Im Fürstensaal

Große Lehrer für junge Klaviervirtuosen: Eröffnungskonzert der Pianale

Die drei Dozenten Uta Weyand-Schäfer, Alberto Nosé und Matti Raekallio glänzten im Eröffnungskonzert der Pianale.
Alle Fotos: Martin Engel

30.07.2025 / FULDA - Es grenzt an ein kleines Wunder, dass in einer Stadt von der Größenordnung Fuldas gleich zwei musikalische Großereignisse entwickelt wurden – beide mit längst weit über Fulda und Deutschland hinaus strahlendem Ruhm. 2004 wurde der Musicalsommer in Fulda geboren, 2006 die Pianale. Und die wurde am gestrigen Abend im Fürstensaal eröffnet.


Endlich volljährig – die Pianale

Beide Formate stehen für Innovationsfreude, für Mut und langen Atem, für Ehrgeiz und die leidenschaftliche Liebe zur Musik. Sie leben von ihren Gründern und deren Hingabe an ihre Idee. Sie zeigen auf hervorragende Weise, dass und wie Musik über Länder- und Sprachgrenzen hinweg verbindet. Sie zeigen aber auch, dass man für große Ideen Verbündete braucht.

Der Weg für junge Künstler/innen ist anstrengend und dornig, sie müssen sich dabei viel abverlangen. Die Pianale versteht sich als Wettbewerb, in dem sie sich messen können und dabei von den besten Lehrern lernen können. In Fulda ist in diesem Jahr sogar noch ein Sprachkurs der Inlingua-Sprachschule mit im Angebot. Zukünftige große Virtuosen brauchen große Lehrer, die sie unterstützen und nach vorn bringen. Das gilt auch für die Pianale selbst, die, nun volljährig, von sich sagen kann, dass sie in diesen 18 Jahren gelernt hat, gewachsen ist und selbständig wurde, wie Uta Weyand-Schäfer in ihrer Begrüßung erzählte. Sie dankte allen Förderern und Kooperationsmitgliedern, der Stadt Fulda, dem Förderkreis der Pianale und den Konzertbesuchern: "Wir brauchen Menschen, die an uns glauben!"

Die Liebe und der Tod

Uta Weyand-Schäfer eröffnete das Dozentenkonzert mit dem fünften Stück aus den "Goyescas" von Enrique Granados – einem hier eher wenig bekannten spanischen Komponisten. Sein Goya-Zyklus ist von Radierungen des Maler Francisco Goya inspiriert. Damit wusste man in etwa, was Granados musikalisch umsetzen würde – die Hell-Dunkel-Effekte und Kontraste, die so typisch sind für Goya. "El Amor y la Muerte" bot dafür reichlich Anschauungsmaterial: Ein spanischer Kavalier stirbt in den Armen seiner Geliebten, und die musikalische Palette reicht dabei von melancholisch verhangen über klagend versunken bis hochdramatisch. Ganz klar, ein Spanier stirbt mit Grandezza, und nicht anders. Viel heißblütige Leidenschaft und theatralisches Lieben und Sterben also zu Beginn des Konzerts.

Brahms’scher Impressionismus

Was für ein Gegensatz dazu dann die drei Intermezzi op. 117 von Johannes Brahms! Es schien, als wehe ein angenehm kühler Abendwind durch den Fürstensaal. Der Finne Matti Raekallio – ein Lehrer Igor Levits! – ist seit 2013 Mitglied des Pianale-Dozententeams. Er spielte die Intermezzi zurückhaltend, angemessen diesen "Wiegenliedern meiner Schmerzen", wie Brahms sie einmal betitelt hat. Diese Spätwerke sind in sich versunkene, kontemplative Stücke. Alles wird auf Gesten verkürzt und verdichtet – so entsteht ein fast impressionistischer Eindruck beim Hören.

Das sind keine ‚Hochleistungs‘-Klavierstücke, die auf Überwältigung der Zuhörerschaft setzen. Es gibt technisch anspruchsvolleres, aber es sind Stücke, die Interpretationskunst verlangen. Man muss sich in diesen Brahms schon hineinversetzen, damit die Intermezzi so klingen wie in Raekallios Darbietung. Das erste Intermezzo in Es-Dur ist fast weltabgewandt und wehmütig. Das zweite Intermezzo in b-moll schwebt und schwingt und tanzt fast, der beinahe wienerische Dreiertakt fährt einem in die Füße. Das dritte Intermezzo in cis-moll schließlich ist dunkler und wuchtiger in der Stimmung, und knüpft in seiner Wehmut an das erste Intermezzo an. Es war einfach großartig, und sollte noch großartiger werden.

Anmut und Kraft à la Debussy

Denn dann spielte Raekallio drei Stücke von Debussy. Zunächst das Prélude Nr. 8 "La fille aux cheveux de lin", dann Prélude Nr. 12 "Minstrels" und das Einzelstück "L’isle joyeuse". Das Prélude über das flachsblonde Mädchen ist inspiriert von einem Gedicht des heute kaum noch bekannten Leconte de Lisle und gehört sicher zu den bekanntesten Stücken Debussys. Kein Wunder, die träumerische Musik verzaubert sofort. "Minstrels" waren Komödianten, die stark geschminkt und mit stummfilmreifer Gestik auftraten, und hochdramatisch, ja fast schon theatralisch ist auch die Musik Debussys.

"Die Insel der Freude" gehört zu Debussys populärsten Werken und zeichnet musikalisch ein Paradies nach. Debussy selbst wusste, wie schwer es zu spielen war und sagte darüber: "Dieses Stück vereinigt in sich, wie es mir scheinen will, alle Arten mit dem Klavier umzugehen, denn es verbindet Kraft und Anmut, wenn ich so sagen darf." Er darf, denn er hat recht. Raekallios Interpretation traf mitten ins Herz. Sein Spiel war überwältigend, was für ein Meister am Klavier!

Populär-Virtuoses zum Schluss

Auf einem Eröffnungskonzert der Pianale darf Frederik Chopin nicht fehlen, ist er doch ein beliebter Wettbewerbs-Komponist. Der weltweit gefragte italienische Konzertpianist Alberto Nosé ist ein meisterhafter Virtuose, und erstmals auf der Pianale dabei. Er hatte die vier Balladen Chopins ausgewählt, Stücke, die große technische Brillanz erfordern, sonst findet Schiffe versenken im Hafen statt.

Die erste Ballade in g-moll dürfte einigen bekannt sein, auch weil sie in Polanskis Film "Der Pianist" eine zentrale Rolle spielt, als Szpilman sie nach seiner Begegnung mit dem deutschen Offizier Wilm Hosenfeld vorträgt. Es ist ein hochdramatisches Stück, das einen schier aus dem Sessel reißt. Die zweite Ballade in F-Dur hat zunächst ein wunderschönes, pastorales Thema, dessen Schlichtheit mit dem stürmischem Mollsatz kontrastiert. Die dritte Ballade in As-Dur – einer häufig von Chopin verwendeten Tonart – hat eine fast gelöste Stimmung, die durch die typischen Oktavsprünge Chopins und einen furiosen Abschnitt in Moll abgelöst wird, bis sich alles am Ende in As-Dur findet. Die vierte Ballade in f-moll ist die lyrischste, innigste und nachdenklichste der vier Balladen. Ein grandioser Beitrag Nosés – ja, so muss Chopin klingen! Ihm wie auch Weyand-Schäfer und Raekallio applaudierte das Publikum stürmisch und begeistert.

Im abschließenden Pianale-Empfang im Grünen Zimmer begrüßte Stadtrat Stefan Grauel Zuhörer, Dozenten und Teilnehmer der Pianale – aus 19 Ländern kommen die Teilnehmer, sie sind zwischen 12 und 29 Jahren alt. Noch bis zum 12. August können Sie sich von den jungen Künstlerinnen und Künstlern begeistern lassen – und das in den schönsten historischen Räumen in und um Fulda. (Jutta Hamberger) +++

X