Polizeistatistik
BKA: Politisch motivierte Kriminalität steigt um 40 Prozent
Foto: Michael Kappeler/dpa
20.05.2025 / BERLIN -
Die Zahl der politisch motivierten Straftaten ist im vergangenen Jahr so stark angestiegen wie nie zuvor seit Einführung der bundesweiten Statistik 2001. Wie der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Holger Münch, bei der Veröffentlichung der Fallzahlen für 2024 berichtete, wurden in Deutschland im vergangenen Jahr mehr als 84.000 politisch motivierte Straftaten verübt - ein negativer Rekord. Rund jede zweite dieser Taten ordnete die Polizei zuletzt dem rechten Spektrum zu. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) sagte, notwendig zur Eindämmung politisch motivierter Kriminalität sei eine gemeinsame «Sicherheitsoffensive von Bund und Ländern».
Neben der Europawahl im Juni gab es 2024 Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg sowie die Teilwiederholung der Bundestagswahl in Berlin. Zudem warf die vorgezogene Bundestagswahl ihre Schatten voraus.
Rechts motivierte Straftaten
Am stärksten war der Anstieg 2024 bei den Straftaten, die mutmaßlich rechts motiviert waren. Ihre Zahl stieg im Vergleich zum Vorjahr laut Polizeistatistik von 28.945 Straftaten auf 42.788 Delikte. «Die größte Gefahr für die Demokratie geht vom Rechtsextremismus aus», sagte der Bundesinnenminister auf Nachfrage und wiederholte damit eine Einschätzung seiner Vorgängerin Nancy Faeser (SPD).Auch unter den 4.107 Gewalttaten mit politischem Motiv im vergangenen Jahr ist der Anteil jener, die laut Polizei einen rechten Hintergrund haben, mit rund 36 Prozent besonders hoch. 975 Gewalttaten - knapp 24 Prozent - entfielen auf den Bereich «ausländische Ideologie». 762 Gewalttaten - knapp 19 Prozent - rechnete die Polizei dem linken Spektrum zu.
Zunahme auch bei «Hasskriminalität»
Wenn die Umstände der Tat oder die Einstellung des Täters Anhaltspunkte liefern, dass er aufgrund von Vorurteilen - etwa bezogen auf ethnische Herkunft, Religionszugehörigkeit oder Geschlecht - gehandelt hat, spricht die Polizei von sogenannter Hasskriminalität. In 19.481 Fällen sahen die Polizeibeamten «Fremdenfeindlichkeit» als Motiv.Straftaten im Kontext des Krieges in Nahost
Antisemitische Delikte
«Der steigende Antisemitismus macht uns größte Sorgen», sagte Dobrindt. Seine Antwort darauf sei: «Mehr Kompetenzen für die Polizei und mehr Konsequenzen für die Straftäter». Er sprach sich unter anderem für mehr Videoüberwachung an Kriminalitätsschwerpunkten, Strafverschärfungen und erleichterte Ausweisungen bei einer Verurteilung wegen einer antisemitischen Straftat aus.Links motivierte Straftaten
Die Zahl der links motivierten Straftaten nahm im vergangenen Jahr um rund 28 Prozent auf 9.971 Delikte zu. Die Gewalttaten mit linkem Hintergrund nahm dagegen ab, um knapp 17 Prozent auf 762 Taten. Münch sieht hier auch ein Ergebnis von Ermittlungs- und Fahndungserfolgen in den vergangenen Jahren.Entsetzen und Ruf nach Konsequenzen
Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jochen Kopelke, sagte: «Wir müssen Extremismus in Deutschland besser bekämpfen. Die Polizei allein schafft das nicht.» Erforderlich seien insbesondere Maßnahmen, um den Anstieg der politisch motivierten Gewalt zu stoppen und die «Radikalisierung über das Smartphone».Verantwortlich für den Anstieg rechter Gewalt sei einerseits die AfD, die Hass gegen Migranten, Juden und Andersdenkende schüre, sagte der Vorsitzende der Partei Die Linke, Jan van Aken. Andererseits leisteten hier auch die Parteien der Mitte einen Beitrag, weil diese «aus Angst vor der AfD Teile ihrer Positionen übernehmen».
Der Deutsche Richterbund (DRB) warnte davor, bei der Bekämpfung von Gewalt, Hetze und Hasskriminalität allein auf Gesetzesänderungen zu setzen. «Schärfere Strafgesetze allein werden wenig bewirken, solange eklatanten Personallücken eine effektive Strafverfolgung ausbremsen», sagte DRB-Bundesgeschäftsführer, Sven Rebehn. Die Ermittlungsbehörden schöben aktuell fast eine Million unerledigte Fälle vor sich her, bundesweit fehlten mehr als 2.000 Staatsanwälte und Strafrichter. (Von Anne-Beatrice Clasmann, dpa) +++