Familie Mann im Fokus

Frauen im Schatten des "Zauberers" – Akademieabend beleuchtet Unbekanntes

Von links: Gunter Geiger (Akademiedirektor), Annette Seemann und Reinhard Schwab (Goethe-Gesellschaft)
Fotos: Bistum Fulda

27.06.2025 / FULDA - Ein Jahrhundertautor, ein Übervater – und drei Frauen, die sich ihren eigenen Weg bahnen: Der Akademieabend in der Katholischen Akademie Fulda widmete sich am Donnerstagabend den weitgehend unbekannten Biografien der Töchter Thomas Manns. Unter dem Titel "Die Töchter des Zauberers – Erika, Monika und Elisabeth Mann" stellte die Weimarer Germanistin und Publizistin Dr. Annette Seemann ihre neue Biografie vor und zeichnete das vielschichtige Porträt dreier außergewöhnlicher Frauen.



Rund 50 Interessierte folgten der Einladung der Katholischen Akademie und der Goethe-Gesellschaft Fulda und erlebten einen literarisch-biografischen Abend voller Überraschungen, Erkenntnisse – und bewegender Momente. Akademiedirektor Gunter Geiger erinnerte in seiner Begrüßung daran, dass sich der Geburtstag von Thomas Mann in diesem Jahr zum 150. Mal jährt. Mann sei mehr als nur Literat: eine moralische Instanz Europas, dessen Wirkung weit über seine Epoche hinausreiche.

Doch nicht der berühmte Vater stand im Fokus des Abends, sondern seine Töchter – bislang weitgehend unbeachtete Figuren der Literaturgeschichte. Seemann will das ändern. Mit ihrer neuen Biografie "Die Töchter des Zauberers" rückt sie Erika, Monika und Elisabeth Mann ins Licht der Öffentlichkeit – und öffnet einen neuen Blick auf das Familienuniversum des deutschen Nobelpreisträgers.

Besonders eindrücklich geriet der Teil über Monika Mann. Als dritte Tochter der Familie stand sie oft abseits – freiwillig wie unfreiwillig. Seemann beschrieb sie als warmherzig, frei von Standesdünkel, jemand, der auch mit Bediensteten das Gespräch suchte. Ein Schwarz-Weiß-Foto, das sie abseits der Familie auf der kalifornischen Terrasse zeigt, wurde zum Symbol ihrer Außenseiterrolle. Auch die Konflikte mit dem Vater, etwa über ihre Frisur, ließen die emotionale Distanz im Hause Mann spürbar werden.

Einen Kontrapunkt dazu setzte Erika Mann, die älteste Tochter: Sie war das Aushängeschild der Familie, politisch engagiert, künstlerisch erfolgreich und voller Bühnenpräsenz. Ihre enge Beziehung zu Bruder Klaus, ihr radikaler Bruch mit gesellschaftlichen Konventionen und ihr mutiger Kampf gegen den Nationalsozialismus machten sie zur Symbolfigur des Exils. Doch auch ihre Dominanz gegenüber den Geschwistern wurde thematisiert – Seemann scheute nicht, auch diese Ambivalenzen zu benennen.

Die jüngste Tochter Elisabeth schließlich war das "stille Wunderkind", wie Seemann sie nannte – hochintelligent, vielseitig begabt und voller Eigenständigkeit. Sie wurde Meeresbiologin, UN-Beraterin und Kämpferin für eine globale Meeresordnung. Eine Anekdote sorgte für Heiterkeit: Elisabeth brachte ihren Hunden das Klavierspielen bei – mit extra gebauten Mini-Klavieren. Eine skurrile, aber liebevolle Geschichte, die ihre Originalität unterstrich.

Der Abend war mehr als eine Buchvorstellung – er war ein Plädoyer für die Sichtbarkeit weiblicher Lebenswege im Schatten großer Männer. Mit spürbarer Empathie und sprachlicher Eleganz skizzierte Dr. Annette Seemann drei Persönlichkeiten, die sich aus der Umklammerung familiärer Erwartungen befreien mussten – jede auf ihre Weise. Ein eindrucksvoller Beitrag zum Gedenkjahr 2025 – und eine inspirierende Einladung, die Geschichte der Familie Mann neu zu entdecken. (pm/cb) +++





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