Wie alles begann

Hersfelder Geschichtsverein feiert 100-jähriges Bestehen mit Festveranstaltung

Die amtierenden Vorstandsmitglieder des Hersfelder Geschichtsvereins - von links: Wilfried Apel, Irmgard Schmidt, Gerhard Kraft, Ullrich Göbel, Martin Engel, Ingrid Waldeck, Ernst-Heinrich Meidt, Dr. Michael Fleck und Falko Radewald (es fehlen Albert Deiß, Sebastian Hild und Johannes van Horrick).
Foto: Wolfram Waldeck

24.05.2025 / BAD HERSFELD - Vereinigungen, die sich mit lokaler und regionaler Geschichte beschäftigen, gibt es so manche. Aber nicht alle werden 100 Jahre alt wird, nicht alle feiern ihr Jubiläum mit einer Festveranstaltung, und nicht alle geben dazu auch noch eine Festschrift heraus.



Der Hersfelder Geschichtsverein mit der seit über 25 Jahren als Vorsitzende amtierenden Lehrerin Ingrid Waldeck an der Spitze hat sich all das vorgenommen, und mit großem, sich über Monate erstreckenden, bis an die Leistungsgrenze der beteiligten Vereinsmitglieder gehendem Engagement sogar noch eine Ausstellung zum Thema "Vorgeschichtliche Funde aus dem Hersfelder Raum" konzipiert und vom 22. Februar bis zum 30. März im Museum der Stadt Bad Hersfeld präsentiert. "Über 1200 Besucher haben vorbeigeschaut und sich für die in vielen Kisten gefundenen und nach Katalogisierung in anschaulicher Weise ausgestellten Schätze des Museums sowie für unsere mit verschiedenen Schwerpunktsetzungen angebotenen Vorträge interessiert", resümiert Waldeck, die es besonders gefreut hat, dass gut 120 Kinder vor Ort waren. Auf ausgesprochen großes Interesse stieß auch der zur Ausstellungseröffnung von Dr. Irina Görner gehaltene Einführungsvortrag, bei dem die Leiterin der Sammlung Vor- und Frühgeschichte von Hessen Kassel Heritage ihre Zuhörer und Zuhörerinnen, unter ihnen Dr. Dirk Richhardt, der Vorsitzende des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde (VHG), mitnahm auf eine so noch nie dagewesene archäologische Zeitreise durch den Altkreis Hersfeld.

Der Vortrag findet sich in bearbeiteter Form auch in Band 11 der Hersfelder Geschichtsblätter, der den Titel "Löwe und Doppelkreuz" trägt und der bei der am Samstag, 24. Mai, 15 Uhr, im Bürgerhaus Hohe Luft stattfindenden Jubiläumsveranstaltung, zu der die gesamte interessierte Öffentlichkeit eingeladen ist, als Jubiläumsfestschrift präsentiert wird. Die weiteren Beiträge wird Dr. Michael Fleck, der seit 2003 amtierende stellvertretende Vorsitzende des Hersfelder Geschichtsvereins, vorstellen, unter anderem eine sicherlich viele ehemalige Schüler der Alten Klosterschule an Pennälerzeiten zurückdenken lassende Abhandlung von Hermann Altmüller über die von ihm von 1862 bis 1870 absolvierte Gymnasialzeit. Mitglieder des Hersfelder Geschichtsvereins erhalten die Festschrift als Jubiläumsgeschenk, Gäste können sie bei der Festveranstaltung "fast geschenkt" erwerben.

Auf großen Zuspruch bei der Jubiläumsveranstaltung stoßen dürfte auch der Festvortrag des Marburger Historikers Prof. Dr. Holger Thomas Gräf, der sich mit Leben und Situation der Hersfelder Teilnehmer im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg, der vor genau 250 Jahren begann, beschäftigen wird. Der Eintritt ist frei, und nach Beendigung des offiziellen Teils der Jubiläumsveranstaltung sind alle Anwesenden zu einem Umtrunk und guten Gesprächen eingeladen.

Wie alles begann – Aus der Vereinschronik

Es war – wenn man so will – der Mutterverein, der 1834 in Kassel gegründete Verein für hessische Geschichte und Landeskunde (VHG), der seine Hersfelder Mitglieder, unter ihnen der zu den

Gründungsmitgliedern des "Hauptvereins" zählende Gymnasialdirektor Dr. Wilhelm Münscher, gleich zweimal – 1868 und 1888 – ermunterte, einen Zweigverein zu gründen und selbstständig zu agieren. Das geschah jedoch lange Zeit nicht. Erst nachdem die in ganz Kurhessen in den verschiedenen Kreisen ins Leben gerufenen Mitgliedschaften 1902 in Pflegschaften umgewandelt worden waren und ganz speziell von der Hersfelder Pflegschaft immer mehr Vorträge und Ausflüge organisiert wurden sowie darüber hinaus 1917 die Städtische Museumskommission gegründet wurde, tat sich aus dieser heraus Anfang 1920 etwas. Zum einen erschien ab 1921 die Zeitungsbeilage "Mein Heimatland", zum anderen gelang es am 12. Mai 1925, unter Vorsitz von Hersfelds Bürgermeister Friedrich Wagner im Rathaussitzungssaal den Hersfelder Geschichtsverein e. V. zu gründen: "Die an diesem Tage anwesenden 28 Persönlichkeiten, darunter auch der kommissarische Landrat des Kreises Hersfeld, Regierungsrat Kirschbaum, und drei Damen, werden Vereinsmitglieder, dazu vier weitere Bürger der Stadt, die ihren Beitritt zum Tage schriftlich kundgetan haben. Die Mitgliederzahl des Hersfelder Geschichtsvereins am Gründungstag beträgt daher 32. Der Entwurf der Satzung wird verlesen, geringfügig abgeändert und dann akzeptiert."

Der Verein wird von einem aus dreizehn Personen bestehenden Vorstand und einem aus elf Personen bestehenden Beirat geführt. Nach der Satzung bezweckt er in erster Linie die Verwaltung und Ausgestaltung des Hersfelder Museums. Er fördert die wissenschaftliche Tätigkeit im Archiv und unterstützt die Einrichtung einer ‚Heimatkundlichen Bücherei‘. Weiter gehört zum Aufgabenkreis des Vereins die Pflege der gesamten Heimatkunde durch Forschung, Sammlung und Besprechung, insbesondere Heimatschutz und Denkmalspflege.

Studiendirektor Dr. Wilhelm Schoof wird am 23. Juni 1925 zum ersten Vorsitzenden gewählt. Aufgrund erfolgreicher Werbung wächst der Verein bis zur ersten Jahreshauptversammlung am 20. April 1926 auf 115 Mitglieder an. Joseph Vonderau, Philipp Hafner und Karl Strauß werden schon bald zu ersten Ehrenmitgliedern ernannt. Wichtigste Veranstaltung ist die feierliche Wiedereröffnung des Städtischen Heimatmuseums.

1928 wird der Hersfelder Geschichtsverein Zweigverein im VHG und im gleichen Jahr erinnert er auch an die Geschehnisse in der 550 Jahre zurückliegenden Vitalisnacht. Besonders öffentlichkeitswirksam sind die Aufführungen des gleichnamigen Schauspiels in der Stiftsruine. Mitwirkende sind 150 Hersfelder Bürger, darunter auch Schneidermeister Hans Post, der von 1964 bis 1970 amtierende Vereinsvorsitzende. dessen ausdrucksvolle Darstellung besonders gelobt wird. Wohl zu Recht dürfen die vier Aufführungen als der eigentliche Anstoß für die Bad Hersfelder Festspiele bezeichnet werden.

Die "Machtergreifung" der Nationalsozialisten führt dazu, dass 1934 das "Führerprinzip" eingeführt wird: Dr. Schoof wird "Vereinsführer", der NS-Kreispropaganda- und -kulturleiter Dr. Karl Bell wird sein Stellvertreter. Zwischen beiden kommt es anlässlich der Organisation der 1200-Jahrfeier Hersfelds zu Spannungen, die letztendlich dazu führen, dass Dr. Schoof, Wilhelm Neuhaus und Reinhard Kniese aus dem Verein austreten und dieser sich am 30. Juni 1936 auflöst. "Nachfolgeorganisation" wird der NS-Geschichtsring, der 1937 Glied der Abteilung Kulturgemeinde Hersfeld in der NS-Gemeinschaft "Kraft durch Freude", Kreisstelle Hersfeld wird und bis 1945 besteht.

Auf Betreiben des Hauptvereins erfolgt am 24. Oktober 1952 die Neugründung des Hersfelder Geschichtsvereins. Stadtinspektor Hans-Georg Vöge übernimmt das Vorsitzendenamt, Studienrat Dr. Friedrich Weishaar das des Stellvertreters. Ersten Vorträgen folgen Ausspracheabende und es entwickeln sich sogar "Historische Stammtische". Nach dem Rücktritt von Vöge betätigen sich die

Pfarrer Gerhard Suhre und Heinrich Rohrbach als Vorsitzende, ehe nach einer handfesten Krise Hans Post das Ruder übernimmt. In seiner Nachfolge wirken ab 1970 der Studienrat Dr. Waldemar Zillinger und ab 2000 die Lehrerin Ingrid Waldeck, die den Verein zu neuen Höhen führt. Insbesondere die wissenschaftliche Betätigung des Vereins hat sich seitdem wesentlich erweitert, nicht zuletzt durch die Herausgabe von heimatgeschichtlichen Büchern, so dass der Ehrenvorsitzende des Hauptvereins, Hans-Jürgen Kahlfuß, in der zum Jubiläum erscheinenden Festschrift wohl zu Recht feststellt: "Mit all seinen Leistungen stellt sich der Hersfelder Geschichtsverein der Öffentlichkeit gegenüber als eine wichtige, ja unentbehrliche Wissenschaftsinstitution und Kulturorganisation mit dem Schwerpunkt hessische Landesgeschichte unter besonderer Beziehung auf Stadt und Kreis Hersfeld dar." Dass das so bleibt, wünschen sich alle 94 Mitglieder, die sich, wie überall, über den Beitritt von neuen, vor allem jungen Vereinsmitgliedern freuen würden. (nia/pm) +++

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