Organspender werden dringend gebraucht
Ein Herz, das wieder schlägt: Ihre Entscheidung bedeutet Leben
Symbolbilder: pixabay
08.06.2025 / REGION -
Ein Herz, das wieder schlägt. Eine Lunge, die neuen Atem schenkt. Eine Niere, die einen Alltag ohne Dialyse ermöglicht. Organspenden sind ein medizinisches Wunder und ein Geschenk eines Menschen, der seinem Tod mit einer Spende einen Sinn geben will. Organspenden retten jeden Tag weltweit Leben und schenken Gesundheit. Dennoch bleibt Deutschland in puncto Organspende weit, deutlich hinter seinen Möglichkeiten zurück.
Im Jahr 2024 konnten in Deutschland laut der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) 2.855 Menschen durch ein gespendetes Organ behandelt werden. Dies war ein leichter Rückgang gegenüber dem Vorjahr. Trotz dieser vermeintlich hohen Zahl bleibt das strukturelle Problem bestehen: Rund 8.575 Patientinnen und Patienten warten derzeit bundesweit auf ein lebensrettendes Organ. Die Schere zwischen Bedarf und tatsächlichen Spenden klafft nach wie vor weit auseinander. Auch die jüngst gestiegene Zahl an Spendern darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir im europäischen Vergleich weiterhin das Schlusslicht sind. Bei den erfolgten Transplantationen ist Deutschland auf Organe aus dem Ausland angewiesen. In Deutschland wurden laut der DSO 2024 lediglich 953 Spender registriert, bei denen Organe entnommen werden konnten.
Was für Angehörige und Ärzte wichtig ist: Klarheit
]Seit März 2024 wurde ein bundesweites Organspende-Register eingeführt. Hier können Bürgerinnen und Bürger ihre Entscheidung bezüglich einer Organspende zentral hinterlegen. Eine Organspende ist nur bei einer eindeutigen Zustimmung des Spendenden und dessen Familie möglich. Medizinische Notfälle, die zu einem Hirntod führen und somit eine Organspende ermöglichen, treten sehr plötzlich auf. In solchen Situationen ist es für die behandelnden Ärzte, die Angehörigen der erkrankten Person und für Patienten, die auf ein Organ warten, besonders wichtig, Klarheit über den Willen des möglichen Spenders zu haben. Nach einem Jahr ist die Zwischenbilanz des Organspenderegisters allerdings ernüchternd. Es kam zu keinem nennenswerten Anstieg der Spenden in Deutschland. Damit gehört Deutschland weiterhin zu den europäischen Ländern mit den niedrigsten Organspendezahlen. Laut dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte haben sich bisher nur etwas über 280.000 Menschen dort eingetragen.Organspende ist somit noch immer ein Thema, bei dem es in der Bevölkerung zu wenig Wissen gibt. Hier muss die Politik weiter aufklären und die Organspende an die jüngeren Generationen heranführen. Gut informierte Menschen können eine bessere Entscheidung für sich und andere treffen. Die Beschäftigung mit dem Thema Tod und Organspende darf kein Tabu sein.
Neben der Aufklärung wäre ein weiterer wichtiger Schritt die sogenannte Widerspruchslösung. Trotz mehrfacher parlamentarischer Vorstöße, zuletzt 2024 durch eine länderübergreifende Initiative aus Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Hessen, ist die Einführung der Widerspruchslösung in Deutschland bislang nicht gelungen. Dabei zeigen die Erfahrungen zahlreicher europäischer Länder eindeutig: Überall dort, wo Menschen aktiv einer Organspende widersprechen müssen, steigen die Spenderzahlen spürbar.
Deutschland vor entscheidendem Wendepunkt
Das Konzept der Widerspruchslösung folgt einem einfachen, aber effektiven Grundgedanken: Jeder Mensch gilt zunächst als potenzieller Organspender. Nur wenn er oder sie eine Spende ausdrücklich ablehnt, gilt die Person nicht als Spender. Deutschland steht hier vor einem entscheidenden Wendepunkt. Angesichts der anhaltend niedrigen Spendenbereitschaft braucht es mehr als Appelle: Es braucht strukturelle Veränderung. Eine gesetzlich geregelte Widerspruchslösung würde nicht die Freiheit der Einzelnen beschneiden, sondern im Gegenteil würde sie dazu ermutigen, sich aktiv mit dem Thema auseinanderzusetzen und eine persönliche Entscheidung zu treffen. Diese Frage wird in vielen anderen Ländern beispielsweise bei der Ausstellung des Führerscheins gestellt.Der bundesweite Tag der Organspende am 7. Juni 2025 soll Politik, die Gesellschaft und jeden Einzelnen aufrütteln. Er soll informieren, Vorurteile abbauen und vor allem dazu beitragen, dass das Thema Organspende seinen Platz in der gesellschaftlichen Mitte findet. Denn Organspende ist kein Randthema, sondern Ausdruck gelebter Solidarität. Die Einführung der Widerspruchslösung wäre ein konsequenter Schritt, um den tiefen Graben zwischen Spendenbereitschaft und tatsächlichem Handeln zu schließen. Es ist an der Zeit, dass Deutschland sich hier ein Beispiel an seinen europäischen Nachbarn nimmt – zum Wohle der über 8.000 Menschen, die auf der Warteliste stehen. Für sie zählt jede Entscheidung. Und manchmal bedeutet eine Entscheidung nicht weniger als ein neues Leben. (Adrian Böhm) +++