Vertraulich geboren
Zehn Jahre vertrauliche Geburt: Zwei Kinder, zwei Geschenke
Foto: Carina Jirsch
22.06.2025 / FULDA -
Seit 2014 gibt es in Deutschland die Möglichkeit der vertraulichen Geburt – eine Alternative zur Babyklappe. Eingebunden sind die Adoptionsvermittlungsstellen der Jugendämter Fulda, Hersfeld-Rotenburg und Vogelsberg. Die vertrauliche Geburt bietet medizinische Sicherheit und die Chance, später etwas über die Herkunft zu erfahren. Jährlich nutzen rund 110 Frauen bundesweit diese Möglichkeit – etwa neun pro Monat. Das erste vertraulich geborene Kind in Fulda ist heute neun Jahre alt.
Zunächst wendet sich eine Frau, die anonym bleiben und ihr Kind zur Adoption freigeben möchte, an eine Schwangerenberatungsstelle. Nach der endgültigen Entscheidung werden ihre Daten beim Bundesamt für Familie in Köln versiegelt hinterlegt. Sie erhält ein Pseudonym und Unterstützung bei der Wahl der Geburtsklinik oder Hebamme. Ihre Identität bleibt geschützt.
Bereits vor der Geburt sucht die Adoptionsvermittlungsstelle eine geeignete Familie. Die leibliche Mutter hat kein Auskunftsrecht, kann aber Kontakt zu Beratungsstellen aufnehmen. Ob und welche Informationen weitergegeben werden, entscheidet die Adoptivfamilie. Nach etwa einem Jahr beschließt das Familiengericht die Adoption. Das Kind erhält die rechtliche Stellung eines leiblichen Kindes. Ab dem 16. Lebensjahr hat es das Recht auf Akteneinsicht mit Unterstützung der Vermittlungsstelle.
Kinder aus vertraulichen Geburten – Eine Familie aus dem Landkreis Fulda berichtet
Eine Beraterin des Landkreises Fulda führte ein Interview mit Menschen, die sich für diesen Weg entschieden haben. Rosalie und Tim Bergmann* wirken glücklich: "Ja, das sind wir auch. Sehr sogar." Die beiden sind 36 und 37 Jahre alt, seit zehn Jahren verheiratet – und ihr Kinderwunsch blieb lange unerfüllt. Heute sind sie Eltern von Marie und Isa – zwei Mädchen aus vertraulichen Geburten. "Uns wurden zwei wundervolle Geschenke zuteil", sagt das Paar.Marie und Isa spielen fröhlich, während ihre Eltern von den damaligen Zeiten berichten – vom Hoffen und enttäuscht werden. Doch genau das habe ihnen geholfen, offen für neue Wege zu werden. "Wir setzten uns mit dem Thema Adoption auseinander, nahmen Kontakt zur Adoptionsvermittlungsstelle in Fulda auf und haben uns dort sehr wohlgefühlt", erzählt Rosalie. "Wir wussten sehr schnell, dass das für uns der richtige Weg ist", ergänzt Tim. Ab 2016 nahmen sie an Vorbereitungskursen teil. "Diese Zeit ist immens wichtig. Man muss in dieses Thema hineinwachsen", so das Paar. "Die Beraterinnen in Fulda haben uns verständnisvoll und unterstützend begleitet. Wir wurden in allen Themen offen, sensibel und umfassend vorbereitet."
Dann kam das zweite Kind
Einige Jahre später kam Isa dazu – ebenfalls vertraulich geboren. Für Rosalie und Tim ein Glücksfall. "Es wäre schwierig, wenn ein Kind die leiblichen Eltern treffen könnte und das andere nicht", sagt Rosalie. Rosalie und Tim denken an Maries und Isas leibliche Mütter. "Wir denken an ihren Geburtstagen immer auch an ihre Bauchmamas", sagen sie. "Denn wir sind sicher, dass sie den Tag genau erinnern."Sie sprechen mit Respekt über diese Frauen: "Sie haben früh überlegt, was das Beste für ihre Kinder ist. Wir kennen die Gründe nicht, aber sie haben für ihre Kinder eine Familie ermöglicht – Liebe und Sicherheit. Das zeigt, wie verantwortungsvoll sie sind." Sollten die leiblichen Mütter Kontakt aufnehmen wollen? "Sie sind herzlich willkommen", betont das Paar. "Sie haben uns das größte Geschenk gemacht. Vor solchen Menschen kann man nicht die Tür verschließen. Sie sind Teil von Maries und Isas Geschichte."
*alle Namen geändert
Foto: Michael Eloy Werthmüller