Atomarer Schatten über dem Fulda Gap

Vor genau 80 Jahren: Zündung der ersten Atombombe

Erste Atomexplosion am 16. Juli 1945. Das Foto wurde 9 Sekunden nach der ersten Trinity-Detonation aufgenommen und zeigt die Pilzwolke.
Foto: picture alliance / Everett Collection

16.07.2025 / REGION - Ein Test, der Generationen prägen sollte: Am 16. Juli 1945, also vor genau 80 Jahren, veränderte ein Lichtblitz in der Wüste des US-Bundestaates New Mexico die Welt für immer. In der abgelegenen Jornada-del-Muerto-Wüste zündeten amerikanische Wissenschaftler während des streng geheimen Manhattan-Projekts die erste Atombombe der Geschichte. Der Test mit dem Codenamen "Trinity" leitete das nukleare Zeitalter ein.


Jenes der nuklearen Bedrohung, das in den kommenden Jahrzehnten weite Teile der Weltpolitik prägen sollte - auch Deutschland. Besonders das Fulda Gap in Hessen rückte während des Kalten Krieges in den Mittelpunkt der atomaren Abschreckung und wurde zum potenziellen Epizentrum eines nuklearen Weltkriegs. Doch erstmal zurück zum Anfang.

Der Wettlauf mit Nazi-Deutschland - Angst vor Hitlers Atombombe

Die Entwicklung der Atombombe begann während des Zweiten Weltkriegs. Ende 1938 gelang den deutschen Chemikern Otto Hahn und Fritz Straßmann in Berlin die erste Kernspaltung - eine wissenschaftliche Entdeckung mit ungeheurem militärischem Potenzial. Im August 1939 warnten die geflüchteten Physiker Leó Szilárd und Albert Einstein den US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt in einem Brief vor einem möglichen deutschen Atomwaffenprogramm. Kurz nach Kriegsausbruch reagierte der Präsident und veranlasste erste Forschungen - der Startschuss für das Manhattan-Projekt, das ab Ende 1942 mit praktisch unbegrenzten Ressourcen vorangetrieben wurde.

Das Manhattan-Projekt: Wissenschaft unter Hochdruck

Es wurde das größte und geheimste militärisch-wissenschaftliche Vorhaben der Geschichte. Unter der Leitung von General Leslie Groves und des berühmten amerikanischen Physikers Robert Oppenheimer arbeiteten an über 30 Standorten mehr als 100.000 Menschen - Ingenieure, Chemiker, Mathematiker, Physiker und Soldaten. Innerhalb von nur drei Jahren wurde eine vollkommen neue Industrie erschaffen, vergleichbar mit der amerikanischen Autoindustrie. Allein die Kosten des Projekts beliefen sich auf über 2 Milliarden US-Dollar - heute wären das schätzungsweise zwischen 30 und 50 Milliarden Dollar.

Ein Schlüsselort war Los Alamos in New Mexico ("Site Y"), wo Oppenheimer das zentrale Forschungslabor aufbaute. In Chicago entstand der erste funktionierende Kernreaktor der Welt - gebaut von Enrico Fermi und Leó Szilárd -, der den Weg zur kontrollierten Kettenreaktion und damit zur Waffe ebneten.

Codename "Trinity": Die erste Bombe

Am 16. Juli 1945 war es so weit: In der abgelegenen Jornada-del-Muerto-Wüste wurde auf einem 30 Meter hohen Turm eine mit Plutonium gefüllte Bombe gezündet. Die Sprengkraft entsprach etwa 20.000 Tonnen TNT - mehr als 3.000 Mal so stark wie die größte konventionelle Bombe jener Zeit (!). Der Atompilz stieg über 12 Kilometer in den Himmel, und die Strahlung übertraf alle Prognosen. Einige Wissenschaftler hatten sogar zuvor befürchtet, die Explosion könnte die Atmosphäre in Brand setzen. Der Krater im Wüstensand war metertief. Die Explosion markierte das Ende eines Krieges, aber auch den Beginn eines neuen globalen Machtgefüges.

Hiroshima, Nagasaki - und die neue Weltordnung

Wenige Wochen nach Trinity warfen die USA zwei Atombomben auf die japanischen Städte Hiroshima (6. August) und Nagasaki (9. August). Ziel war es, Japan zur Kapitulation zu zwingen - aber auch, ein machtpolitisches Signal an die Sowjetunion zu senden. Am 2. September 1945 endete der Zweite Weltkrieg mit der bedingungslosen Kapitulation Japans. Die Wirkung war verheerend: In Hiroshima starben Schätzungen nach 90.000 bis 120.000 Menschen, in Nagasaki weitere 60.000 bis 80.000. Ganze Stadtviertel wurden ausgelöscht, die Strahlung forderte noch Jahrzehnte später Opfer.

Der Kalte Krieg beginnt - das Fulda Gap wird zum nuklearen Zündfunken

Mit dem Wissen um Trinity begann ein neues Kapitel der Geschichte: der Kalte Krieg. Die Sowjetunion intensivierte ihre Atomforschung und testete bereits 1949 ihre eigene Bombe, nachdem sie durch Spionage über den Phsyiker Klaus Fuchs über Trinity informiert waren. Die Welt geriet in eine neue Art der Bedrohung: den Kalten Krieg, in dem sich die beiden Supermächte USA und UdSSR nuklear gegenüberstanden.

Ein möglicher Auslöser für einen nuklearen Weltkrieg war geografisch genau definiert: das Fulda Gap. Diese Landschaftslücke in Hessen, zwischen Rhön und Vogelsberg, wurde in westlichen Militärplanungen als strategisch verwundbarer Einfallskorridor für einen möglichen sowjetischen Angriff auf Westeuropa identifiziert. Der Weg von Ostdeutschland in Richtung Frankfurt verlief durch dieses Terrain - flach genug für Panzer, breit genug für große Truppenverbände. Die NATO bereitete sich auf ein Szenario vor, bei dem konventionelle Verteidigungskräfte in Fulda den Vormarsch der Roten Armee verzögern sollten - nur um im Ernstfall taktische Atombomben einzusetzen. Die US-Armee stationierte daher dort unter anderem das 11. Armored Cavalry Regiment, sowie nuklear bestückbare Artilleriegeschütze und Raketen. Brücken waren mit Minen gespickt, überall herrschte Alarmbereitschaft. Deutschland wurde in Osthessen so zum geplanten Schlachtfeld eines möglichen Atomkriegs.

Für die NATO war klar: Sollte die Rote Armee durch das Fulda Gap vorrücken, müsse ein nuklearer Gegenschlag zumindest in Erwägung gezogen werden. Übungen und militärische Manöver gehörten zum Alltag.

Bereits kurz nach Trinity warnten viele Wissenschaftler vor einem unaufhaltsamen atomaren Rüstungswettlauf. Oppenheimer selbst sprach von einer "furchtbaren Superwaffe", die er mit erschuf. Trotz internationaler Abrüstungsverträge - wie dem Atomwaffensperrvertrag von 1968 - wuchs die Zahl der Atommächte. Bis heute haben Staaten wie Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea Nuklearwaffen entwickelt. Kein einziger der offiziellen Atomstaaten ist dem Atomwaffenverbotsvertrag von 2021 beigetreten.

Sie haben Bilder oder Geschichten aus dieser prägenden Zeit? Wir freuen uns auf Ihre Zuschriften an redaktion@osthessen-news.de. (ms) +++

X