Lebensnahe und mitreißende Predigt

Biergarten der Wiesenmühle verwandelt sich in eine Open-Air-Kirche

Schon zum dritten Mal fand der ökumenische Gottesdienst in der vollbesetzten Wiesemühle statt
Alle Fotos: Martin Engel

07.07.2025 / FULDA - An diesem strahlenden Sonntagmorgen gibt es in der beliebten Gaststätte Wiesenmühle unter freiem Himmel einen ökumenischen Gottesdienst, den die katholischen und evangelischen Kirchengemeinden Fuldas zusammen gestalten. Rund 250 Menschen waren zu dieser besonderen Morgen-Andacht im sommerlichen Ambiente gekommen. Schon zum dritten Mal in Folge stellte Wiesenmühlen-Wirt Jonas Renner den Biergarten der Wiesenmühle für diesen ökumenischen Open-air-Gottesdienst zur Verfügung. Um die zahlreich vorhandenen Gemeinsamkeiten der beiden Konfessionen und der evangelischen und katholischen Gläubigen zu betonen, steht der Gottesdienst in diesem Jahr unter dem Motto "In guter Nachbarschaft".


Pfarrer Jörg Scheer (Christuskirche), Pfarrerin Anke Heil Lutherkirche), Stadtpfarrer Stefan Buß (Stadtpfarrei) und Gehörlosen-Pfarrerin Clara Sterzel gestalteten den Gottesdienst gemeinsam. Pfarrerin Anke Heil hielt den Kindergottesdienst, während Pfarrerin Clara Sterzel die Moderation von Stadtpfarrer Stefan Buß und die Predigt von Pfarrer Jörg Scheer für Gehörlose in Gebärdensprache übersetzt. Musikalisch begleitet wurde der Gottesdienst vom Duo "Simone Möhring & Fabian Vogt".

Von Freunden im Stich gelassen werden, ist bitter

"Haben Sie schon mal so richtig in der Tinte gesessen – und keine Socke hat es interessiert? Achselzuckend sind die Leute vorbeigegangen und haben Sie in Ihrem Unglück liegenlassen, so wie die beiden ersten Männer in der Geschichte vom barmherzigen Samariter? Oder wie beim verlorenen Sohn, als er komplett pleite und von seinen vielen Feierfreunden rein gar nichts mehr zu sehen war? So ist das mit so manchen Freunden, mögen sich die ein oder anderen denken." Mit diesem deprimierenden Szenario begann Pfarrer Scheer seine wie immer mitreißende und lebensnahe Predigt. Das sei so ziemlich das Frustrierendste, was einem passieren könne. "Wer den Schaden hat, spottet jeder Beschreibung und in der Not bist du dir selber der Nächste. Und die achselzuckend vorbeiflanierenden guten Bürgerinnen und Bürger reden wie der böse Spießbürger Schlich bei Wilhelm Busch: 'Höchst fatal, bemerkte Schlich, hehe, aber nicht für mich!'

Pfarrer Scheer stellte seiner aufmerksamen "Freiluftgemeinde" zum Schluss die Frage, was eigentlich gute Freundschaft, und Nachbarschaft ausmacht. Das sei zuerst und zuletzt gegenseitiger Respekt, Anteilnahme und Hilfsbereitschaft, ohne übergriffig zu werden, konstatierte er. Respekt heiße aber auch, dass man sich nicht gegenseitig "in die Kochtöpfe" guckt. Wir alle hätten schließlich das Recht auf unseren ganz eigenen "umfriedeten" Raum.

Nachbarschaft, die von gegenseitigem Respekt geprägt ist, sei so etwas wie ein solidarisches Stück Gesellschaft unter dem Brennglas, in der die Menschen versuchten, sich gegenseitig anzunehmen, so wie sie sind und, so gut es geht, Lasten teilen und sich gegenseitig tragen helfen, so Scheer. Die Gottesdienstbesucher, die auch während der Predigt nicht auf dem Trockenen sitzen mussten, belohnten die unverblümten Worte mit Applaus. (Carla Ihle-Becker)+++




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