Neubau mit der auffälligen Fassadengestaltung mit rot-braun-weißem Muster steht schon geraume Zeit nutzlos leer.

Das Konzept hört sich ungewöhnlich und innovativ an: Weil nach einer Mobilitätsumfrage der Justus-Liebig-Universität Gießen nur jeder fünfte Student das Auto nutzt, sollten die künftigen Mieterinnen und Mieter des Wohnheims eine Art "Autoverzichtserklärung" abgeben. Statt Stellplätzen für Pkw gibt es 350 überdachte Fahrradstellplätze plus einer Fahrradreparatur-Station und einem geplanten Fahrradverleih. Das Bauvorhaben ‚Westside' will so "einen Beitrag dazu leisten, Auswege aus der angespannten Klima- und Verkehrssituation zu finden. Ein soziales und integratives Wohnen im Quartier ohne zusätzlichen Autolärm und Verkehr sowie ohne zusätzliche Abgase steigert die Lebensqualität", hieß es. Doch daraus wird auf absehbare Zeit wohl nichts: Ein langwieriger Rechtsstreit droht.

Bauverzögerungen wegen 'Undichtigkeiten im Sanitärbereich'

Wir haben beim Studierendenwerk Gießen nachgefragt, woran es denn hängt. "Es ist richtig, dass es bei unserem Studierendenwohnheim Westside zu Bauverzögerungen aufgrund von Undichtigkeiten im Sanitärbereich kommt", schreibt uns daraufhin die Pressesprecherin Eva Mohr. Die Schuldfrage und damit Verantwortlichkeiten seien aktuell ungeklärt und sollen nach Absprache der Parteien nach Fertigstellung des Objekts juristisch geklärt werden. "Das gemeinsame Ziel ist weiterhin, den Bau schnellstmöglich voranzutreiben und in die Vermietung gehen zu können. Aus diesem Grund und im Hinblick auf die zu erwartende juristische Aufarbeitung werden wir uns in der Öffentlichkeit nicht über Sach- und Schuldfragen austauschen. An einem solchen Bauvorhaben sind mehrere Akteure beteiligt, nicht nur Bauherr und Generalplaner. Es ist richtig, dass Gutachter eingeschaltet sind. Da die Fehlersuche aktuell noch läuft, ist offen, wann Bezugsfertigkeit hergestellt werden kann", heißt es vom Studierendenwerk.

Das sind trübe Aussichten für die Studierenden, die zum Wintersemester 25/26 anfangen und händeringend eine neue Bleibe suchen. "Das werden wieder mehrere hundert sein, die sich hier um einen Wohnheimplatz bewerben", erläutert Eva Mohr, die auch darauf hofft, dass der Wohnkomplex Westside bald bezugsfertig ist. (Carla Ihle-Becker)+++

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