Hessenweiter Aktionstag von hr2 Kultur
Bann se Honger honn - Eva Völler liest zum Tag für die Literatur
Sinn und Zweck des hessenweiten Aktionstags für die Literatur ist es, das Publikum mit Literatur aus der Region oder über die Region bekannt zu machen. Über 100 Veranstaltungen zwischen Fulda und dem Odenwald fanden an diesem Sonntag statt.
Fotos: Henrik Schmitt
26.05.2025 / FULDA -
Sinn und Zweck des hessenweiten Aktionstags für die Literatur ist es, das Publikum mit Literatur aus der Region oder über die Region bekannt zu machen. Über 100 Veranstaltungen zwischen Fulda und dem Odenwald fanden an diesem Sonntag statt. Im Falle von Eva Völler trifft aus der Region und über die Region zu. Die Autorin stammt zwar aus dem nordrhein-westfälischen Velbert und arbeitete lange in Frankfurt (immerhin schon hessisch), lebt und schreibt inzwischen aber in der Rhön.
"Bücher schreiben macht gute Laune"
Wer sich fragt, warum eine studierte Juristin, die in Frankfurt zunächst sechs Jahre als Richterin und 23 Jahre als freie Rechtsanwältin gearbeitet hat, aufs Schreiben umsattelt, für den hat Eva Völler eine entwaffnend ehrliche Antwort: "Vom Bücherschreiben kriegt man auf Dauer einfach bessere Laune als von Rechtsstreitigkeiten. Und man kann jedes Mal selbst bestimmen, wie es am Ende ausgeht."
Im bis auf den letzten Platz besetzen Lesesaal der Hochschul-, Landes- und Stadtbibliothek HLSB wurde sie von ungefähr 100 Zuhörerinnen und Zuhörer erwartet, darunter vermutlich vielen Fans. Eva Völler gehört zu den Phänomenen des deutschen Buchmarkts, über die man in den Feuilletons wenig bis nichts liest, hin und wieder wird in der Fachpresse immerhin erwähnt, wie erfolgreich die Autorin ist. Auf ungefähr 1 Million Exemplare beläuft sich die Verkaufsauflage ihrer Bücher. Das muss man erst mal hinbekommen.
Völler legt sich dabei nicht auf ein Genre fest, sondern ist sattelfest von Liebe bis Abenteuer, vom historischen Roman bis zum Krimi. Starke Frauengestalten spielen fast immer eine wesentliche Rolle. In jedem Genre schreibt sie unter eigenem Pseudonym. Das ist sehr klug, weil die wenigsten Leserinnen und Leser es mögen, wenn ‚ihre’ Autoren auf Abwegen unterwegs sind. Deshalb ist die klare Zuordnung Name = Genre eine Orientierung gebende und leserfreundliche Geste Eva Völlers.
"Was die Hoffnung verspricht"
In Fulda las sie aus ihrem zweibändigen zeitgeschichtlichen Roman "Die Dorfschullehrerin". Der Untertitel des Romans macht klar – das ist Genre-Literatur. Ich mag diesen Begriff sehr, im Gegensatz zu der unscharfen und oft polemischen Trennung zwischen E- und U-Literatur oder dem alles und nichts meinendem Begriff Belletristik. Eva Völlers Bücher erscheinen bei Droemer und Lübbe, vielleicht den beiden deutschen Verlagen, die am besten wissen, wie man Genre-Literatur optimal in Szene setzt. Auch davor ziehe ich einfach nur den Hut.
Genre-Autoren sind zuvörderst exzellente Handwerker. Sie wissen, wie man einen Plot baut, sie recherchieren sauber, sie können Figuren entwickeln und charakterisieren, sie wissen, wie sie ihre Leserinnen und Leser unterhalten. Um was es geht, wird nicht verrätselt, und dann ist es Zeit, es sich auf der Couch gemütlich zu machen, ein imaginäres "Bitte nicht stören!"-Schild aufzustellen und einfach zu lesen. Wegzulesen. Denn Genre-Literatur hat vieles, aber keine Stopp-Taste: Wenn man zu lesen anfängt, will man wissen, wie das Ganze endet. Und man möchte Figuren gern auch länger als nur in einem Buch begegnen.
In der "Dorfschullehrerin" geht es um die junge Lehrerin Helene, die aus Berlin geflohen ist. Ganz bewusst hat sie sich für ihren Neuanfang ein Dorf an der innerdeutschen Grenze gewählt. Der Roman beginnt im Jahr 1961 – dem Jahr, in dem die deutsch-deutsche Trennung durch den Bau der Mauer zementiert wurde und sich die beiden Deutschlands in jeder Beziehung immer weiter voneinander weg entwickelten. Helene sucht nach einem neuen Lebensmittelpunkt, begegnet Freunden, findet einen Mann, in den sie sich verliebt, muss aber auch mit vielen Anfeindungen aus der sehr konservativen Umgebung umgehen lernen. Und natürlich hat sie ein Geheimnis.
Völler las einige Szenen aus ihrem Roman, die einen guten Einblick in den Plot, aber auch den Erzählton gaben. Es war mucksmäuschenstill im Lesesaal, denn dieses Stück der deutschen Nachkriegsgeschichte beschäftigt hier – im ehemaligen Fulda-Gap und unweit von Point Alpha – viele Menschen besonders intensiv. Sie habe das Buch auf einen Sitz durchgelesen, beschreibt es eine Leserin auf Amazon, völlig gepackt davon, "was Menschen Menschen im Namen von Ideologien und Machtbedürfnis antun." Leserinnen und Leser sind oft viel klüger als Rezensenten, diese Leserin hat in meinen Augen auf den Punkt gebracht, warum Eva Völler so erfolgreich ist. Sie greift Themen auf, deren Wunden noch lange nicht verheilt sind, Themen, die normale Menschen beschäftigen. Sie schreibt unprätentiös. Durch die Story, die natürlich mit allem gewürzt ist, was das Lesen zum Vergnügen macht, entsteht ein intensives Zeitbild.
In der "Dorfschullehrerin" gehört auch Fulder oder Rhöner Platt zum Genre-Mix – siehe Headline dieses Textes. "Bann se Honger honn" - wenn Sie also Hunger auf Lektüre verspüren, die komplexe Themen verdichtet und in persönlichen Storys übersetzt, greifen sie zu Eva Völlers Büchern. Ach ja: den gewitzten Fuldaer Leserinnen und Lesern entging natürlich nicht, welche Orte Pate standen für das fiktive Dorf im Roman – Rasdorf und Geisa. Mit sehr viel Beifall und einer kleinen Fragerunde ging die Veranstaltung zu Ende. (Jutta Hamberger) +++