Für mehr ME/CFS Awareness

Fulda macht mit bei der bundesweiten Initiative Liegend-Demo

Um auf unsichtbare Erkrankungen aufmerksam zu machen, legten sich auch in Fulda die Menschen auf den Boden.
Fotos: Jochen Vogel

14.05.2025 / FULDA - Um auf unsichtbare Erkrankungen aufmerksam zu machen: Im Rahmen der internationalen ME/CFS - Awareness-Week Liegend-Demo legt sich in diesem Jahr auch Fulda neben Städten wie Berlin, München, Köln, Stuttgart und mehreren weiteren Städten auf öffentliche Plätze, weil den Erkrankten die Kraft fehlt, um für ihre Anliegen "auf die Straße zu gehen".



Die an ME/CFS Post-Covid-Syndrom (PCS) und Post-Vakzine-Syndrom (PVS) Erkrankten sind für die Gesellschaft, Kollegen, Mitschüler, Freundeskreis und Sport nicht mehr sichtbar. Sie können meist das Haus nur selten verlassen, sehr schwer Erkrankte müssen 24/7 in abgedunkelten und reiz-geschützen Räumen versorgt werden.

ME/CFS steht für das sperrige Wort Myalgische Enzephalomyeltis/ Chronisches Fatigue-Syndrom, inzwischen die schwerste Form der Langzeitfolge nach einer Corona-Infektion. ME/CFS ist seit 1969 anerkannt, und tritt in Folge von viralen, bakteriellen Infektionen wie dem Pfeifferschen Drüsenfieber (EBV), nach Impfungen oder durch Medikamente auf. Das Immunsystem entgleist und lebenslange neurologische, immunologische, muskuläre Störungen sowie Störungen im Energiestoffstoffwechsel können die Folge sein. 25 Prozent der Erkrankten fehlt die körperliche Kraft, auch nur die hygienische Basisversorgung, Arztbesuche oder Einkäufe zu bewältigen. 60 Prozent können die Schule nicht mehr besuchen oder nicht mehr berufstätig sein. Die Corona-Pandemie hat wie ein Brennglas die ohnehin katastrophale Versorgungssituation verschärft: Waren es vor 2020 noch 250.000 Erkrankte, sind es inzwischen über 600.000 ME/CFS Erkrankte, die nicht gesunden und monatlich werden es mehr. Es ist die stille Pandemie nach der lauten Pandemie.

Erfüllung eines Herzenswunschs: Menschen legten sich auf den Borgias-Platz

Die Erkrankten würden nichts lieber tun würden, als wieder zu arbeiten, mit der Familie und Freunden den Hobbys nachgehen, oder "heute Muttertag" zu feiern. Dennoch "liefert" deren Körper einfach nicht mehr. Die Erkrankung kann mit vielfältigen stark beeinträchtigenden Symptomen zu zeitweiser, dauerhafter Bettlägerigkeit oder zum Tode führen. Angehörige, Freunde, Stellvertreter und Erkrankte aus Fulda und Umgebung folgten deshalb gestern dem bundesweiten Aufruf der Initiative Liegend-Demo und legten sich in Fulda auf den Borgias-Platz. Joachim Penz organisierte die Liegend-Demo Fulda, um seiner schwer erkrankten Tochter Manja einen Herzenswunsch zu erfüllen. Manja war bis zu ihrer Corona-Infektion, wie viele andere Erkrankte auch, für die Gesellschaft "systemrelevant", nun beschreibt sie sich als "systemvergessen" und beschreibt dies aus dem Rollstuhl heraus eindringlich in ihrem Redebeitrag. In verschiedenen Redebeiträgen richteten sich Birgit Gustke vom Verein "Fatigatio-Bundeverband ME/CFS" und Joachim Penz an die Teilnehmenden um auf den Versorgungsnotstand der Erkrankten, die unzureichende Forschung,- Aufklärung, -Teilhabe in Gesellschaft, Schule und Beruf sowie Forderungen und Wünsche an die Gesundheitspolitik, Ärzteschaft und Gesellschaft aufmerksam zu machen. Vorbeieilende "Samstags-Stadt-Bummler" bleiben stehen, setzten sich, hörten zu und informierten sich im Gespräch und über Informationsmaterialien; viele von ihnen "kennen" jemanden mit ähnlichen Symptomen nach Corona-Infektion.

Hoffnung durch "Richtlinie Long Covid"

In der Ärzteschaft ist ME/CFS kaum bekannt, denn es ist noch immer nicht Teil der medizinischen Ausbildung, es gibt noch immer keine für die Erkrankung zugelassenen Medikamente, in Kliniken, Krankenhäuser und Pflege ist es selten bekannt. Doch es gibt Hoffnung; seit Ende 2023 wurde die Long Covid-Richtlinie des G-BA (Gemeinsamer Bundes-Ausschuss, als höchstes Gremium der gesundheitlichen Versorgung) verabschiedet, die Erkrankungen wie ME/CFS auch nach anderen Infektionen, PCS und PVS wurden darin einschlossen, Diagnosemöglichkeiten und Therapie- und Versorgungskonzepte vorgibt. Hierzu gehört auch der Einsatz von Medikamenten, die für andere Erkrankungen zugelassen sind, und hier erhebliche Linderung verschaffen können. Inzwischen wurden Abrechnungsmöglichkeiten geschaffen, die aufwendige Diagnostiken, Therapien und Überweisungen ermöglichen. Bislang hat dieses Wissen jedoch kaum die Haus- und Facharztpraxen erreicht. Die Landesärztekammern informieren nur unzureichend, sodass die Ärzteschaft sich selbst aktiv um Informationen kümmern muss

Hoffnung gibt auch das vom Bundesgesundheitsministerium mit 41 Millionen Euro geförderte PEDNET-LC- Projekt für die Versorgung von Kindern und Jugendlichen, in das Kliniken aus allen Bundesländern und weitere Netzwerkpartner, mit sozialrechtlichen, pflegerischen und Bildungsthemen, eingebunden sind. Patientenorganisationen sind gleichberechtigt eingebunden, denn wir brauchen uns alle gegenseitig mehr denn je. Für Hessen ist die Kinderklink Kassel über Dr. Nina Kollmar mit einem hoffnungsvollen Konzept vertreten. Das PEDNET-LC-Projekt gilt aus Blaupause für die Erwachsenenversorgung. Doch bis die Versorgung in den Betten aller Erkrankter angekommen ist, legen sich die Menschen weiter auf Straßen und Plätze. (kg/pm) +++

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